21.05.2024Fachbeitrag

Update Datenschutz Nr. 179

BGH entscheidet zur Reichweite des Rechts auf Kopie

Mit Urteil vom 5. März 2024 (VI ZR 330/21) hat der Bundesgerichtshof („BGH“) in einer weiteren Entscheidung die Tragweite des Auskunftsrechts weiter ausgeformt. Insbesondere hat er für mehr Klarheit gesorgt, was unter dem Recht auf Kopie von personenbezogenen Daten zu verstehen ist. Nach der Entscheidung des BGH sind Schreiben der betroffenen Person an den Verantwortlichen insgesamt als personenbezogene Daten einzustufen und daher im Rahmen einer Auskunft vollständig zu übermitteln. Schreiben des Verantwortlichen an die betroffene Person hingegen (genauso wie Telefonnotizen, Aktenvermerken, Protokollen, E-Mails, Briefen und Zeichnungsunterlagen für Kapitalanlagen, etc.) sind nicht zwangsläufig insgesamt personenbezogene Daten. Eine Übermittlungspflicht im Rahmer der Auskunft besteht für solche Dokumente dann insoweit, wie diese Schreiben Informationen über die betroffene Person enthalten, und es für die Kontextualisierung der Verarbeitung und die wirksame Ausübung der Betroffenenrechte erforderlich ist, diese Dokumente vollständig oder in Auszügen herauszugeben.

Sachverhalt

Der Entscheidung lag eine auf Überlassung von Kopien gerichtete Klage einer Kapitalanlegerin gegen ihre langjährige Finanzberaterin zugrunde. Die Betroffene begehrte von dieser, ihr Kopien aller bei der Verantwortlichen vorhandenen personenbezogenen Daten der Betroffenen gemäß Art. 15 Abs. 3 DSGVO zu übermitteln, insbesondere in Form von Telefonnotizen, Aktenvermerken, Protokollen, E-Mails, Briefen und Zeichnungsunterlagen für Kapitalanlagen.

Der Rechtsstreit verlief über mehrere Instanzen bis zum BGH.

Entscheidung des BGH

Der BGH entschied, dass der Anspruch auf Überlassung dieser Dokumente hinsichtlich der an die Verantwortliche gerichteten E-Mails und Briefe begründet ist. Die gelte im vorliegenden Fall jedoch nicht für Schreiben der Verantwortlichen an die Betroffene, Telefonnotizen, Aktenvermerke, Gesprächsprotokolle, etc.

Diese Unterscheidung begründet der EuGH wie folgt:

Nach den vom Europäischen Gerichtshof („EuGH“) in früheren Entscheidungen (im Wesentlichen C-487/21 und C-307/22) aufgestellten Grundsätzen bestimmt zwar das Recht auf Kopie nach Art. 15 Abs. 3 DSGVO die praktischen Modalitäten der Auskunft nach Art. 15 Abs. 1 DSGVO, vermittelt aber keinen eigenständigen Anspruch. Der Begriff der Kopie in Art. 15 Abs. 3 DSGVO bezieht sich nicht auf ein Dokument als solches, sondern auf die personenbezogenen Daten, die es enthält (siehe auch Update Datenschutz Nr. 147). Die Kopie muss alle personenbezogenen Daten enthalten, die Gegenstand der Verarbeitung sind. Daraus folgert der BGH, dass originalgetreue Kopien von personenbezogenen Daten zu erteilen sind.

Weiter führt der BGH aus, dass der Begriff der personenbezogenen Daten nach der Rechtsprechung des EuGH weit auszulegen ist, so dass nicht nur sensible oder private Informationen darunter zu verstehen sind. Vielmehr werden alle Arten von Informationen sowohl objektiver als auch subjektiver Natur darunter verstanden, wobei die Informationen aufgrund ihres Inhalts, ihres Zwecks oder ihrer Auswirkungen mit einer bestimmten Person verknüpft sein müssen.

Hinsichtlich der Kopien von Briefen einer betroffenen Person an den Verantwortlichen folgert der BGH, dass diese Schreiben ihrem gesamten Inhalt nach als personenbezogene Daten einzustufen sind. Die personenbezogene Information besteht bereits darin, dass die betroffene Person sich dem Schreiben gemäß geäußert hat.

Daraus folgt nach dem BGH, dass Schreiben der Betroffenen an den Verantwortlichen also insgesamt im Rahmen einer Auskunft übermittelt werden müssen. Der BGH betont ausdrücklich, dass die Auskunft in solchen Fällen nur durch Übermittlung einer Kopie des gesamten Dokuments vollständig sei. Dass die Schreiben der Person schon bekannt sind, schließt den Auskunftsanspruch der betroffenen Person nicht aus.

Umgekehrt sind, nach Ansicht des BGH, Briefe des Verantwortlichen an die betroffene Person nur insoweit als personenbezogene Daten einzustufen, als sie Informationen über die betroffene Person enthalten. Solche Schreiben stellen aber nicht zwangsläufig in ihrer Gesamtheit personenbezogene Daten dar. Dasselbe gilt auch für Telefonnotizen, Aktenvermerke, Protokolle, etc. des Verantwortlichen. Aus der Verpflichtung, eine vollständige Auskunft über personenbezogene Daten zu erteilen, sah der BGH im vorliegenden Fall keinen Anspruch gegeben, diese Dokumente im Gesamten als Kopie zu überlassen. Dies folgt nach Ansicht des BGH auch nicht aus den vom EuGH hierzu aufgestellten Grundsätzen. Dieser hatte entschieden, dass auch Auszüge aus Dokumenten oder ganze Dokumente oder auch Auszüge aus Datenbanken, die personenbezogene Daten enthalten, zu übermitteln sind, wenn dies zur „Kontextualisierung“ der verarbeiteten Daten erforderlich ist, d.h. eine Übermittlung erforderlich ist, um die Verständlichkeit der Verarbeitung zu gewährleisten, und um der betroffenen Person die wirksame Ausübung ihrer Rechte zu gewährleisten. Diesen Fall betitelt der BGH ausdrücklich als Ausnahme (vgl. „ausnahmsweise“ Rz. 18).

Dazu subsumierte der BGH, dass dies vorliegend nicht von der betroffenen Person dargelegt worden sei oder „auch sonst nicht der Fall sei“.

Auswirkungen der Entscheidung

Interessant ist die BGH-Entscheidung vor allem aus praktischer Sicht. Geht es um die Herausgabe von Dokumenten, ist stets genau hinzuschauen:

Briefe und Emails, die ein Betroffener an den Verantwortlichen sendet, sind insgesamt personenbezogene Daten und dementsprechend im Rahmen von Art. 15 Abs. 3 DSGVO zwangsläufig in der Gesamtheit herauszugeben. Das Argument, dass dem Betroffenen diese Dokumente ja bereits bekannt sind, da er sie selbst verfasst hat, zieht nicht. Dies hatte das OLG Düsseldorf in einer Entscheidung aus dem Jahr 2023 (Az. Beschl. v. 13.7.2023 – I-13 U 102/22, I-13 U 44/23) auf den ersten Blick anders gesehen - dies allerdings in einer besonderen Konstellation. Das OLG Düsseldorf hatte zu einem Anspruch auf Herausgabe von Kopien eines Versicherungsnehmers gegen seine Versicherung entschieden, dass die Übermittlung von Versicherungsunterlagen an den Betroffen (Versicherungsnehmer) nicht zur Kontextualisierung im Rahmen von Art. 15 Abs. 3 DSGVO erforderlich ist, wenn diese schon einmal zur Verfügung gestellt wurden und der Betroffene nicht plausibel machen kann, dass ihm diese nicht mehr vorliegen. Dass Schreiben und Emails dem Betroffenen oftmals noch selbst bekannt sein dürfen, nahm der BGH bei dieser Entscheidung allerdings bewusst in Kauf. Er verwies insbesondere auf eine frühere Entscheidung, in der er bereits entschieden hatte, dass das Auskunftsrecht nach Art. 15 DSGVO sich nicht auf Daten beschränkt, die dem Betroffenen noch nicht bekannt sind.

Die Übermittlungspflicht von ganzen Dokumenten gilt umgekehrt für Briefe an den Betroffenen, etc. nicht unbedingt. Diese Dokumente können wiederum personenbezogene Daten enthalten, die im Rahmen von Art. 15 Abs. 3 DSGVO originalgetreu zu reproduzieren sind. Die Verpflichtung in diesem Zusammenhang dann ganze Dokumente oder Auszüge davon zu übermitteln, deklariert der BGH aber ausdrücklich als Ausnahme. Bemerkenswert ist zudem, dass der BGH die betroffene Person anscheinend dahingehend in der Darlegungslast sieht, darzulegen, warum ein solcher Ausnahmefall vorliegt. Wie sich dies in der Praxis entwickeln wird, wird spannend zu beobachten sein.

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