28.03.2022Fachbeitrag

Update Arbeitsrecht März 2022

Wer trägt die Darlegungs- und Beweislast für den Zugang einer E-Mail?

LAG Köln, 11.02.2022 – 4 Sa 315/21

Kann der Absender einer E-Mail sich darauf verlassen, dass die E-Mail den Empfänger quasi in Echtzeit zugeht? Das Landesarbeitsgericht Köln hat dies eindeutig verneint. Der Absender trägt die volle Darlegungs- und Beweislast dafür, dass die E-Mail dem Empfänger zugegangen ist. Selbst, wenn der Absender keine Benachrichtigung über die Unzustellbarkeit erhält, gibt es keinen Anscheinsbeweis.

Sachverhalt

Der Kläger hatte im Konzern der Beklagten eine Pilotenausbildung absolviert. Gemäß dem Schulungsvertrag musste er für die Ausbildungskosten einen Eigenanteil von EUR 60.000,00 übernehmen. Parallel zum Ausbildungsvertrag wurde daher ein Darlehensvertrag in Höhe des Eigenanteils mit einer anderen Konzerngesellschaft geschlossen und das Darlehen direkt an die Ausbildungsgesellschaft ausgezahlt. 

Bezüglich der Rückzahlung wurde geregelt, dass der Kläger, wenn ihm aus betrieblichen Gründen nicht innerhalb von fünf Jahren nach Beendigung der Schulung die Übernahme in ein Cockpitarbeitsverhältnis angeboten wird, das Darlehen nicht zurückzahlen muss.

Der Kläger schloss seine Ausbildung am 26. Oktober 2013 ab. Die Frist zum Angebot eines Arbeitsvertrags endete daher am 26. Oktober 2018. Am 27. Oktober 2018 ging dem Kläger ein postalisches Schreiben, datiert auf den 25. Oktober 2018, zu. In diesem Schreiben hat die Beklagte dem Kläger einen Arbeitsplatz angeboten. 

Bis zuletzt streitig war jedoch, ob der Kläger bereits am 25. Oktober 2018 eine E-Mail von der Beklagten mit Arbeitsplatzangebot erhalten hatte. Ist ihm keine E-Mail vor dem 26. Oktober 2018 zugegangen, so muss er das Darlehen nicht zurückzahlen.

Kein Anscheinsbeweis beim Zugang einer E-Mail 

Das Landesarbeitsgericht Köln stellte in seinem Urteil fest, dass dem Kläger nicht innerhalb der entscheidenden Frist von fünf Jahren ein Cockpitarbeitsverhältnis angeboten wurde. Das postalische Schreiben habe die Frist eindeutig nicht gewahrt. Die Beklagte hatte zwar behauptete, dass das selbe Schreiben als Anhang der E-Mail am 25. Oktober 2018 an die E-Mail-Adresse des Klägers versendet wurde. Es sei allerdings festzuhalten, dass die Absendung der E-Mail kein Anscheinsbeweis für den Zugang beim Empfänger begründet. Nach dem Versenden einer E-Mail geht die Nachricht normalerweise auf einem Server ein. Dies sei jedoch nicht gewiss. Auch bei einfacher Post sei es technisch möglich, dass die Nachricht nicht ankomme. Dieses Risiko könne nicht dem Empfänger aufgebürdet werden. Schließlich wähle der Versender die Art der Übermittlung der Willenserklärung und trage damit auch das Risiko, dass die Nachricht nicht ankommt. Das Landesarbeitsgericht Köln weist noch darauf hin, dass der Versender die Option einer Lesebestätigung habe, welche vorliegend aber nicht genutzt wurde. 

Dem Kläger wurde somit nicht innerhalb der Frist von fünf Jahren ein Arbeitsplatz angeboten. Er war somit nicht verpflichtet, das Darlehen zurückzuzahlen. In der Praxis ist daher dem Rat des Landesarbeitsgerichts zu folgen, immer eine Lesebestätigung anzufordern, wenn der Zeitpunkt und der Zugang der E-Mail relevant sind bzw. werden könnten. 

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