07.10.2022Fachbeitrag

Update Datenschutz Nr. 119

Digital Markets Act – Wesentliche Inhalte und Bedeutung

Das Europäische Parlament hat am 5. Juli 2022 den Digital Markets Act angenommen. Dieser soll dafür sorgen, dass große Plattformen wie Google, Microsoft oder Amazon reguliert werden, um den digitalen Sektor bestreitbarer und fairer zu gestalten. Die großen Tech-Unternehmen haben sich nach Auffassung des Verordnungsgebers Netzwerk- und Lock-in-Effekte zu Nutze gemacht und in den letzten Jahren enorm an Marktmacht zugelegt. Diesem Problem will sich die Europäische Kommission nun mit dem Digital Markets Act annehmen. Der folgende Beitrag beschäftigt sich mit der Frage, was große Plattformen nun beachten müssen und warum der DMA auch für KMU interessant ist.

Wer ist betroffen?

Der DMA richtet sich in erster Linie an sogenannte Gatekeeper. Das sind Unternehmen, die zentrale Plattformdienste, wie beispielsweise Online-Vermittlungsdienste oder Online-Suchmaschinen, bereitstellen und von der Kommission als solche „benannt“ werden.
Als Gatekeeper wird ein Unternehmen benannt, wenn es

  • In jedem der vergangenen drei Geschäftsjahre in der Union einen Jahresumsatz von mindestens 7,5 Mrd. EUR erzielt hat oder wenn seine durchschnittliche Marktkapitalisierung oder sein entsprechender Marktwert im vergangenen Geschäftsjahr mindestens 75 Mrd. EUR betrug und es in mindestens drei Mitgliedstaaten denselben zentralen Plattformdienst bereitstellt. Bei Vorliegen dieser Kriterien wird davon ausgegangen, dass es erheblichen Einfluss auf den Binnenmarkt hat.
  • Einen zentralen Plattformdienst bereitstellt, der im vergangenen Geschäftsjahr mindestens 45 Millionen in der Union niedergelassene oder aufhältige monatlich aktive Endnutzer und mindestens 10 000 in der Union niedergelassene jährlich aktive gewerbliche Nutzer hatte, und damit als ein wichtiges Zugangstor für gewerbliche Nutzer zum Endkunden dient und
  • wenn das Unternehmen hinsichtlich seiner Tätigkeit eine gefestigte und dauerhafte Position innehat oder absehbar ist, dass es eine solche Position in naher Zukunft erlangen wird. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Schwellenwerte des letztgenannten Kriteriums in jedem der vergangenen drei Geschäftsjahre erreicht wurde.

Diese Voraussetzungen müssen kumulativ vorliegen. Sie erinnern an die kartellrechtlichen Voraussetzungen für die kartellrechtliche Missbrauchskontrolle ohne die Schwierigkeit, im Digitalbereich einen spezifischen Markt abgrenzen zu müssen.

Wie aus diesen hohen Anforderungen zu entnehmen ist, werden nur wenige Unternehmen von der Kommission als Gatekeeper benannt werden. Die Kommission behält sich jedoch vor, ein Unternehmen als Gatekeeper zu benennen, wenn die oben genannten Schwellenwerte nicht vorliegen. Dabei muss sie unter anderem Aspekte wie Marktzutrittsschranken, die sich aus Netzwerkeffekten und Datenvorteilen ergeben oder sonstige strukturelle Geschäfts- oder Dienstmerkmale berücksichtigen (Art. 3 Abs. 8 DMA-E). Aufgrund der Tatsache, dass der DMA geschaffen wurde, um große Tech-Unternehmen zu regulieren, bleibt abzuwarten, inwieweit die Kommission von diesem Vorbehalt Gebrauch machen wird. Falls ein Unternehmen im Falle der Überschreitung der oben genannten Werte als Gatekeeper benannt wurde, ist es im Gegenzug möglich, substantiierte Argumente vorzutragen, um nicht als Gatekeeper benannt zu werden (Art. 3 Abs. 5 DMA-E). Zurzeit wird davon ausgegangen, dass bis Mitte 2023 ca. 15 Plattformen als Gatekeeper benannt werden (vgl. Achleitner in NZKart 2022, 359, 360).

Was folgt nach der Benennung?

Sobald ein Unternehmen als Gatekeeper benannt wurde, ergeben sich eine Vielzahl verschiedener Pflichten für das benannte Unternehmen.

Zu diesen Pflichten gehören insbesondere:

  • dass gewerbliche Nutzer nicht daran gehindert werden dürfen, Endnutzern dieselben Produkte oder Dienstleistungen über Online-Vermittlungsdienste Dritter oder über ihre eigenen direkten Online-Vertriebskanäle zu anderen Preisen oder Bedingungen anzubieten als über die Online-Vermittlungsdienste des Gatekeepers (Art. 5 Abs. 3 DMA-E).
  • dass der Gatekeeper gewerblichen Nutzern die Möglichkeiten gibt, Angebote gegenüber Endnutzern, die über seinen zentralen Plattformdienst oder über andere Kanäle akquiriert wurden, kostenlos zu kommunizieren und zu bewerben – auch zu anderen Bedingungen – und mit diesen Endnutzern Verträge zu schließen, unabhängig davon, ob sie zu diesem Zweck die zentralen Plattformdienste des Gatekeepers nutzen (Art. 5 Abs. 4 DMA-E).
  • dass der Gatekeeper die von ihm selbst angebotenen Dienstleistungen und Produkte beim Ranking sowie bei der damit verbundenen Indexierung und dem damit verbundenen Auffinden gegenüber ähnlichen Dienstleistungen oder Produkten eines Dritten nicht bevorzugen darf (Art. 6 Abs. 5 DMA-E).

Daneben enthält der DMA eine Vielzahl weiterer Vorschriften. Zusätzlich erlaubt Art. 12 DMA-E, dass die Verpflichtungen der Gatekeeper laufend von der EU-Kommission, durch delegierte Rechtsakte, ergänzt werden können.

Die aufgeführten Beispiele machen deutlich, dass nicht nur Endnutzer, sondern gewerbliche Nutzer von dem DMA profitieren könnten. Gatekeeper haben ein Interesse daran die Vorschriften einzuhalten, denn bei einem Verstoß gegen diese Pflichten drohen ihnen Bußgelder in Höhe von bis zu 10 % (20 % bei wiederholter Zuwiderhandlung) ihres im vorausgegangenen Geschäftsjahr erzielten Gesamtumsatzes (Art. 30 DMA-E). Auch hier hat sich der Verordnungsgeber offensichtlich vom kartellrechtlichen Vorbild leiten lassen.

Warum ist der DMA für KMU interessant?

Neben den für gewerbliche Nutzer vorteilhaften Pflichten der Gatekeeper können sich Ansprüche bei einem Verstoß gegen diese Pflichten ergeben. Zwar lassen sich aus der Verordnung lediglich Befugnisse für Maßnahmen der Kommission finden. Ansprüche gegen Gatekeeper können sich jedoch aus bereits bestehenden Anspruchsgrundlagen anbieten. So können Mitbewerber Unterlassungs- und Schadensersatzansprüche aus dem UWG, sonstige Marktteilnehmer aus § 823 Abs. 1 und Abs. 2 BGB und Vertragspartner Ansprüche aus dem Vertrag geltend machen.

Gatekeeper sind zudem verpflichtet bei nummernunabhängigen interpersonellen Kommunikationsdiensten Interoperabilität zu anderen solchen Kommunikationsdiensten herzustellen, indem der Gatekeeper erforderliche Schnittschellen (APIs) oder ähnliche Lösungen bereitstellt. KMU, die solche Kommunikationsdienstleistungen anbieten, wird empfohlen, sich auf die Interoperabilität vorzubereiten, indem sie Schnittstellen implementieren, die das plattformübergreifende Versenden und Empfangen von Nachrichten ermöglichen. Dabei bleibt aber abzuwarten, inwieweit eine solche Interoperabilität technisch überhaupt umsetzbar ist. Gerade bei der Nutzung von bestimmten Verschlüsselungsmethoden dürften hier in der Praxis durchaus Schwierigkeiten bestehen. Zudem wird sich zeigen müssen, inwieweit Gatekeeper trotz der Verpflichtungen unter dem DMA tatsächlich bereit sind, ihre Systeme für andere Anbieter zu öffnen.

Fazit

Der DMA schreibt die Regeln der digitalen Wirtschaft neu. In erster Linie betrifft das nur die großen Plattformdienste, die als Gatekeeper benannt werden. Jedoch sollten gerade gewerbliche Nutzer darauf achten, dass die Gatekeeper die Vorschriften einhalten, um von ihnen profitieren zu können. Art. 12 des DMA-E, der eine Aktualisierung der Verpflichtungen für Gatekeeper erlaubt, macht deutlich, in welchem Wandel sich die Tech-Industrie befindet und welche Werkzeuge nötig sind, um bestreitbare und faire Märkte im digitalen Sektor zu gewährleisten. Der DMA verfolgt dabei das Ziel, die Regelungs-Instrumente über das reine Kartellrecht hinaus zu erweitern, um die Durchsetzungsschwierigkeiten zu beseitigen. Das soll es einfacher für KMU machen, im Wettbewerb mit den Tech-Giganten zu bestehen.

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