29.11.2022Fachbeitrag

Update Immobilien & Bau 3/2022

Auswirkungen der „Dezember-Soforthilfe“ auf die Immobilienwirtschaft

Am 19. November 2022 ist das Gesetz über eine Soforthilfe für Letztverbraucher von leitungsgebundenem Erdgas und Kunden von Wärme (Erdgas-Wärme-Soforthilfegesetz – EWSG) in Kraft getreten. Die dadurch ermöglichte sogenannte „Dezember-Soforthilfe“ soll einen Ausgleich für die im Jahr 2022 stark gestiegenen Energiekosten schaffen und dient zur Überbrückung, bis im Frühjahr 2023 die sogenannte „Gaspreisbremse“ eingeführt werden soll. Dies hat erhebliche praktische Auswirkungen auch auf das Asset/Property Management von Immobilien.

Gegenstand der „Dezember-Soforthilfe“

Gegenstand der „Dezember-Soforthilfe“ ist eine einmalige Entlastung von Kosten für leitungsgebundenes Erdgas und Wärme.

Begünstigte im Bereich Erdgas

Begünstigt werden in Bezug auf Erdgas grundsätzlich Letztverbraucher; insbesondere solche, deren Verbrauch über standardisierte Lastprofile (SLP) abgerechnet wird (z. B. private Haushalte und kleinere Unternehmen), aber auch Letztverbraucher (Unternehmen), deren (erhöhter) Verbrauch über eine registrierende Leistungsmessung (RLM) abgerechnet wird, soweit deren Jahresverbrauch 1,5 Millionen Kilowattstunden nicht überschreitet.

Bezugspunkt der „Entnahmestelle“

Nach dem (nicht ganz klaren) Wortlaut dürfte maßgeblicher Bezugspunkt für den vorbezeichneten Schwellenwert die einzelne „Entnahmestelle“ sein. Entscheidend für eine Leistungsberechtigung dürften damit Größe und Verbrauch der konkreten Immobilie an der betreffenden Entnahmestelle sein, nicht aber Größe/Gesamtverbrauch eines Immobilienportfolios insgesamt.

Privilegierung (nur) von Wohnraumvermietung und Wohnungseigentümergemeinschaften

Der vorgenannte Leistungsausschluss für Unternehmen, die den Schwellenwert von jährlich 1,5 Millionen Kilowattstunden überschreiten, gilt (neben bestimmten Trägern sozialer und öffentlicher Einrichtungen) nicht für Letztverbraucher, die das Erdgas weit überwiegend im Zusammenhang mit der Vermietung von Wohnraum oder als Wohnungseigentümer-gemeinschaft beziehen.

Keine Geltung für große Gewerbeimmobilien-unternehmen (etwa Shopping Center)!

Nicht in den Genuss der „Dezember-Soforthilfe“ dürften damit Unternehmen im Gewerbeimmobilienbereich (und deren gewerbliche Mieter) kommen, deren (Gesamt-)Verbrauch über die jeweilige Entnahmestelle den Schwellenwert von jährlich 1,5 Millionen Kilowattstunden überschreitet. Die entsprechenden Mieter, die keinen direkten Erdgaslieferungsvertrag abgeschlossen haben, sondern ihre Heizkosten etwa mit einem (nicht-begünstigten) Shopping Center-Betreiber abrechnen, scheinen somit schlechter zu stehen, als würden sie das Erdgas direkt vom Erdgaslieferanten beziehen (ob eine solche Ungleich-behandlung politisch gewollt und verfassungsgemäß ist, wird sich zeigen müssen).

Achtung im Bereich Erdgas: Mitteilungspflicht für Unternehmen mit registrierender Leistungs-messung (RLM) bis zum 31. Dezember 2022!

Begünstigte Letztverbraucher (Unternehmen mit größerem Verbrauch), die im Wege einer registrierenden Leistungsmessung (RLM) beliefert werden, müssen dem Erdgaslieferanten zur Klärung ihrer Berechtigung spätestens bis zum 31. Dezember 2022 in Textform mitteilen, dass die Leistungsvoraussetzungen vorliegen. Unklar sind die konkreten Rechtsfolgen einer Versäumnis dieser Frist. Schlimmstenfalls läuft der Letztverbraucher/Vermieter Gefahr, dass er seinen Leistungsanspruch verliert (möglicherweise aber seinen Mietern gegenüber verpflichtet bleibt, die ihnen zustehende „Dezember-Soforthilfe“ über die Nebenkostenabrechnung gutzuschreiben).

Höhe des Entlastungsbetrags

Die Höhe des Entlastungsbetrags für Erdgas ist mittels einer recht komplexen Formel zu ermitteln. Im Wesentlichen entspricht die Entlastung (einschließlich bestimmter „anderer Preiselemente“/Grundpreis) dem für die jeweilige Entnahmestelle prognostizierten Durchschnittspreis der Erdgasversorgung für einen Monat. Grundlage/Bezugszeitraum dieser Prognose ist bei SLP-Letztverbrauchern (mit geringerem Verbrauch) deren im Monat September 2022 prognostizierter Jahresverbrauch sowie der im jeweiligen Lieferverhältnis für den Monat Dezember 2022 geltende Arbeitspreis pro Kilowattstunde. Bei RLM-Letztverbrauchern (mit höherem Verbrauch) ist bezüglich der Verbrauchsprognose im Grundsatz abzustellen auf den Verbrauch im Referenzzeitraum November 2021 bis Oktober 2022.

Praktische Umsetzung durch die Erdgaslieferanten

Praktisch umgesetzt wird die „Dezember-Soforthilfe“ durch die Erdgaslieferanten. Sie sind verpflichtet, den Letztverbrauchern den Entlastungsbetrag „gutzuschreiben“. Zugunsten der SLP-Letztverbraucher hat der Erdgaslieferant dabei zunächst eine vorläufige Leistung auf die Entlastung zu erbringen (über die dann später im Rahmen der Rechnung für den Monat Dezember 2022 abzurechnen ist). Die vorläufige Leistung kann dergestalt erfolgen, dass der Erdgaslieferant den für Dezember 2022 vereinbarten Abschlagszahlungsbetrag nicht einzieht, auf dessen Überweisung verzichtet oder den Abschlagszahlungsbetrag „unverzüglich“ an den SLP-Letztverbraucher zurücküberweist.

Achtung: Kein Recht der Letztverbraucher zur eigenmächtigen Nichtzahlung im Dezember 2022!

Dem Wortlaut des § 3 Abs. 2 EWSG lässt sich kein Recht des Letztverbrauchers entnehmen, eine für Dezember 2022 vereinbarte Abschlagszahlung eigenmächtig zu unterlassen bzw. zu widerrufen (zur Legitimierung einer entsprechenden Nichtzahlung sollte zuvor eine ausdrückliche Verzichtserklärung des Erdgaslieferanten eingeholt werden).

Weitergabe der (potentiellen!) Entlastung an die Mieter im Rahmen der Heizkostenabrechnung

Der Vermieter hat die Entlastung, die er erlangt – oder erlangen könnte (!) – im Rahmen der Heizkostenabrechnung für die laufende Abrechnungsperiode an den Mieter weiterzugeben und dort gesondert auszuweisen. Versäumt der Vermieter, eine ihm zustehende Entlastung zu erlangen (etwa durch Versäumnis der Mitteilungspflicht für RLM-Unternehmen bis zum 31. Dezember 2022, siehe oben), haben die Mieter dennoch einen Anspruch auf Entlastungszahlung gegen den Vermieter.

Hinweispflicht des Vermieters!

Der Vermieter hat nach Veröffentlichung der bis zum 21. November 2022 zu erfolgenden Information des Erdgaslieferanten den Mieter unverzüglich in Textform über die erhaltenen Informationen betreffend die Entlastung und die diesbezügliche vorläufige Leistung zu unterrichten und darauf hinzuweisen, dass die Entlastung aus Mitteln des Bundes finanziert wird. Der Vermieter hat zusätzlich in Textform und unter Hinweis auf ein von der Bundesregierung bereitgestelltes Informationsschreiben darüber zu unterrichten, dass er die endgültige Entlastung in der Heizkostenabrechnung für die laufende Abrechnungsperiode an den Mieter weitergeben wird. Ist eine Eigentumswohnung vermietet, hat der Vermieter den Mieter unverzüglich zu unterrichten, nachdem er die Informationen von der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer erhalten hat.

Weitergabe der Entlastung an die Wohnungseigentümer

Die Wohnungseigentümergemeinschaft hat die Entlastung im Rahmen der Jahresabrechnung an die Wohnungseigentümer weiterzugeben und dort gesondert auszuweisen. Die vorstehend beschriebene Hinweis-/Informationspflicht gilt entsprechend für die Wohnungseigentümergemeinschaft gegenüber den einzelnen Wohnungseigentümern.

Teilweise Befreiung des Mieters von seiner Betriebskostenvorauszahlungspflicht für den Monat Dezember 2022

Mieter sind von ihrer Verpflichtung zur Betriebskostenvorauszahlung für den Monat Dezember 2022 befreit, wenn deren Vorauszahlungen aufgrund der steigenden Kosten für Erdgas/Wärme in den letzten neun Monaten vor dem 19. November 2022 erhöht wurden, und zwar in Höhe dieses Erhöhungsbetrags (wurde in diesem Zeitraum eine Betriebskostenvorauszahlung für Erdgas erstmalig vereinbart, beträgt die Befreiung 25 Prozent der Betriebskostenvorauszahlung für den Monat Dezember 2022). Die vorstehend dargestellte Hinweis- bzw. Informationspflicht des Vermieters umfasst auch den Hinweis auf eine mögliche Befreiung von der Betriebskostenvorauszahlung für den Monat Dezember 2022.

Kompensation der Kunden von Wärmeversorgungsunternehmen

Für den Bereich der Wärmelieferung sieht das EWSG an die dortigen Besonderheiten angepasste Regelungen vor. Wärmeversorgungsunternehmen sind verpflichtet, ihren Kunden für deren im Dezember 2022 zu leistende Zahlungen eine finanzielle Kompensation bis spätestens zum 31. Dezember 2022 zu leisten (entweder durch Verzicht auf die Dezember-Abschlagszahlung des Kunden, eine Zahlung an den Kunden oder eine Kombination aus beiden Elementen). Die Kompensation beträgt grundsätzlich 100 plus 20 Prozent des Betrages der im September 2022 an das Wärmeversorgungsunternehmen geleisteten monatlichen Abschlagszahlung. Im Übrigen gelten die oben für den Erdgasbereich dargestellten Regelungen grundsätzlich entsprechend auch für den Bereich der Wärmelieferung (ausgenommen erdgas-spezifische Regelungen).

Erstattungsanspruch des Lieferanten gegen die Bundesrepublik Deutschland

Die Lieferanten von Erdgas/Wärme haben, soweit sie die nach Maßgabe des EWSG geschuldeten Entlastungen an Letztverbraucher/Kunden geleistet haben, einen Erstattungsanspruch gegen die Bundesrepublik Deutschland (Erdgaslieferanten haben bei vorläufig gewährten Leistungen einen entsprechenden Vorauszahlungsanspruch).

Fazit / Ausblick

Die Umsetzung der „Dezember-Soforthilfe“ dürfte zu erheblichem Management-Aufwand nicht nur bei Erdgas- und Wärmeversorgern, sondern auch bei Vermietern und Immobilienverwaltern führen (insbesondere im Rahmen der gesetzlichen Hinweispflichten und Nebenkostenabrechnung). Fallstricke (und Schadensrisiken für Vermieter) lauern insbesondere im Zusammenhang mit der Anwendung des Schwellenwerts von 1,5 Millionen Kilowattstunden. Die Praxis wird zeigen müssen, ob die „Dezember-Soforthilfe“ (ohne allzu große Reibungen) gelingt und wann die Entlastung die Mieter (insbesondere bei einer Heizkostenabrechnung über den Vermieter) tatsächlich erreicht.

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