14.03.2024Fachbeitrag

Fachbeitrag

Ready for Impact? Vorschau auf das kommende EU-Weltraumgesetz – Ziele, Erwartungen, Hoffnungen

Dieser Beitrag wurde unter Mitwirkung von Herrn Rechtsreferendar Daniel Budke, LL.B., M.A., verfasst.

 

Der Entwurf des ersten EU-Weltraumgesetzes (EU Space Law – „EUSL“) ist von der EU-Kommission für Ende März 2024 angekündigt. Das EUSL soll thematisch folgende Bereiche umfassen:

  • die Sicherheit von Weltraumaktivitäten, einschließlich der Sicherheit des Zugangs und der Rückkehr aus dem Weltraum („Safety Pillar“),
  • die Widerstandsfähigkeit von weltraumbezogenen Aktivitäten und Assets gegenüber physischen, elektronischen und vor allem digitalen Gefahren/Angriffen („Resilience Pillar“) sowie
  • die umweltbezogene Nachhaltigkeit („Sustainability Pillar“, zusammen „Pillars“).

Die Weltraumstrategie der EU ist durch die Anforderung gekennzeichnet, einerseits Autonomie-, Sicherheits-, Widerstandsfähigkeits- und Nachhaltigkeitsziele zu erreichen, und gleichzeitig, die europäische Weltraum-Industrie im Wettbewerb mit Drittstaaten um Kunden, Technologie und Investitionen zu stärken. Keinesfalls jedoch, zusätzliche Erschwernisse zu bereiten. Solche Erschwernisse würden sich über einen trickle down Effekt auf die gesamt Wertschöpfungskette und auf Finanzierungsaktivitäten privater Investoren übertragen können. Die möglichen Auswirkungen des EUSL sind vor dem Hintergrund der sich andeutenden Zielkonflikte daher potentiell erheblich.

Die unmittelbaren Reaktionen auf die Ankündigung der EUSL-Initiative waren dementsprechend ambivalent. Vor allem von politischer Seite wird eine solche Regulierung teilweise als Wert (an sich), und für Sich genommen, schon als Wettbewerbsvorteil für die Weltraum-Industrie in der EU angesehen. Daneben werden insbesondere die in Aussicht gestellten Pillars „Resilience“ und „Safety“ als dringend notwendig und das EUSL insgesamt als Möglichkeit gesehen, für ein „Level Playing Field“ sowohl EU intern als auch im Verhältnis zu Drittstaaten zu sorgen. Es besteht zudem die Hoffnung, dass das Gewicht der von einem gemeinsamen EU-Willen getragenen Regelungen für einen globalen Nachahmungsdruck sorgen wird.

Von anderer Seite wird vor allem auf die besondere Regulierungssensibilität der sich noch entwickelnden Space Economy, die Gefahren einer doppelten Regulierung auf nationaler Ebene und auf EU Ebene, die potentielle Beschränkung von Innovation, das Risiko zusätzlicher Kosten und Regelungsbürokratie, die Notwendigkeit, Wettbewerbsnachteile gegenüber Drittstaaten zu vermeiden, und sehr formal, teilweise auch auf die Grenzen der Unions-Kompetenz in Sachen Weltraum hingewiesen.

Der Ende März zu erwartende Entwurf des EUSL wird vor dem Hintergrund des Vorstehenden eingehend zu analysieren sein. Möglichkeiten, im Rahmen von Konsultationen (und außerhalb davon) Stellung zu nehmen, sollten von Stakeholdern, zur Unterstützung einer sachbasierten Entscheidungsfindung, intensiv genutzt werden.

Im Folgenden werden, mit dem Ziel der Vorbereitung einer solchen Analyse, wichtige Vorarbeiten auf EU Ebene sowie Stellungnahmen, Erwartungen, Hoffnungen, Sorgen und Vorschläge von NewSpace-Akteuren zusammengetragen. Auf weitere aggregierte Betrachtungen von Experten zu dem kommenden EUSL aus 2024 und insgesamt auf die verschiedenen, von der EU Kommission gesammelten Stellungnahmen von Interessierten und Interessenverbänden zur Targeted Consultation (siehe unten) und zur EUSL Initiative wird ausdrücklich verwiesen.

EU Kompetenzen im Bereich Weltraum

Im Ergebnis für Einige vielleicht enttäuschend: die EU darf zwar nicht alles, jedoch einiges. Durchgreifende Gründe, die Kompetenz der EU im Bereich Weltraum in Gänze in Zweifel zu ziehen, bestehen zwar nicht. Auf Kompetenz-Ebene wird es jedoch darauf ankommen, welche Policy Form (dazu näher unten) für welche Regelungsgegenstände gewählt wird und ob das EUSL tatsächlich in der Form einer unmittelbar geltenden Verordnung daherkommt oder den Mitgliedsstaaten zumindest im Rahmen einer Umsetzung noch Flexibilität und Detailkompetenz lässt.

Zwar gibt es im Geltungsbereich der allgemeinen Weltraumkompetenz nach Art. 189 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union („AEUV“) keine Harmonisierungskompetenz der EU. Harmonisierungsmaßnahmen auf Basis der durch Art. 189 AEUV eingeräumten Zuständigkeiten sind dort ausdrücklich ausgeschlossen (Art. 189 Abs. 2 AEUV; Art. 4 Abs. 3 AEUV).

Weitergehende EU-Kompetenzen auch für den Weltraum können sich jedoch zum Beispiel aus Art. 114 (i. V. m. Art 26) AEUV ergeben, der Verpflichtung zur Einrichtung und Erhaltung der Funktionsfähigkeit des Unions-Binnenmarktes. Die Beschränkungen in Art. 189 Abs. 2 AEUV stehen nicht entgegen, soweit der Anwendungsbereich von Art 114 AEUV thematisch eröffnet ist; diese sollen eine Harmonisierung auf der Basis einer anderweitigen generellen Zuständigkeit der EU nicht ausschließen. Dementsprechend wird die EUSL-Initiative von der EU-Kommission ausdrücklich auf den ggfls. auch mit Harmonisierungskompetenzen verbundenen Art. 114 AEUV gestützt. Inwieweit dies je nach Regelungsbereich trägt, wird ein eher formeller Teil der Auseinandersetzung mit dem EUSL-Entwurf sein (müssen).

Vorarbeiten zu den Pillars auf (Unions)-Ebene

Inhaltliche Vorarbeiten für die oben benannten drei Pillars der EUSL-Initiative finden sich u. a. in

  • der EU-Verordnung zur „Einrichtung des Weltraumprogramms der Union und der Agentur der Europäischen Union für das Weltraumprogramm“ (Verordnung (EU) 2021/696 vom 28.04.2021);
  • der EU-Weltraumstrategie für Sicherheit und Verteidigung und des diesbezüglichen Maßnahmenkatalogs (vorgelegt erstmals am 10. März 2023, Schlussfolgerungen hierzu gebilligt vom Rat am 13. November 2023)
  • den (vorstehend bereits teilweise erwähnten) Diskussionen und Publikationen im Rahmen des „EU approach on Space Traffic Management“ und des darauf basierenden „EU STM Stakeholder Mechanism“ (EU Industry and Start-ups Forum (EISF));
  • auf UN Ebene: die „Guidelines for long-term sustainability for Outer Space activities“ aus 2021;

sowie in den Schlussfolgerungen des Rates bzw. den (gemeinsamen) Mitteilungen der Kommission (und des Hohen Vertreters für Außen- und Sicherheitspolitik) zu den Bereichen

  • „Richtungsvorgaben für den europäischen Beitrag zur Festlegung wesentlicher Grundsätze für eine globale Weltraumwirtschaft“ (11. November 2020)
  • „Ein Ansatz der EU für das Weltraumverkehrsmanagement“ (15. Februar 2022)
  • „EU-Konzept für das Weltraumverkehrsmanagement“ (10. Juni 2022)
  • „Gerechte und nachhaltige Nutzung des Weltraums“ (23. Mai 2023)
  • „Entwicklung einer Cyberabwehr der Europäischen Union“ (23. Mai 2023).

Insbesondere zu den Themenbereichen Space Surveillance & Tracking (SST) und Space Traffic Management (STM) sind im Rahmen des STM Stakeholder Mechanism auf EU Ebene schon weitgehende Überlegungen auch zu einer regulatorischen Umsetzung angestellt worden. Diese scheinen eine starke Berücksichtigung (positiv) incentivierender „Zusatzmaßnahmen“ zu empfehlen. Im Rahmen der Bemühungen um eine Standardisierung im Bereich des Space Traffic Managements wird dementsprechend die Entwicklung von (EU) einheitlichen Standards vorgeschlagen, deren Einhaltung sogar ausschließlich durch incentivierende Maßnahmen, insbesondere durch ein EU Label gesichert werden. Es kann davon ausgegangen werden, dass Regelungen im Bereich des Safety Pillars den aktuellen Status des STM Stakeholder Mechanism zumindest aufnehmen und auch die Selbstverpflichtungen von Stakeholdern im Rahmen der ESA Zero Debris Charter nicht außer Acht lassen werden.

Anforderungen im Hinblick auf die Resilienz im digitalen wie nicht-digitalen Bereich ergeben sich zudem aus den Richtlinien NIS-2 und CER, die beide bis zum 17. Oktober 2024 in nationales Recht umzusetzen sind (siehe hierzu u. a. Update Datenschutz Nr. 136). In beiden Richtlinien wird der Weltraum als kritischer Sektor eingestuft. Die Anwendbarkeit der Regelungen im Zusammenhang mit Weltraum ist jedoch jeweils beschränkt auf (Betreiber von) Bodeninfrastrukturen für die Erbringung von weltraumgestützten Diensten. Die Regelungen gelten zudem übereinstimmend erst ab einer bestimmten Unternehmensgröße. Ausgenommen sind zudem Anbieter öffentlicher elektronischer Kommunikationsnetze sowie die Weltraumressourcen der EU selbst, für die bereits die Anforderungen des EU-Weltraumprogramms von 2021 Anwendung finden. Unabhängig von diesen Beschränkungen wäre es verwunderlich, wenn NIS 2/CER vergleichbare Mechaniken in dem EUSL-Entwurf nicht als Grundlage für die Resilienz-Ziele im Bereich Weltraum insgesamt nutzbar gemacht würden.

Der Sustainability Pillar schließlich ordnet sich in den allgemeinen Kontext des europäischen Green Deals ein. In diesem Bereich gibt es nicht bereits nur eine Vielzahl von weltraum-speziellen Ideen und Initiativen, sondern auch allgemeine, für alle Wirtschaftsakteure geltende Guidelines. Auch Unternehmen der Weltraumindustrie sind den allgemeinen EU-Regularien zur Nachhaltigkeit prinzipiell bereits jetzt in vielfältiger Weise unterworfen. Es besteht hinsichtlich des Sustainability Pillars allerdings die Besonderheit, dass die Datenlage zu Umweltauswirkungen von Weltraumaktivitäten auf die Erde zumindest in Teilbereichen als noch wenig erforscht angesehen wird und teilweise keine für spezifische Maßnahmen ausreichende Datenlage gesehen wird. Das im Rahmen der Überlegungen zur Entwicklung von Standards zu STM propagierte EU Label, wird im Übrigen in Studien als incentivierende Maßnahmen teilweise auch für Sustanability Aspekte vorgeschlagen.

EUSL Targeted Consultation

Die vorstehend beschriebenen „Vorarbeiten spiegeln sich in der Einleitung und der Erläuterung zur „Targeted Consultation zum EUSL“, die vom 17. Oktober 2023 bis zum 28. November 2023 für Stellungnahmen geöffnet war („EUSL Consultation“). Im Rahmen der EUSL Consultation konnte zu folgenden Fragenbereichen Stellung genommen werden:

  • Safety (Pillar) Related Questions“, betreffend die Sicherheit vor Gefährdungen im Zusammenhang mit Weltraumaktivitäten. Im Vordergrund standen spezifische SMT und SST-Ziele wie Regelungen zur Verminderung von Kollisionsrisiken und der Verhinderung bzw. Beseitigung von Trümmerteilen sowie ausgedienten Weltraumobjekten und – als Voraussetzung dafür – deren Tracking. Angesichts der auf EU Ebene schon fortgeschrittenen Überlegungen zu STM und SST und des stetig steigenden Gefahrenpotenzials ist die konkrete Frage nach der Notwendigkeit einer Regulierung an Sich wohl auf die Notwendigkeit einer spezifischen Unions-Regelung bezogen.
  • Resilience (Pillar) Related Questions“, betreffend die Sicherheit von weltraum-bezogenen Einrichtungen, Assets und Systemen vor physischen, elektronischen und digitalen Risiken, einschließlich Cyber-Security. Cybersecurity bezogene Fragen stehen hinsichtlich des Resilience Pillars klar im Vordergrund der EUSL Consultation. Interessant ist, dass die Zielrichtung der Fragen auch weltraumbezogene Einrichtungen auf der Erde mit-umfasst und die Frage ausreichend ausgestalteter Cybersecurity-Regulierung über die bereits allgemein bestehenden Regelungen auf EU und nationalem Level (NIS 2/CER) zur Debatte gestellt wird. Anders als in den anderen Fragebereichen wurde zu dem Resilience Pillar schließlich auch eine Einschätzung der Bedeutung der zu erwarteten Kosten der vorgesehenen Maßnahmen abgefragt.
  • Sustainability (Pillar) Related Questions“, betreffend die Auswirkungen von Weltraum-Aktivitäten auf das Öko-System der Erde. Es wird auf die Umweltauswirkungen im gesamten Lebenszyklus von Aktivitäten bzw. Weltraumgegenständen Bezug genommen. Eine verhältnismäßig große Anzahl der Fragen der EUSL Consultation in diesem Bereich beschäftigt sich zudem mit den Auswirkungen der zunehmenden Anzahl von Satelliten und Weltraumaktivitäten auf die Astronomie („quiet and clear sky“). Sehr konkret wird in der EUSL Consultation im Übrigen gefragt, wie die Notwendigkeit einer einheitlichen Methode zur Feststellung des Öko-Footprints von Weltraumaktivitäten eingeschätzt wird.

Policy Options der EUSL Consultation

Zusätzlich zu den Pillar-bezogenen Ergebnis-Auswahlfragen der EUSL Consultation, zumindest ebenso wichtig, wurden verschiedene „Policy“-Optionen zur Auswahl gestellt und vergleichsweise umfangreich und hinsichtlich der jeweiligen Maßnahmen ungewöhnlich detailliert erläutert:

  • Policy Option 1“ sieht prinzipiell unverbindliche Empfehlungen auf der Basis von Sachverhaltsaufklärung zur Vollständigkeit vorhandener Regulierung und die Entwicklung von incentivierenden Lösungen, z. B. in Form von Labels oder neuartigen smart Policies, vor. Empfehlungen könnten nationale Policies, die Einführung von Standards und/oder konkrete „best practices“ betreffen. Union und Nationalstaaten würden dabei zusammenarbeiten. Von der EU in einem solchen Rahmen entwickelte Labels könnten auf EU Ebene zertifiziert werden, um „green washing“ zu vermeiden. Das Monitoring würde jedoch durch die jeweiligen Staaten erfolgen. Die in dieser Policy Option konkret eingesetzten Mittel werden in der Beschreibung noch ausdrücklich offengehalten und geben damit Raum auch für innovative Incentivierungsformen und alternative Policy Lösungen.
  • Policy Option 2“ würde, als am weitesten gehende Regelung, verbindliche, harmonisierende EU Regelungen vorsehen. Die sich aus der Regulierung ergebenden Anforderungen müssten von den Nationalstaaten in das jeweils bereits existierende Lizenzierungssystem übernommen werden. Die Einhaltung der EU Erfordernisse wäre damit im Endeffekt Eintrittsvoraussetzung für (zu definierende) Weltraumaktivitäten. Zudem könnten besondere „Stellen“ vorgesehen werden, die im Auftrag der EU die Nationalstaaten bei der Einhaltung der EU Erfordernisse „unterstützen“ würden. Die EU Erfordernisse in dieser Alternative zielen, laut Erläuterung, auf ein gesichertes level playing field innerhalb der EU und auch im Verhältnis zu Drittstaaten ab. Die verbindlichen Voraussetzungen würden in einer nicht näher erläuterten Mechanik auch auf Wettbewerber aus Drittstaaten angewendet, die in der EU Leistungen erbringen. Diese Alternative hätte qua Definition harmonisierenden Charakter. Dementsprechend hat die EU Kommission in der Erläuterung dieser Policy-Alternative das Ziel der Einrichtung/Erhaltung eines funktionierenden Binnenmarktes (für Weltraumaktivitäten), also einen Verweis auf Art 114 TFEU besonders deutlich in den Vordergrund gerückt.
  • Policy Option 2+“ baut, so heißt es, grundsätzlich auf Policy Option 2 auf, also auf verbindlichen und harmonisierten Regelungen, soll diese jedoch um zusätzliche (unverbindliche) Guidelines und Incentivierungen (vergleichbar Option 1) für „die Extra-Meile“ ergänzen. Es ist unklar, ob der verbindliche Teil in dieser Alternative hinter den Regelungen in Option 2 zurückbleiben und insofern teilweise (und nicht nur weitergehend) durch Guidelines und Vorschläge ersetzt wird oder ob der unverbindliche Teil (der „+“-Teil) ausschließlich noch weitergehende Regelungen umfasst. Ergänzend würden neue Formen der Incentivierung durch die Mitgliedsstaaten und die EU unter Beteiligung der betroffenen Stakeholder entwickelt. Schließlich würde zusätzlich Unterstützung für die Weltraum-Industrie für Forschung und Entwicklung im Hinblick auf die drei Pillars und insgesamt in dieser Policy Option ein ganzer Strauß von verschiedenen Regelungen vorgesehen.
  • Policy Option 3“ wird laut Erläuterung im Zusammenhang mit Policy Option 2+ gesehen. Dahinter steht die Annahme, dass nur ein verbindliches, harmonisierendes Regelungsgerüst ein glaubhaftes Verhandlungsmandat für bilaterale Lösungen ergibt. Policy Option 3 würde ergänzende Verhandlungsmandate auf Unionsebene vorsehen, unter denen die EU auf internationaler Ebene, in einer mit den Artemis Accords vergleichbaren Weise, (bilaterale) Übereinkommen zu allen drei Pillars suchen würde. Diese Übereinkommen würden inhaltlich auf einer verbindlichen, EU einheitlichen Position beruhen.

Sichtweisen von NewSpace Stakeholdern

Die überwiegenden Reaktionen von opportunistisch befragten NewSpace Stakeholdern und aus verschiedenen veröffentlichten Stellungnahmen, lassen sich wie folgt (stark) zusammenfassen:

  • Verständnis dafür, dass alle drei Pillars grds. „angegangen“ werden und dass rein nationale Initiativen insbesondere für den Resilienz Pillar und den Safety Pillar ohne (verbindliche) Abstimmung langfristig nicht ausreichen werden;
  • Notwendigkeit, sowohl innerhalb der EU, besonders jedoch im Verhältnis zu Wettbewerbern außerhalb der EU für ein level playing field zu sorgen und ein Forum Shopping durch einen weiten Scope des EUSL zu vermeiden, der auch Wettbewerber aus Drittstaaten erfasst;
  • Verlangen nach differenzierten Übergangsfristen, um laufende Projekte und Planungen nicht zu gefährden;
  • Vorschlag für spezielle Schutzregelungen – insbesondere, jedoch nicht nur für KMU – hinsichtlich genereller Anwendbarkeit und Abfederung von ökonomischen Nachteilen;
  • Befürchtung, dass entgegen der oben beschriebenen Mahnung eine – in der Relevanz der Auswirkungen - insbesondere KMU treffende und Investoren für Start-ups und Scale-ups verschreckende Bürokratie und in jedem Fall Zusatzkosten entstehen, die sich zu Eintrittsbarrieren für junge Unternehmen und Investoren in der EU auswachsen und faktisch nicht vollständig ausgeglichen werden.

Im Einzelnen:

Safety Pillar

  • Beitragende Stakeholder messen dem Kollisionsschutz und der „Weltraumschrottproblematik“ durchweg große Bedeutung zu und sprechen sich im Hinblick auf den Safety Pillar für einheitliche Vorgaben zur Entwicklung von Mindeststandards aus. Zusätzliche, weichere Anreizinstrumente zur Erreichung eines höheren Schutzniveaus, wie die Möglichkeit zum Erwerb entsprechender Zertifizierungen / Labels oder der Zugang zu Fördergeldern, werden als passende Ergänzung gesehen (Policy Option 2+). Es wird im Sinne einer risikobasierten Differenzierung zudem vorgeschlagen, die jeweiligen Vorgaben, (z. B. zur zulässigen Menge von im Orbit verbleibenden Objekten und deren Lebensdauer oder an den Orbits orientierte Lösungen) an ein zu definierendes Gefährdungspotenzial des Missionsprofils anzupassen.
  • Es wird weitergehend teilweise für notwendig gehalten, Vorgaben zur Koordination, Überwachung und Nachverfolgung von Weltraumobjekten zu statuieren und so die Voraussetzungen für einen europäischen Markt für Space-Situational-Awareness-Daten (SSA) zu schaffen. Als Instrument hierfür wird teilweise eine Registrierungspflicht bei einer (europäischen) Collision Avoidance Entity vorgeschlagen.
  • Teils wird insoweit aber auf Schwierigkeiten für die Implementation der Vorgaben bei außerhalb der EU ansässigen Akteuren verwiesen. Im Ergebnis wird von den Skeptikern einer verbindlichen Lösung auch hinsichtlich des Safety Pillars auf eine nur auf Anreizinstrumente beschränkte oder zumindest wesentlich von alternativen Policy-Instrumenten geprägte Vorgehensweise verwiesen (Policy Option 1 oder Policy Option 2+ mit sehr eingeschränktem Pflichtteil).

Resilience Pillar

  • Die Widerstandsfähigkeit von – am Boden befindlichen wie orbitalen – Raumfahrtsystemen gegen physische, elektronische und Cyberattacken wird von vielen Stakeholdern ebenfalls als ein must have angesehen, dem mit der Anerkennung der (gesamten) Space Economy als einem kritischen Sektor Rechnung zu tragen ist.
  • Neben einer an Weltraummissionen angepassten Definition des Resilienz-Begriffs soll das EUSL danach den Blick auch auf die relevanten Lieferketten legen, um etwa den Einbau von mit Hintertüren („backdoors“) versehener Komponenten zu verhindern. Ein Security-by-design-Ansatz im Bereich der Softwareentwicklung, ähnlich dem der NIS2-Richtlinie, wird stark befürwortet. Ebenso die Verpflichtung oder zumindest Anreize zu sicheren Systemen zur Kommunikation mit Satelliten (z. B. optische Systeme).
  • Zur Implementation dieser Vorgaben werden etwa Plattformen für den (Pflicht-)Austausch von Daten über Sicherheitsvorfälle und Guidelines zu Best Practices sowie allgemein die Incentivierung und Zusammenarbeit bei dem Ausbau von Cyber-Sicherheits-Kapazitäten als sinnvoll angesehen.

Sustainability Pillar

  • Die Aufnahme des Nachhaltigkeitsgedankens in das EUSL macht die EU in den Augen von verschiedenen Stakeholdern zum Pionier für umweltverträgliche Weltraumaktivitäten. Für Stellungnahmen zu diesem Pillar stehen vor allem Aspekte wie die Dekarbonisierung von Raketentreibstoffen, die Verminderung der Einwirkungen auf den Luftraum beim Wiedereintritt aus dem Orbit oder der mögliche schädliche Einfluss von ausgebrannten Raketenstufen auf marine Ökosysteme im Vordergrund.
  • Noch weitergehend wird von Stakeholdern aber auch der gesamte ökologische Fußabdruck der Space Economy betrachtet. Ein Life Cycle Assessment wie in Policy Option 2 der EUSL Consultation vorgesehen wird als Maßnahme zu einer notwendigen Bestandsaufnahme zwar von speziellen auf Nachhaltigkeit fokussierten Stakeholdern befürwortet. In allgemeineren Beiträgen und Stellungnahmen wird aber auch auf die gerade für KMUs damit verbundenen Belastungen hingewiesen.
  • Angesichts der noch als unzureichend angesehenen Datenlage wird eine Ansprache des Sustainability Pillars durch das EUSL  oft im Rahmen von Policy Option 1 verortet.-    Zusatzthemen

Zusatzthemen

  • Auch wenn das EUSL auf außereuropäische Leistungen innerhalb der EU ausgedehnt wird, fürchten Stakeholder Nachteile für EU Leistungen in Drittstaaten. Solche Nachteile könnten auf Drittmärkten drohen, die niedrigere Belastungen vorsähen. Diese Belastungen müssten zwingend durch Auffang-Maßnahmen wie zusätzliches Funding, Steuervorteile oder großzügige Übergangsregelungen, insbesondere für bereits laufende Missionen, abgefedert würden.
  • Um einen weiteren Anschlussverlust Europas zu verhindern, wird eine Strategie der Bevorzugung binnenmarktansässiger (Start-)Anbieter vorgeschlagen, also faktisch eine „EU first“-Strategie bei der Auftragsvergabe. Weiterhin wird teilweise Rechtssicherheit durch einheitliche Haftungsregelungen und klare Rahmenbedingungen für die Haftungsverteilung bei internationalen Weltraumaktivitäten gefordert, um Risiken zu reduzieren und für ein level playing field zu sorgen.
  • Um die drei Pillars herum werden schließlich verschiedentlich Regelungen oder zumindest Klarstellungen auch für andere, durch die Tätigkeit im Bereich Weltraum berührte, Aspekte gefordert. Zu nennen sind insbesondere Fragen des Kartellrechts, der Auslandsinvestition aus Staaten außerhalb der EU und des Vergaberechts.

Schlussbetrachtung

So unterschiedlich die Erwartungen, Hoffnungen und Befürchtungen im Einzelnen sind, es ist unmittelbar nachvollziehbar, dass die Abwehr von Gefahren für „Alle“ grundsätzlich auch eine einheitliche Koordinierung und Lenkung der gemeinsamen Gefahrenabwehr aushalten muss. Besonders hervorzuheben ist in diesem Zusammenhang die ins Detail gehende Erläuterung der erwogenen Policy Option. Interessant wird neben der konkreten Policy auch die Frage des Vorgehens (Verordnung vs. Richtlinie) sein.

Inhaltlich scheint es eine grundsätzliche Übereinstimmung darin zu geben, dass es insbesondere im Bereich des Safety und des Resilience Pillars differenzierende, jedoch grundsätzlich auch harmonisierende/einheitliche Lösungen geben sollte, um bestehenden Risiken sachgemäß zu begegnen. Dies umso mehr, als gerade in diesen beiden Bereichen eine letztendlich sinnvolle Lösung nicht durch die EU allein erreicht werden kann und für eine internationale Durchsetzung von EU Lösungen, derartige EU Lösungen auch tatsächlich bestehen müssen. Ein Vorgehen entsprechend Policy Option 2+ (einschließlich passender Unterstützungsmaßnahmen und Fristen und mit einem starken Überwiegen von incentivierenden Aspekten), werden zu diesen beiden Pillars insofern im Grundsatz für vernünftig gehalten. Unterschiede bestehen in der Reichweite des verbindlichen Teils im Verhältnis zu dem „freiwilligen“ Teil der Regelungen.

Deutlich uneinheitlicher ist die Sichtweise von Stakeholdern im Hinblick auf den Sustainability Pillar. Das grundsätzliche Ziel einer Nachhaltigkeit wird zwar praktisch einheitlich unterstützt. Zur notwendigen Balance zwischen durchgreifenden Nachhaltigkeitserwägungen und der Förderung einer im innovativen NewSpace Economy gibt es jedoch stark unterschiedliche Einschätzungen. Insbesondere wird das Vorliegen einer für verbindliche Regelungen ausreichenden Sachverhaltskenntnis und damit – in rechtlichen Kategorien – die Erforderlichkeit und Geeignetheit von detaillierten, verbindlichen Regelungen für verschiedene Teilbereiche (z. B.: Standards für die gesamte Wertschöpfungskette, Auswirkungen des Wiedereintrittes auf die Atmosphäre oder maritime Regionen, Standards für Raketenantriebe und Herstellungsmaterialien) bestritten, auch wenn sich solche Lösungen bei einer großen Anzahl von Unternehmen bereits in fortgeschrittener Planung bzw. Umsetzung befinden, werden Lösungen hinsichtlich des Sustainability Pillars deshalb und aus Gründen der Technologie-Flexibilität, oft im Bereich der Policy Option 1 (also Guidelines, smarte Incentivierungen bzw. Labels oder vergleichbar) gesehen.

Zusammengefasst wird das EUSL von betroffenen Stakeholdern, nach den uns erkennbaren Stellungnahmen daher – abgesehen von den grundsätzlich geltenden Verhältnismäßigkeitserwägungen (im weiteren Sinne) – an folgenden Kriterien gemessen:

  • Vermeidung von Zusatzkosten und Bürokratieaufwand für private Unternehmen, nicht als wirtschaftspopulistischer Allgemeinplatz, sondern als grundlegende Anforderung, um eine sich entwickelnde Ökonomie, die Entwicklung von innovativer Technologie mit Allgemeinnutzen und die Erreichung der Ziele der EU Weltraumstrategie nicht zu behindern.
  • Sachgemäße Differenzierung nicht nur zwischen den angesprochenen Pillars, sondern auch hinsichtlich des konkreten Gefährdungsimpacts der spezifischen Tätigkeit. Tatsächliche Impact-Unterschiede einer Tätigkeit müssen zu differenzierenden Lösungen führen können.
  • Incentivierung und alternative Policyformen als zentraler Baustein, um in einem möglichst weiten Umfang der Fortentwicklung von Technologie und der Selbstregulierung durch geeignete positive und negative ökonomische Incentivierung nicht nur Raum zu geben, sondern diese aktiv zu befördern.
  • Ökonomische Abfederung der sich auch indirekt über die gesamte Wertschöpfungskette etwaig ergebenden Zusatzlasten auf allen betroffenen Ebenen.
  • Zeitlich und inhaltlich stufenweises Inkrafttreten etwaiger verbindlicher Regelungen, um eine  u. U. noch gebotene Sachaufklärung zu ermöglichen und dem technologischen Fortschritt und der fortschreitenden Entwicklung von Lösungen Zeit zu geben.
  • Größenschwellen für Betroffene, zum Schutz von besonders Betroffenen und von besonders Regulierungssensitiven KMU, start ups und scale ups.
  • Erstreckung auf Dienstleistungen aus Drittstaaten, um etwaige Wettbewerbsnachteile für Leistungen insbesondere innerhalb der EU auszugleichen. Smarte Lösungen um Wettbewerbsnachteile auf von EU Unternehmen in Drittstaaten zu verhindern.
  • Unterstützung nicht nur durch übliche Zuschüsse und steuerliche Erleichterungen für Entwicklungskosten und Investments, sondern darüberhinausgehend durch Abfederung von indirekten ökonomischen Lasten (z. B.: Lösungen für notwendige oder Investments befördernde Versicherungen, Sicherheiten für Produktionsmittel und Flächen) sowie Beschleunigung/Verschlankung der Prozesse für Förderungen und Zuschüsse.

Nachweise/Weiterführendes

 

 

 

 

 

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