08.01.2024Fachbeitrag

Update IP, Media & Technology Nr. 87

Referentenentwurf des Bundesministeriums für Digitales und Verkehr zur Umsetzung des Digital Services Act – Ein Überblick

Die Verordnung (EU) 2022 / 2065 des Europäischen Parlaments und Rates vom 19.Oktober 2022 über einen Binnenmarkt für digitale Dienste und zur Änderung der Richtlinie 2000 / 31 / EG, der sog. „Digital Service Act“ oder „DSA“, gilt ab dem 17. Februar 2024 als unmittelbar geltendes nationales Recht und dies in allen europäischen Mitgliedsstaaten. Der DSA dient der Schaffung eines sicheren digitalen Raums, welcher die Grundrechte der Nutzer und Nutzerinnen von Onlinediensten besser schützen soll. Nun liegt ein Gesetzesentwurf des Bundesministeriums für Digitales und Verkehr vor, dessen Regelungsgehalt sich auf die Durchführung der Verordnung im nationalen Recht bezieht.

Der DDG-E („Gesetz zur Durchführung der Verordnung (EU) 2022 / 2065 sowie zur Durchführung der Verordnung (EU) 2019 / 1150 und zur Änderung weiterer Gesetze“) soll den Anpassungsbedarf an den DSA decken und dementsprechend das nationale Recht in Einklang mit den Vorgaben des DSA bringen. Der DDG-E dient auch der Durchführung der Verordnung (EU) 2019 / 1150 („P2B-Verordnung“). Dies ist insbesondere auf den ergänzenden Charakter der Verordnung (EU) 2019 / 1150 gegenüber dem DSA zurückzuführen. Die P2B-Verodnung ergänzt, präzisiert und greift einige Bestimmungen des DSA, insbesondere in Bezug auf Fairness, Transparenz und Abhilfemaßnahmen, auf.

Augenmerk des DSA ist es einen funktionierenden Binnenmarkt für das Erbringen digitaler Dienstleistungen zu gewährleisten. Damit soll insbesondere der Schutz der in der EU-Grundrechtecharta normierten Grundrechte, unter anderem der Verbraucherschutz, sichergestellt werden. Ferner soll für mehr Rechtssicherheit hinsichtlich der Vorgaben an Dienstanbieter gesorgt sein. Der europäische Gesetzgeber wählte daher auch die Handlungsform einer Verordnung, um effektiv dafür zu sorgen, dass wirksame, verhältnismäßige und einheitliche Vorschriften bestimmt werden, die den Onlineraum rechtssicher, vorhersehbar und vertraulich regeln. Des Weiteren ist es Ziel des DSA sowohl eine auf Dauer angelegte als auch stabile Aufsichtsstruktur zu etablieren, die effektive Aufsicht über Online-Plattformen und Online-Suchmaschinen innerhalb der EU bietet.

I.   Haupregelungsgehalt des DSA

1.  Der DSA sieht folgende Regelungen vor:

  • Bedingte Haftungsbefreiung der Anbieter von Vermittlungsdiensten
  • Neuregelung des Verhältnisses zwischen den Vermittlungsdiensten und ihren Nutzern und Nutzerinnen
  • Einrichtung von Melde- sowie Beschwerdeverfahren für illegale Inhalte
  • Verpflichtung zur Maßnahmenergreifung bei Feststellung von illegalen Aktivitäten und Missbrauch von Meldeverfahren
  • Bevorzugung von vertrauenswürdigen Hinweisgebern
  • Online-Marktplätze sind nun zur Überprüfung der auf ihren Plattformen anbietenden Händler verpflichtet
  • Transparenzverpflichtungen für kommerzielle Werbung
  • Verwendungsverbot bestimmter personenbezogener Daten für kommerzielle Werbung

2.  Sehr große Plattformen und sehr große Suchmaschinen

Zudem sieht der DSA je nach Größe einer Plattform oder einer Suchmaschine unterschiedlich strenge Anforderungen vor. Eine sog. sehr große Plattform oder Suchmaschine liegt vor, wenn diese über mehr als 45 Millionen Nutzer und Nutzerinnen verfügt. Die sehr großen Anbieter sind demnach von strengeren Verpflichtungen betroffen als kleine oder mittelständische Anbieter. Hiermit sind in erster Linie spezielle Sorgfaltspflichten gemeint, allerdings sind auch systematische Risikobewertungs- und Risikominimierungspflichten darunter zu fassen. Daneben wird die Unterwerfung bestimmter Reaktions-, Prüfungs- und Kontrollmechanismen gefordert sowie Datenzugangs-, Compliance- und Transparenzverpflichtungen werden auferlegt. Schließlich werden auch Aufsichtsgebühren von den sehr großen Anbietern verlangt.

II.  Der Inhalt des Gesetzesentwurfs im Wesentlichen

Vorgesehen ist zunächst die Anpassung des nationalen Rechts. Vor dem Hintergrund der allgemeinen Ausführungen hinsichtlich des Anwendungsbereichs und der Begriffsbestimmungen des DSA werden zunächst einzelne Vorschriften, deren Regelungsgehalt aufgrund des DSA weitestgehend wegfällt, in den DDG-E übernommen, zum Teil verändert und in redaktioneller bzw. terminologischer Hinsicht dem Begriff „digitale Dienste“ angepasst. Vorwiegend geht es um Vorschriften des Telemediengesetzes (TMG), die primär für die Umsetzung europäischer Richtlinien sorgen oder die Regelung national-rechtlicher Besonderheiten zum Gegenstand haben.

Anschließend beinhaltet der DDG-E die zur Ausführung des DSA erforderlichen Vorschriften. In erster Linie soll von dem DDG-E die für die Beaufsichtigung der Anbieter von Vermittlungsdiensten und die Durchsetzung des DSA zuständige nationale Behörde bestimmt werden. Als nationale Koordinierungsstelle für digitale Dienste wird die Bundesnetzagentur benannt. Darüber hinaus sind bestimmte Behörden für die Durchsetzung spezieller Regelungen des DSA vorgesehen. Schließlich sind auch Vorschriften zur Errichtung, Ausstattung, Unabhängigkeit und Leitung der Koordinierungsstelle Bestandteil des DDG-E. Die zentrale Koordinierungsstelle soll dabei nicht nur als Kontaktstelle für die Europäische Kommission dienen, sondern auch die Position einer Zulassungsstelle für sowohl außergerichtliche Streitbeilegungsstellen als auch für vertrauenswürdige Hinweisgeber („trusted flaggers“) einnehmen.

Weiterhin soll die Koordinierungsstelle die Aufgabe als Empfänger der Transparenzberichte von Normadressaten übernehmen. Außerdem ist eine Gewährung von Daten, die die Einhaltung von den DSA-Regelungen durch die Vermittlungsdienste zum Gegenstand haben, vorgesehen. Ferner sind Regelungen über die Zusammenarbeit verschiedener nationaler Behörden vorzufinden. Der Aufbau eines beratenden Gremiums der Koordinierungsstelle ist ebenfalls im DDG-E geregelt. Des Weiteren sieht der DDG-E eine Fortführung des Herkunftslandprinzips vor, sodass Plattformanbieter, die ihre Niederlassung in Deutschland haben, auch dem deutschen Recht unterliegen. Dies gelte auch dann, wenn die digitalen Dienste in anderen Mitgliedsstaaten angeboten und gewerblich verbreitet werden. Es sei denn die Verordnung (EU) 2022 / 2065 (DSA) findet unmittelbare Anwendung.  

Im nächsten Teil sind Regelungen zu Bußgeldern, Befugnissen und Verfahren entsprechend dem DSA zu finden. Die Schlussvorschriften des Gesetzesentwurfs sehen letztlich eine Reihe von Gesetzesänderungen vor, die insbesondere im Zusammenhang zur Begriffsänderung von „Telemedien“ zu „digitale Dienste“ stehen.  

III.  Die neue Koordinierungsstelle im Einzelnen

Die Bundesnetzagentur soll laut dem Referentenentwurf als neue Koordinierungsstelle für digitale Dienste dienen. Dies soll im Einzelnen wie folgt aussehen: Die Bundesnetzagentur ist mit der unparteiischen, transparenten ebenso wie zeitnahen Sicherstellung der aus dem DSA folgenden Rechten und Pflichten beauftragt. Angedacht für die Ausstattung sind 70 Planstellen für die Fachaufgaben und 19 Planstellen sind für die Querschnittsbereiche vorgesehen. Darüber hinaus soll der Bundesnetzagentur zukünftig ein Forschungsbudget in Höhe von 300.000 EUR zustehen. Das Etat soll insbesondere darauf gerichtet sein, Aufgaben, die im Zusammenhang zum DSA stehen, sachgemäß und qualifiziert zu erfüllen. Ein Gremium, welches sich aus wissenschaftlichen, wirtschaftlichen sowie zivilgesellschaftlichen Vertretern zusammenstellt, soll für einen fortlaufenden Austausch zwischen den Koordinatoren der Behörde und externen Experten sorgen und dabei eine beratende Funktion annehmen.

Die Betreiber sehr großer Plattformen, die dem DSA unterliegen, sollten daher eine weitere Zuständigkeit für ihre Compliance Abteilungen einrichten, um damit die Einhaltung der DSA-Regelungen gewährleisten zu können. Der DSA sieht ferner eine Zusammenarbeit zwischen den Koordinatoren der digitalen Dienste und den Compliance-Abteilungen der Plattformanbieter vor.

Die Bundesnetzagentur ist neben der Überwachung der Einhaltung von Rechten und Pflichten aus dem DSA außerdem mit der Beaufsichtigung der Einhaltung der Pflichten aus der P2B-Verordnung betraut. Angesichts der nicht unerheblichen Schnittmenge an Verbraucherschutz zwischen der P2B-Verordnung und dem DSA erwies sich die erweiterte Zuständigkeit der Bundesnetzagentur als eine sinnvolle Lösung, um beide Aufgabenbereiche miteinander zu verbinden und die Beaufsichtigung der Durchsetzung sowohl des DSA als auch der P2B-Verordnung effektiv zu gewährleisten.

IV.  Weitere zuständige Behörden

Des Weiteren macht der DDG-E von dem aus dem DSA folgenden Recht, für Spezialbereiche weitere zuständige Behörden zu benennen, durchaus Gebrauch. In Zukunft ist eine Zuständigkeit der Bundeszentrale für Kinder- und Jugendschutz hinsichtlich der diesbezüglichen im DSA vertretenen Belange vorgesehen. In organisatorischer Hinsicht sind die Anforderungen an die der Koordinierungsstelle für digitale Dienste angelehnt und weisen keine erheblichen Unterschiede auf. Fragwürdig ist dabei jedoch, dass sich der Erfüllungsaufwand für die Bundeszentrale laut DDG-E nicht verändern soll und dies trotz der Sonderzuständigkeit und der selbstständigen Verwaltung ihres Budgets.

Überdies ist eine weitere Sonderzuständigkeit bei dem Bundesbeauftragten für Datenschutz angesiedelt. Überraschenderweise soll der Bundesbeauftragte für Datenschutz statt der Landesdatenschutzbehörden tätig werden. Dies soll vor allem der Vermeidung von zusätzlichen Abstimmungs- und Koordinierungsprozessen Rechnung tragen und einheitliche Entscheidungen gewährleisten. Im Hinblick auf die sonst eher beschränkten Befugnisse des Bundesbeauftragten zugunsten der Landesdatenschutzbehörden erscheint diese Sonderzuständigkeit des Bundesbeauftragten allerdings als eine erhebliche Einschränkung der Landesdatenschutzbehörden.

V.  Ausblick und Fazit

Insgesamt fällt das Fazit zum DDG-E zwiegespalten und ambivalent aus. Einerseits wurde das Bundesministerium für Digitales und Verkehr mit der schwierigen Aufgabe betraut, alle im Zusammenhang zu digitalen Diensten stehenden Gesetze zu durchsuchen, um mit diesem Wissen, unter Berücksichtigung der Landeskompetenzen, der Anforderung des DSA, eine auf die Position als Koordinierungsstelle konzentrierte Behörde zu benennen, gerecht zu werden. Die Benennung der Bundesnetzagentur als Koordinierungsstelle ist vor diesem Hintergrund zu begrüßen. Ferner ist besonders das Inkludieren und Übernehmen von Vorschriften des TMG positiv zu bewerten. Andererseits ist vor einer Verwässerung der Bundesnetzagentur als Koordinierungsstelle zu warnen. Eine klarere und deutlichere Definition der „digitalen Dienste“ wäre zudem förderlich, um zukünftige Rechtsunsicherheiten präventiv aus dem Weg zu räumen. Weiterhin ist nicht ganz nachzuvollziehen, weshalb das Herkunftslandprinzip ohne Rücksicht auf die Diskrepanzen zum DSA fortgeführt wird. Schließlich ist zwar die Benennung der Koordinierungsstelle als gelungen zu werten, jedoch soll die generelle Umsetzung des DDG-E nicht unterschätzt werden. Die große Herausforderung wird insbesondere darin liegen, dass der DDG-E eine enorme Zahl an Aufgaben beinhaltet, die allerdings nicht alle dem gleichen Themenbereich angehören, sondern vielmehr in ganz verschiedene Gebiete fallen. Daher bedürfen alleine die Aufgaben schon einer aufwendigen Koordinierung bzw. Zuordnung.

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