30.05.2017Fachbeitrag

Update Immobilien & Bau 2/2017

Spätere formwidrige Individualvereinbarung geht qualifizierter Schriftformklausel vor

Eines der Kernthemen des Gewerberaummietrechts ist und bleibt die Einhaltung der Schriftform. Um ungewollte Schriftformverstöße durch vermeintlich nebensächliche mündliche Absprachen zu vermeiden, wollen sich die Vertragsparteien häufig durch einfache oder qualifizierte Schriftformklauseln absichern. Der BGH hatte bereits entschieden, dass eine einfache Schriftformklausel nicht zur Formunwirksamkeit einer nachträglichen mündlichen oder konkludenten Individualvereinbarung führt. Nun konnte der BGH sich zu der Frage äußern, ob dies auch im Falle einer qualifizierten Schriftformklausel gilt (BGH, Beschluss vom 25.01.2017 - XII ZR 69/16).

Gegenstand des BGH-Beschlusses

Zwischen den Parteien bestand ein Mietvertrag über die Lagerung und den Verkauf von Stoffen und Kurzwaren. Der Mietvertrag enthielt sowohl eine qualifizierte Schriftformklausel als auch eine Schriftformheilungsklausel. Die Fläche wurde anfangs entsprechend des vereinbarten Zwecks genutzt, später jedoch u.a. als Getränkehandel betrieben. Der Vermieter duldete diese Nutzung stillschweigend, ohne dass hierüber ein schriftlicher Nachtrag geschlossen worden wäre. Anschließend erwarb die spätere Klägerin das Grundstück, auf dem sich auch die Mietfläche befand, und trat auf Vermieterseite in das Mietverhältnis ein. Nach Eintritt der neuen Vermieterin in das Mietverhältnis, einigten sich die Parteien auf eine feste Vertragslaufzeit, was in einem Nachtrag schriftlich festgehalten wurde. Ausführungen zu dem abweichenden Nutzungszweck enthielt der Nachtrag dagegen nicht. Die Vermieterin erklärte später die ordentliche Kündigung des Mietverhältnisses und berief sich u.a. auf einen Schriftformverstoß aufgrund der nicht schriftlich vereinbarten Änderung des Nutzungszwecks.

Hintergrund zu Schriftformklauseln

Bei einem Schriftformverstoß ist das Mietverhältnis unabhängig von der vereinbarten Festlaufzeit mit der gesetzlichen Frist kündbar. Derartige Schriftformverstöße unterlaufen den Parteien häufig erst während des Mietverhältnisses, indem Vertragsänderungen nicht schriftlich festgehalten werden. Um solche Schriftformfehler von vorneherein zu vermeiden, vereinbaren die Parteien Schriftformklauseln, wonach Änderungen des Mietvertrages der Schriftform bedürfen. Eine spätere formwidrige Vereinbarung soll nach dem Willen der Parteien formunwirksam und damit nichtig sein, sodass ein Schriftformverstoß nicht entstehen kann. Da höchstrichterlich (BGH, Urteil vom 21.09.2005 - XII ZR 312/02) bereits entschieden ist, dass einfache Schriftformklauseln spätere formwidrige Individualvereinbarungen nicht ausschließen, verwenden die Parteien heute formularmäßig sogenannte qualifizierte Schriftformklauseln, wonach nicht nur Änderungen des Mietvertrages der Schriftform bedürfen, sondern dies ausdrücklich auch für eine Aufhebung der Schriftform gelte. Flankierend wird häufig auch noch eine Schriftformheilungsklausel vorgesehen, in denen die Parteien auf ein Kündigungsrecht bei Schriftformverstoß verzichten und stattdessen alles tun werden, um einen eingetretenen Schriftformverstoß zu heilen

Bisheriger Meinungsstand

In der obergerichtlichen Rechtsprechung ist umstritten, inwieweit eine formularmäßige qualifizierte Schriftformklausel in einem Gewerberaummietvertrag zur Formunwirksamkeit einer nachträglichen formwidrigen Vertragsänderung führen kann (Anwendungsvorrang der Schriftformklausel: OLG Frankfurt a.M., Urteil vom 18.03.2013 - 2 U 179/12; OLG Naumburg, Urteil vom 26.07.2012 - 9 U 38/12; dagegen: OLG München, Urteil vom 07.04.2016 - 23 U 3162/15; OLG Rostock, Urteil vom 03.06.2010 - 3 U 173/09).

Individualabrede geht der formularmäßigen qualifizierten Schriftformklausel vor

Laut BGH könne die Frage der Wirksamkeit einer formularmäßigen qualifizierten Schriftformklausel dahinstehen. Die Klausel sei jedenfalls aufgrund des Vorrangs der Individualvereinbarung gemäß § 305 b BGB nicht geeignet, eine spätere schriftformwidrige Individualvereinbarung auszuschließen, und daher wirkungslos. Ein Interesse des Klauselverwenders oder auch beider Vertragsparteien, eine langfristige Vertragsbindung nicht zu gefährden, müsse gegenüber dem nachträglich übereinstimmend Gewollten zurücktreten. Hierbei komme es – im Unterschied zu individuell vereinbarten qualifizierten Schriftformklauseln – auch nicht darauf an, ob sich die Parteien bei der nachträglichen Vereinbarung der Schriftformklausel bewusst gewesen sind. Ohnehin sei auch eine qualifizierte Schriftformklausel nicht geeignet, einen Schriftformverstoß in jedem Fall zu verhindern, da eine Änderungsvereinbarung zwar der vertraglichen Schriftform gemäß §  127 BGB und damit der qualifizierten Schriftformklausel  genügen, gleichwohl jedoch gegen die Schriftform des § 550 S. 1 BGB verstoßen könne. Darüber hinaus können sich Verstöße gegen die Schriftform des § 550 S. 1 BGB auch aus den Gesamtumständen, etwa fehlender Bezugnahme von Nachträgen auf den zugrunde liegenden Mietvertrag, ergeben. In diesen Fällen mag zwar die vertraglich vereinbarte Schriftform des § 127 BGB für jede einzelne Vereinbarung (Mietvertrag/Nachtrag) eingehalten sein, gleichwohl die übergeordnete gesetzliche Schriftform des § 550 S. 1 BGB verletzt werden.

Schriftformheilungsklausel bindet Grundstückserwerber nicht

In diesem Zusammenhang hat der BGH nochmals klargestellt, dass eine Schriftformheilungsklausel einen Grundstückserwerber nicht bindet und bestätigt somit seine jüngste Rechtsprechung auch zu dieser Frage (BGH, Urteil vom 22.01.2014 - XII ZR 68/10 und BGH, Urteil vom 30.04.2014 - XII ZR 146/12).

Fazit

Die Frage nach der AGB-rechtlichen Wirksamkeit von qualifizierten Schriftformklauseln verliert in der Praxis an Bedeutung,  da einfache und qualifizierte Schriftformklauseln jedenfalls schriftformwidrige Individualvereinbarungen nicht ausschließen können und somit – wirksam oder nicht – jedenfalls keine faktische Wirkung entfalten.

Die vorliegende Entscheidung ist für Parteien gewerblicher Mietverträge auch insofern interessant, als die Vereinbarung über die Festlaufzeit, die das eigentliche Formerfordernis des Mietvertrages insgesamt erst auslöste, zeitlich nach der schriftformwidrigen Vereinbarung über den Mietzweck erfolgte. Vor diesem Hintergrund sind die Parteien auch bei Nachtragsverhandlungen gehalten, das Mietverhältnis sorgfältig auf bereits bestehende Schriftformverstöße zu prüfen, selbst wenn bislang noch keine schriftformrelevante Festlaufzeit vereinbart worden sein sollte.

Gewerbliche Vermieter und Mieter tun gut daran, die mittlerweile sehr stattliche Anzahl an Einzelfallentscheidungen des BGH und der Obergerichte zu Schriftformverstößen jedenfalls in Grundzügen nachzuvollziehen, um die typischen Stolpersteine sicher umschiffen zu können.

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