07.02.2024Fachbeitrag

Update IP, Media & Technology Nr. 93

Aktuelles zu Auskunftsansprüchen gegen Plattformen nach DSA & TTDSG

I. Einführung

Die Vielzahl an digitalen Kommunikationsmöglichkeiten heutzutage geht nicht nur mit einer vermehrten und facettenreicheren Teilnahme am öffentlichen Diskurs sowie der Verwirklichung der Meinungsfreiheit nach Art. 5 Abs. 1 GG einher, sondern birgt auch ein erhöhtes Aufkommen an sog. Hassreden, rechtswidrigen Äußerungen und Bewertungen. Äußerungen, die im digitalen Raum getätigt werden, bewegen sich oftmals an der Grenze zur Rechtswidrigkeit oder überschreiten diese eben. Dies lässt sich insbesondere innerhalb sozialer Medien und auf den verbreiteten Bewertungsplattformen vorfinden.

Grundsätzlich stehen dem Betroffenen dann Unterlassungsansprüche aus den §§ 823ff BGB und § 1004 BGB analog zu. Die Anspruchsdurchsetzung kann gegenüber mehreren möglichen Anspruchsgegnern erfolgen. Infrage kommt zunächst das Vorgehen gegen die Plattform selbst. Hierbei bleibt aber zu beachten, dass den Online-Plattformen regelmäßig eine Haftungsprivilegierung zukommt. Diese endet nur, sofern die Plattformen haftungsbegründende Kenntnis erlangen. Darüber hinaus besteht auch die Möglichkeit den Anspruch gegen den rechtsverletzenden Nutzer durchzusetzen. Dies ist auch vorzugswürdig, da damit effektiv dafür gesorgt werden kann, dass der Nutzer eine solche rechtswidrige Äußerung nicht nochmal tätigt bzw. nicht auf einer anderen Plattform nochmal veröffentlicht.

Allerdings könnte sich diesbezüglich ein großes Problem stellen, wenn der verletzende Nutzer die rechtswidrige Äußerung anonym veröffentlicht. Denn dann steht die Anspruchsdurchsetzung vor einer großen Hürde. Der betroffenen Person bleibt lediglich die Geltendmachung von Auskunftsansprüchen gegenüber den Plattformen übrig, um auf diesem Wege die Identität des Nutzers zu ermitteln. Ein solcher Auskunftsanspruch ist in § 21 Abs. 2 S. 2 TTDSG verankert. Danach kann einer betroffenen Person Auskunft über Bestandsdaten gewährt werden. Allerdings kann dies aufgrund des strengen europäischen Datenschutzrechts nur unter engen Voraussetzungen erfolgen. Die Auskunftserteilung kann nur vorgenommen werden, wenn dies der Durchsetzung zivilrechtlicher Ansprüche, die auf der Verletzung von absolut geschützten Rechten basieren, dient. Im Hinblick auf die Verletzung absolut geschützter Rechte wird auf die Katalogstraftaten des § 1 Abs. 3 NetzDG und auf § 10a Abs. 1 TMG verwiesen.

Allerdings gestaltet sich die Durchsetzung des Auskunftsanspruchs nach § 21 Abs. 2 S. 2 TTDSG in der Praxis nicht unbedingt als einfach und effektiv. Insbesondere vor dem Hintergrund des am 17.02.2024 vollständig in Kraft tretenden Digital Service Act (DSA), stellt sich die Frage, wie es mit dem Auskunftsanspruch aus § 21 Abs. 2 S. 2 TTDSG weitergeht. 

II. Anspruchsvoraussetzungen des § 21 Abs. 2 S. 1, 2 TTDSG

Die Vorschrift des § 21 Abs. 2 S. 1, 2 TTDSG ermöglicht eine Auskunftserteilung über Bestandsdaten von Anbietern der Vermittlungsdienste, soweit diese für die Durchsetzung zivilrechtlicher Ansprüche unabdingbar sind. Hierbei müssen die zivilrechtlichen Ansprüche einer Verletzung absolut geschützter Rechte wegen rechtswidriger Inhalte Rechnung tragen. Daher greift der § 21 Abs. 2 TTDSG erst dann, wenn eine Katalogstraftat aus § 1 Abs. 3 NetzDG vorliegt oder wenn der Anwendungsbereich des § 10a Abs. 1 TMG eröffnet ist. Aufgrund des eher geringeren Anwendungsbereichs des § 10a Abs. 1 TMG kommt es in der Regel auf das Vorliegen einer Katalogstraftat aus § 1 Abs. 3 NetzDG an. Im Hinblick darauf reicht es allerdings aus, wenn der Verletzte über einen Unterlassungsanspruch, der zumindest auf einen Teil eines Inhalts gerichtet ist und dieser Teil gleichzeitig auch seine absoluten Rechte verletzt, verfügt.

Schließlich ist noch auf eine wesentliche Voraussetzung hinzuweisen, da der Verletzte nach § 21 Abs. 3 S. 1 TTDSG dazu verpflichtet ist, eine vorherige gerichtliche Anordnung einzuholen, um sich den Auskunftsanspruch zu sichern. Regelmäßig hat das zuständige Gericht die Anordnung dann auch zu erteilen bis auf die seltene Ausnahme, dass der Antrag beschränkt ist. 

III. Spannweite des § 21 Abs. 2 S. 2 TTDSG

Sind diese Voraussetzungen erfüllt, besteht ein Auskunftsanspruch auf Bestandsdaten. Damit sind die Daten gemeint, die der Nutzer selbst zur Begründung des Verhältnisses zwischen ihm und dem Anbieter angegeben hat. Darunter sind insbesondere der vollständige Name und die E-Mail-Adresse zu verstehen.

Dies birgt allerdings das Problem der falschen Identitätsangaben. Die Bestandsdaten umfassen nur die Daten, die von dem betroffenen Nutzer selbst angegeben wurden. Die Möglichkeit der Nutzung von Pseudonymen oder das Verbleiben als „Unbekannt“ wurde hierbei nicht mitberücksichtigt. In diesen Fällen können nämlich alleine die Nutzungsdaten iSd § 2 Abs. 2 S. 2 TTDSG, die beispielsweise die IP-Adresse, Cookie-Einstellungen und weitere personenbezogenen Daten umfassen, weiteren Aufschluss über die Identität des rechtsverletzenden Nutzers bieten.

Zwar könnte man eine analoge Anwendung des § 21 Abs. 2 S. 2 TTDSG für diese Fälle andenken, um den Auskunftsanspruch auch für Nutzungsdaten gelten zu lassen. Allerdings steht dieser Überlegung das Fehlen einer planwidrigen Regelungslücke im Weg. Das Fehlen der planwidrigen Regelungslücke wird speziell durch § 24 Abs. 1 TTDSG, der den Auskunftsanspruch für Nutzungsdaten explizit normiert, deutlich. Somit lässt sich eben keine analoge Anwendung des § 21 Abs. 2 S.2 TTDSG auf Nutzungsdaten begründen.

Dementsprechend bleibt dem Betroffenen, falls der rechtsverletzende Nutzer sich auch nur ein wenig um eine Anonymisierung bemüht, nur das Erstatten einer Strafanzeige bei den Strafverfolgungsbehörden übrig. Die zuständigen Behörden haben dann ihrerseits die Möglichkeit, das Auskunftsverfahren nach § 24 TTDSG einzuleiten, um auf diesem Wege die Nutzungsdaten des maßgeblichen Nutzers zu ermitteln.

IV. Einfluss des DSA auf § 21 TTDSG

1. „Rechtswidrige Inhalte“ nach dem DSA

Die in Art. 1 Abs. 1 DSA niedergelegte ambitionierte Zielsetzung des DSA ist auf die Schaffung eines sicheren, vorhersehbaren und vertrauenswürdigen digitalen Raums gerichtet. Der Regelungsgehalt des DSA geht jedenfalls weit über die bisher bedeutsame E-Commerce-RL hinaus und ersetzt diese weitestgehend. Dies ist insbesondere dem Fortschritt der digitalen Welt und den damit einhergehenden steigenden Kommunikationsmöglichkeiten innerhalb des digitalen Raums geschuldet. Die Auswirkungen der fortschrittlichen Entwicklung der digitalen Welt ist facettenreich. Immense Vorteile und neue Türöffner für globale Kommunikation befinden sich auf der einen Seite, aber ein vermehrtes Aufkommen an Hassreden und rechtswidrigen Äußerungen auf der anderen Seite. Das neue Regelungswerk des DSA ist darauf gerichtet, die Problemfelder bestmöglich zu beseitigen.

Der europäische Gesetzgeber legte dabei einen besonderen Fokus auf den Begriff der „rechtswidrigen Inhalte“. Der Begriff der rechtswidrigen Inhalte bezeichnet nach Art.3 lit. h DSA: „Alle Informationen, die als solche oder durch ihre Bezugnahme auf eine Tätigkeit [...] nicht im Einklang mit dem Unionsrecht oder dem Recht eines Mitgliedsstaats stehen, ungeachtet des genauen Gegenstands oder der Art der betreffenden Rechtsvorschriften.“ Dagegen haben nur wenige Straftatbestände „rechtswidrige Inhalte“ iSd § 1 Abs. 3 NetzDG inne. Daraus folgt, dass der DSA den maßgeblichen Begriff viel weiter fasst und den Anwendungsbereich weit über den des NetzDG hinausgehen lässt. 

Aufgrund des DSA werden den Anbietern von Online-Plattformen und Online-Suchmaschinen für den Fall des Vorliegens von rechtswidrigen Inhalten eine Reihe an Pflichten auferlegt: Art. 9 DSA schreibt vor, dass Anordnungen von Behörden umzusetzen sind, von der Umsetzung sind die Behörden wiederum zu informieren. Gem. Art. 12 DSA sind Kontaktstellen einzurichten, die für eine Vereinfachung der Kommunikation zwischen Nutzer und Betreiber sorgen sollen. Ferner wird von den Anbietern der Vermittlungsdienste gefordert, ein internes Beschwerdemanagementsystem (Art. 20 DSA) zu organisieren, gleichzeitig ist ein effektives Melde- und Abhilfeverfahren einzurichten (Art. 16 DSA). Zudem trifft die Anbieter eine Sperrpflicht gegenüber Nutzern, die sich auf den Online-Plattformen mehrfach rechtsmissbräuchlich verhalten (Art. 23 Abs. 1, 2 DSA). Dennoch verfügt der DSA nicht über einen dem § 21 Abs. 2 S. 2 TTDSG gelichzusetzenden Auskunftsanspruch für den Fall des Vorliegens rechtswidriger Inhalte nach Art. 3 lit. h DSA. Art. 10 Abs. 1 DSA bietet lediglich die Möglichkeit für zuständige Behörden Auskunft einzuholen.

2. Vereinbarkeit des § 21 Abs. 2 S. 2 TTDSG mit dem DSA

In Anbetracht dieser Tatsachen stellt sich die Frage, ob § 21 Abs. 2 S. 2 TTDSG im Einklang mit dem DSA steht. Darüber hinaus lässt sich auch überlegen, ob die verschiedenen Begriffsbestimmungen des DSA und des NetzDG, genauer des § 1 Abs. 3 NetzDG, bezüglich rechtswidriger Inhalte eine Auswirkung auf die Anwendung des Anspruchs aus § 21 Abs. 2 S. 2 TTDSG haben.

Als Verordnung findet der DSA in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union unmittelbare Geltung. Dementsprechend ist im Falle einer Kollision des DSA und einem nationalen Recht, dem DSA Vorzug zu gewähren mit der Folge, dass das nationale Recht verdrängt wird. Allerdings lässt sich in Bezug auf den DSA und den § 21 Abs. 2 S. 2 TTDSG keine Normenkollision aus den folgenden Gründen feststellen. Zum einen beinhalten beide Vorschriften verschiedene Begriffsbestimmungen hinsichtlich der rechtswidrigen Inhalte und zum anderen verfügt der DSA über keinen dem § 21 Abs. 2 S. 2 TTDSG entsprechenden Anspruch. Demnach können auch keine Ansprüche miteinander kollidieren.

Erforderlich ist lediglich, dass die Rechtsdurchsetzung gegen rechtswidrige Inhalte nach dem DSA nicht erschwert wird. Der DSA fokussiert sich auf das Auskunftsverlangen seitens nationaler Behörden, dies soll aber nicht gleichzeitig bedeuten, dass ein weitergehendes Vorgehen gegen rechtswidrige Inhalte mithilfe eines weiteren Auskunftsanspruchs, allerdings für Private, verhindert werden soll. Der DSA führe „spezifische Mindestbedingungen“ ein. Eine Begrenzung des nationalen Gesetzgebers in den maßgeblichen Themenbereichen ist nicht vom DSA beabsichtigt.

Aus den vorangegangen Überlegungen ergibt sich, dass eine unionskonforme Auslegung des § 21 Abs. 2 S. 2 TTDSG nicht darin resultieren würde, dass die Begriffsbestimmung des DSA bezüglich der rechtswidrigen Inhalte auf den § 21 Abs. 2 S. 2 TTDSG übertragen wird, sodass ein Auskunftsanspruch schon bestehen würde, wenn rechtswidrige Inhalte iSd Art. 3 lit. h DSA vorliegen. Vielmehr soll dem nationalen Gesetzgeber angesichts möglicher zusätzlicher Schutzansprüche ein eigener Gestaltungsspielraum zustehen, wenn nicht zusätzliche Regelungen des nationalen Gesetzgebers die Rechtsdurchsetzung nach dem DSA erschweren.

Letztlich ist darauf hinzuweisen, dass das NetzDG größtenteils mit vollständigem Inkrafttreten des DSA obsolet wird. Unterstellt, dass der DSA nicht deckungsgleichen Ersatz für das NetzDG bieten wird, ist trotzdem davon auszugehen, dass der Verweis in § 21 Abs. 2 S. 2 TTDSG auf § 1 Abs. 3 NetzDG überholt ist und es sinnvoller wäre, für die Begriffsbestimmung der rechtswidrigen Inhalte auf Art. 3 lit. h DSA zu verweisen.

V. Fazit

Es wird deutlich, dass der Auskunftsanspruch nach § 21 Abs. 2 S. 2 TTDSG auch seine Kehrseiten hat. Insbesondere der Verweis auf die Katalogstraftaten aus § 1 Abs. 3 NetzDG beeinträchtigt und beschränkt den Anwendungsbereich immens. Gleichzeitig sind plausible Gründe, die gegen eine Erweiterung des Anwendungsbereichs sprechen würden, nicht ersichtlich.

Eine weitere Schwierigkeit beinhaltet die Begrenzung der Auskunftserteilung auf Bestandsdaten. Denn es erfordert nicht viel Aufwand aufseiten der rechtsverletzenden Nutzer, um anonym zu bleiben. Da sich § 21 Abs. 2 S. 2 TTDSG allerdings auf Bestandsdaten beschränkt, können sich betroffene Personen bei anonymen rechtsverletzenden Nutzern nur mithilfe einer Strafanzeige weiterhelfen. Denn dann können Behörden gem. § 24 TTDSG sich die Nutzungsdaten der rechtsverletzenden Nutzer einholen und damit deren Identität ermitteln.

Vor diesem Hintergrund wäre angesichts des schon sehr bald anstehenden Inkrafttretens des DSA wünschenswert, wenn den Schwächen des Auskunftsanspruchs nach § 21 Abs. 2 S. 2 TTDSG bei der Reform des NetzDG Aufmerksamkeit geschenkt wird. Eine Ausweitung des Auskunftsanspruchs auch auf Nutzungsdaten sowie ein Verweis auf Art. 3 lit h DSA statt auf § 1 Abs. 3 NetzDG wären zu begrüßen.

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