06.11.2023Fachbeitrag

Fachbeitrag

NewSpace, Space Economy und rechtliche Rahmenbedingungen für Raumfahrt-Akteure in Deutschland

„Bei NewSpace geht es nicht um spleenige Milliardäre und die Kolonisierung des Mars, sondern um essenzielle Dienste für die Erde. Raumfahrt ist kein Selbstzweck.“ (BDI Präsident Siegfried Russwurm in seiner Rede zur Eröffnung des Weltraumkongresses 2023 in Berlin am 18 Oktober 2023).

In kurzer Abfolge erfolgten in den letzten Wochen:

  • die Unterzeichnung der sog. „Artemis Accords“ („Accords“) durch die Bundesrepublik Deutschland (14. September 2023),
  • die Veröffentlichung der „Raumfahrtstrategie“ der Bundesregierung (27. September 2023), und
  • die Veröffentlichung der Studie „Weltraumbeflügeltes Deutschland“ der Unternehmensberatung Roland Berger und des IDW („RB/IDW Studie“) im Rahmen des Weltraumkongresses 2023 des BDI am 18 Oktober 2023.

Die mediale Aufmerksamkeit zu Raumfahrtthemen ist seit einiger Zeit erheblich. Sie ist verdient und Ausdruck eines inzwischen stark gewachsenen Bewusstseins bezüglich der strategischen, technologischen und wirtschaftlichen Bedeutung der Raumfahrt und der rasant wachsenden Space Economy in Deutschland. Der Rechtsrahmen, in dem sich die Akteure der Space Economy in Deutschland bewegen ist demgegenüber lückenhaft und, so existierend, auf ein Konglomerat internationaler Abkommen, völkerrechtlicher Rechtsquellen und spezialgesetzlicher Einzelregelungen verteilt.

NewSpace und Space Economy in Deutschland

Die RB/IDW Studie beschreibt, wie schon zuvor eine Untersuchung von DELOITTE, die Chancen von NewSpace für den Wirtschafts- und Technologiestandort Deutschland.

NewSpace beschreibt schlagwortartig die Kommerzialisierung der Raumfahrt durch Leistungen sowohl etablierter als auch junger privater Unternehmen und deren Verzahnung mit staatlichen Aktivitäten. Im Rahmen der NewSpace Initiative des BDI werden dementsprechend Aktivitäten von etablierten Unternehmen, mittelständischen Anbietern, Startups sowie stattlichen Institutionen zusammengeführt. Erklärtes Ziel der Initiative ist die Unterstützung der digitalen Transformation und insgesamt die Erhaltung bzw. der Ausbau einer Technologieführerschaft deutscher Unternehmen im Bereich Raumfahrt. Vergleichbare Ziele, speziell bezogen auf kleine und mittlere Unternehmen, verfolgt der Arbeitskreis Raumfahrt-KMU des DLR. An Universitäten eingerichtete Startup Hubs und die verschiedenen schon bestehenden Programme und Aktivitäten des DLR, der ESA und weiterer Stellen unterstützen das schnelle Wachstum einer deutschen Startup Szene im Bereich Weltraum.

Neben etablierten Unternehmen sind inzwischen auch mehr als 200 Startups dem Bereich NewSpace in Deutschland zuzuordnen und erfreuen sich, ausweislich erfolgreicher Finanzierungsrunden, eines erheblichen Interesses deutscher und internationaler Investoren. Diese Interesse ist, angesichts Kreativität und Qualität der Unternehmen, nicht überraschend. Die wirtschaftliche Tätigkeit der privaten NewSpace Akteure ist dabei kein Closed Shop. Nach Angabe des BDI haben bereits mehr als 75 % der NewSpace Akteure Kunden, die außerhalb des Raumfahrt-Sektors angesiedelt sind. Der Markt für weltraumgestützte Anwendungen und Leistungen lag in 2021 weltweit bei geschätzt ca. EUR 320 Mrd und wird von Seiten eines britischen Investmenthauses für 2023 mit ca. EUR 500 Mrd angenommen. Die RB/IDW Studie geht von einer Vervielfachung bis 2040 aus.

Etablierte deutsche Space Economy Akteure hatten und haben ihren international anerkannten technologischen Schwerpunkt vor allem die Entwicklung und Herstellung von Systemen und Komponenten sowie der Bereitstellung von Satellitendiensten. Daneben treten jedoch verstärkt Unternehmen in den Vordergrund, die neue Technologien entwickeln und logistische Dienstleistungen anbieten, einschließlich von Micro-Launchern für kleine Satelliten, eine gänzlich neue Satellitengeneration und diesbezügliche Komponenten sowie eine Vielfalt von neuen, Lösungen zur Datensammlung und -Übermittlung im und aus dem Weltraum und zur Analyse solcher Daten.

Studien gehen davon aus, dass die Space Economy kurzfristig vor allem im Bereich der Logistik bzgl. des Starts und des Betriebs von Satelliten und der durch diese gewonnen Daten (z. B. für Anwendungen im Bereich Meteorologie, Landwirtschaft, Gesundheit, Automotive, Konsumgüter und Infrastruktur) sowie des Tourismus wachsen wird. Ein auf die internationale Start Up Branche fokussierter Trend Report bestätigt eine Konzentration der Tätigkeit von NewSpace Akteuren u. a. im Bereich Small Satellites, Space Data, Smart Materials und Advanced Communication. Die bereits bestehenden und zusätzlich geplanten Groß-Konstellationen (Mega-Constellations) von Kleinsatelliten und die sehr vielfältigen Fragen, die sich angesichts der erheblichen Anzahl und immer stärker individualisierten Nutzung dieser Satelliten stellen, rücken dabei in den Fokus. Aktuell, angesichts der allein in 2023 erfolgten Zusammenschlüsse von großen Satellitenbetreibern (Eutelsat/OneWeb; ViaSat/Inmarsat), stellen sich zudem Fragen des Wettbewerbs, der Dominanz und der strategischen Kontrolle.

Weitere potentiell Wachstums-Bereiche der Weltraumökonomie, z. B. Industrieproduktion, Solarenergie und der plakativ oft als Space Mining bezeichnete Bereich der Ressourcengewinnung im Weltraum werden immerhin als zukünftig relevant für Akteure der Space Economy erwartet. Auch in diesen Bereich sind jedoch bereits vielfältige Entwicklungsaktivitäten von privaten Unternehmen festzustellen. Wissenschaftliche Untersuchungen, die eine spätere wirtschaftlich motivierte Exploration vorbereiten können, sind daneben bereits seit Jahren im Gange (z. B. Bennu- bzw. Psychi-Missionen der NASA, Ryugu-Mission Japan). Das Thema findet jedoch bereits aktuell professionelles wirtschaftliches Interesse. In 2024 findet z. B. schon das sechste Mal die mehrtägige Space Ressources Week in Luxembourg statt.

In Deutschland geltender Rechtsrahmen

Deutschland hat, anders als beispielsweise die USA, UK, Frankreich, Japan, Luxemburg, Dänemark, Österreich, Belgien, Portugal und die Niederlande, bisher kein nationales Weltraumgesetz.

Die Regelungen, unter denen Akteure der Space Economy in Deutschland agieren, ergeben sich derzeit deshalb ganz wesentlich aus Spezialregelungen. Wichtige Anwendungsfälle sind z. B. die Regelungen zur Registrierung von Frequenzen und Orbits sowie zur Datenübermittlung im Satellitendatensicherheitsgesetz und im Telekommunikationsgesetz.

Unmittelbar anwendbares Recht sind auch in Deutschland zudem verschiedene völkerrechtliche Rechtsquellen.

Die nationale Gesetzgebung einer inzwischen ganzen Reihe von Ländern ist, inhaltlich teilweise mit Kritik bedacht, schon weiter (bspw. Frankreich, USA, Luxemburg). Einen vergleichenden Überblick zum Stand der nationalen Gesetzgebung gibt der Schematic Overview of National Regulatory Frameworks for Space Activities des Legal Sub-Commitee des COPUOS (UN Commitee on the Peaceful Uses of Outer Space).

Auf EU Ebene wurde nicht nur die EU Weltraumstrategie mitgeteilt, die vor allem Aspekte der Sicherheit, Gefahrenabwehr und Nachhaltigkeit in den Blick nimmt, sondern auch die Arbeit an einem EU Weltraumgesetz angekündigt. Zumindest in den genannten Bereichen ist eine Vereinheitlichung der in der EU geltenden Standards das Ziel. Es wird spannend sein festzustellen, welche Themenfelder das EU Weltraumgesetz besetzen will und wie sich ein künftiges EU Weltraumgesetz zwischen den völkerrechtlichen Prinzipien und den in der EU bereits bestehenden nationalen Weltraumgesetzen „einordnet“.

Regelungsthemen

Da im Bereich der Raumfahrt regelmäßig für längere Zeiträume geplant werden muss, sollte das Fehlen eines deutschen Weltraumgesetzes in der sich schnell entwickelnden Space Economy tendenziell besonders spürbar sein. Es besteht grds. das Risiko, dass Akteure der Space Economy schon deshalb in rechtlich geregelte und damit „sicherere“ oder in attraktiver geregelte Länder ausweichen. NewSpace Akteure warten allerdings mit gemischten Gefühlen auf ein nationales Weltraumgesetz; es werden zwar unterstützende Maßnahmen und Klarheit in bisher unklaren Bereichen erwartet, jedoch gleichzeitig eine beschränkende Überregulierung befürchtet. Gesetzgebungen verschiedener Staaten zielen bereits heute auf regulierungsflüchtige Unternehmen anderer Länder.

Die Regelungsthemen (nicht immer die Lösungen) in den nationalen Weltraumgesetzen verschiedener Länder decken sich thematisch stark. Für ein deutsches Weltraumgesetz werden von verschiedenen Stellen folgende Themen als besonders relevant erachtet:

  • Registrierung und Voraussetzung für die Zulassung von Aktivitäten im Weltraum;
  • Haftung, Haftungsregress und Haftungs-Begrenzung für Schäden und deren Versicherung;
  • IP Schutz hinsichtlich im Weltraum erfolgter Erfindungen oder erworbenes Know-how;
  • Umweltschutz- und Nachhaltigkeitsanforderungen sowie Verhältnis zu diesbezüglichen nationalen Regelungen;
  • Eigentum an und Registrierung von Weltraumgegenständen;
  • Datenschutz und Cybersecurity in Abstimmung mit dem bestehenden Satellitendatensicherheitsgesetz und anderen Spezialgesetzen;
  • Fragen zu Auslandsinvestitionen, Exportkontrolle und Sanktionsregelungen;
  • Eigentums- und Nutzungsrechte an Materialien und in Bezug auf Weltraumkörper sowie diesbezügliche Extraktions- und Verbringungsrechte;
  • Rechtsdurchsetzung.

Nicht alle relevanten Probleme sind auf nationaler Ebene zu lösen. Für viele Themen ist eine einheitliche internationale Lösung erforderlich, um einen – teilweise bereits heute zu beobachtenden – State of Convenience-Effekt zu vermeiden oder um schlicht eine dem Sachverhalt angemessene Regelung zu treffen. Themen wie Registrierungsanforderungen, Ressourcennutzung, Nachhaltigkeit, Sicherheit und Haftung, Verkehrssteuerung, Weltraumschrott sind dabei besonders zu nennen. Weltraumrecht ist qua Definition nicht allein national zu denken.

Speziell im Bereich der Nutzung von Orbits und Frequenzen durch Satelliten bestehen bereits  international abgestimmte und partiell nationale deutsche Rechtsstrukturen. Diese stoßen angesichts der stark ansteigenden „Registrierungen“ (…Reservierungen…) von Orbits und Frequenzen allerdings bereits heute zumindest international an Durchführbarkeits- und Sinnhaftigkeitsgrenzen. Die vielfältigen Fragen im Zusammenhang mit Großkonstellationen (Mega-Constellations) von Satelliten werden in den kommenden Jahren wesentlicher Gegenstand der Rechtsentwicklung und -Fortbildung auf nationaler und internationaler Rechtsebene sein (müssen).

Bedeutung der Unterzeichnung der Artemis Accords

Die von der Bundesrepublik Deutschland am 14. September 2023 unterzeichneten Artemis Accords („Accords“) beschreiben sich selbst als politische Absichtserklärung. Die Bezeichnung leitet sich aus dem Artemis Programm der NASA, einer nun wohl für 2025 bis 2028 geplanten bemannten Mondmission ab. Die Accords wurden, auf Initiative der USA/NASA, am 13. Oktober 2020 von Mitwirkenden des Artemis Programms erstunterzeichnet. Inzwischen sind die Accords von mehr als 25 Staaten unterzeichnet worden. Im September 2023 auch von der Bundesrepublik Deutschland.

Die Accords sehen Grundprinzipien vor, die im Rahmen der Durchführung der Artemis Mondmission für das Zusammenwirken der Partner des Programms Bedeutung erlangen werden, beschränken sich jedoch nicht auf die anstehende Artemis-Mission. Als Grundsätze sind u. a. die friedliche Nutzung und die Transparenz hinsichtlich der jeweiligen staatlichen Raumfahrtstrategie und der Ressourcen-Nutzung vorgesehen. Daneben enthalten die Accords u. a. Regelungen zur Registrierung von Weltraumgegenständen, der Zugänglichkeit von wissenschaftlichen Daten, der Nutzung von Weltraum-Ressourcen und zur Vermeidung von Weltraumschrott. In den Accords wird das Primat verbindlicher völkerrechtlicher Regelungen sowohl themen-spezifisch als auch allgemein ausdrücklich anerkannt.

Die Accords wurden von Beginn an teilweise heftig kritisiert. Kritik entzündet sich unter anderem an Formulierungen zum Thema Ressourcennutzung. Die Gewinnung und Nutzung von Ressourcen durch private soll nach den Accords (…not inherently…) nicht grundsätzlich als völkerrechtlich verbotene Aneignung anzusehen sein. Die mit der Ressourcen-Nutzung im Weltraum zusammenhängenden Fragen (Nutzung zum Wohle aller, Aneignungsverbot etc.) sind seit Jahren Gegenstand eines „intensiven Ideenwettbewerbs“ von politischen Akteuren und Experten. Auf internationaler Ebene findet das Ringen um eine verbindliche völkerrechtliche Lösung offiziell in dem UN Commitee on the Peaceful Uses of Outer Space (COPUOS), und dem entsprechenden Legal Sub-Commitee statt.

Die Bundesrepublik Deutschland hat anlässlich der Unterzeichnung der Accords eine Zusatzerklärung veröffentlicht, in der sie die Unterzeichnung ausdrücklich in den Rahmen des geltenden und des zukünftigen internationalen Rechts stellt, die als Prinzip eine Ressourcen-Nutzung zum Wohle Aller propagieren. Allein die Existenz der Zusatzerklärung zeigt, dass sich Deutschland der Diskussionen, die sich mit der Existenz und bestimmten Inhalten der Accords verbinden, bewusst ist.

Weltraumstrategie der Bundesrepublik Deutschland

In der Weltraumstrategie der Bundesregierung werden in neun beschriebenen Handlungsfeldern jeweils Schlüsselprojekte herausgestellt, u. a. eine Kleinsatelliteninitiative, ein beim DLR angesiedelte Space-Innovation Hub sowie die Verabschiedung eines deutschen Weltraumgesetzes.

Von Kritikern wird eine große Allgemeinheit beklagt, insbesondere, dass keine konkreten Maßnahmen zur Etablierung staatlicher deutscher Stellen als institutionelle „Ankerkunden“ einer Space Economy in Deutschland angekündigt wurden. Die RB/IDW Studie stellt die Vorteile eines Ankerkunden-Systems in Vergleichsländern detailliert heraus. Ausführungen in der Weltraumstrategie, die sich mit einem erleichterten Zugang junger Unternehmen hinsichtlich der Teilnahme an Vergabe- und Beschaffungsprozessen beschäftigen, lassen jedoch hoffen, dass die Bedeutung des Themas erkannt ist. Dies würde sich mit den Zielen der EU Weltraumstrategie decken, die im Januar 2023 veröffentlich wurde und „Flexibilität, Agilität und echte Innovation“ als einen der vier Pfeiler der EU Weltraumstrategie beschreibt.

Breiten Raum nehmen in der Absichtserklärungen zur Mitwirkung in internationalen Institutionen und die Darstellung der politischen Zielen im Hinblick auf Sicherheit und Nachhaltigkeit ein. Angekündigt wurde die Gründung eines beim DLR angesiedelten Space Innovation Hub. Begrüßenswert ist zudem die Deutlichkeit, mit der das Ziel einer stärkeren Einbindung von KMU und jungen Unternehmen sowie Start-ups, herausgestellt wird.

Detail zu dem in der Weltraumstrategie ebenfalls als Schlüsselprojekt herausgestellten künftigen deutschen Weltraumgesetz sind kaum erkennbar. Positiv herauszustellen sind die zumindest thematisch angekündigten Förderungen über verschiedene Institutionen. Mentoring, Wissensaustausch und finanzielle Förderung sollten jedoch auch verfahrensstrukturell begleitet werden, z. B. tatsächlich im Hinblick auf Vergabe- und Beschaffung und mit Blick auf Planungsregelungen zu Test, Produktion und Anwendung von Entwicklungen. Ein Zeitplan für ein deutsches Weltraumgesetz ist bisher nicht offiziell mitgeteilt.

Schlussbemerkung

Die Entwicklung der Space Economy in Deutschland hat, als Ergebnis von technischer Expertise und unternehmerischer Kreativität, Risikobereitschaft von Investoren und dank spezifischer staatlicher Förderprogramme und Unterstützungen durch DLR und Universitäten, die gesetzgeberische Entwicklung in Deutschland längst überholt.

Es ist zu hoffen, dass ein künftiges deutsches Weltraumgesetz nicht nur kurzfristig vorgelegt wird, sondern vor allem inhaltlich klare und durchdachte Regelungen vorsieht, die den Akteuren ein wettbewerbstaugliches Agieren ermöglichen und die Fortentwicklung dieses Technologiebereiches unterstützt und nicht behindert. Nicht alles mag sich übertragen lassen, angesichts der Erfahrungen anderer Länder der EU mit den Effekten ihrer nationalen Gesetzgebungen auf die jeweilige Space Economy, sollte es für ein nationales deutsches Weltraumgesetz jedoch zumindest punktuell gute Vergleichsgrundlagen geben.

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