27.08.2019Fachbeitrag

Update Arbeitsrecht August 2019

Ausschluss befristet Beschäftigter von Gehaltszulage verstößt gegen EU-Recht

Das Verbot der Diskriminierung befristet Beschäftigter war bereits Gegenstand einer Vielzahl von Entscheidungen sowohl des EuGH als auch des BAG. Danach dürfen befristet beschäftigte Arbeitnehmer in ihren Beschäftigungsbedingungen gegenüber vergleichbaren Dauerbeschäftigten nicht allein aufgrund ihrer Befristung schlechter behandelt werden. Vielmehr bedarf es hierfür einer sachlichen Rechtfertigung. In der Praxis birgt die Frage, ob im Einzelfall eine Vergleichbarkeit von dauerhaft und befristet Beschäftigten gegeben ist und/oder, ob die in Rede stehende Ungleichbehandlung sachlich gerechtfertigt ist, jedoch weiterhin erhebliches Konfliktpotential. So auch in der zuletzt ergangenen Entscheidung des EuGH, in der sich der Gerichtshof mit der unterschiedlichen Behandlung von befristet und unbefristet Beschäftigten in der öffentlichen Verwaltung zu befassen hatte. 

Der EuGH stellt in seiner Entscheidung klar, dass allein der Beamtenstatus der Dauerbeschäftigten die Versagung einer an das Dienstalter anknüpfenden Vergütungszulage gegenüber den befristet beschäftigten Vertragsangestellten nicht rechtfertigen kann (EuGH, Urteil vom 20.06.2019 – C-72/18),

Der Kläger war bei dem vor dem Verwaltungsgericht Nr. 1 von Pamplona in Spanien beklagten Bildungsministerium der Regierung von Navarra seit September 2007 auf Grundlage eines öffentlich-rechtlichen Vertrages zeitlich befristet als Lehrer angestellt und in mehreren Bildungseinrichtungen tätig geworden. Trotz Erreichens des erforderlichen Dienstalters versagte das Bildungsministerium dem Kläger die rückwirkende Zahlung von Vergütungszulagen im Jahre 2016 mit der Begründung, dass der Kläger eine solche Vergütungszulage aufgrund seines fehlenden Beamtenstatus nicht verlangen könne. Das Ministerium wies darauf hin, dass die relevante nationale Regelung aufgrund der Eigenheit der Beamtenkarriere davon ausgehe, dass die Besoldungsstufenzulage als Teil der persönlichen Bezüge der Beamten fungiere und somit (ausschließlich) dem Beamtenstatus inhärent sei. Konkret, so das beklagte Bildungsministerium, solle mit der Zulage die fortschreitende Entwicklung des Beamten in der Berufslaufbahn vergütet werden. Vertragsbedienstete könnten dagegen nicht in der Besoldungsstufe aufsteigen. Der Beamtenstatus stelle mithin eine persönliche Voraussetzung für die Gewährung der Zulage dar, welche zu der objektiven Voraussetzung des Erreichens eines gewissen Dienstalters hinzukomme. 

Das vorlegende Verwaltungsgericht hatte indes Zweifel am Vorliegen eines sachlichen Grundes, der eine andersartige Behandlung der befristet angestellten Lehrer gegenüber den dauerbeschäftigten Kollegen im Beamtenverhältnis rechtfertige. Insbesondere sei schon nicht erkennbar, dass zwischen den Aufgaben, Leistungen und beruflichen Pflichten der verbeamteten Lehrkräfte im Vergleich zu den befristet angestellten Vertragsbediensteten Unterschiede bestünden. 

Der EuGH teilt diese Bedenken und beantwortet die Vorlagefrage des Verwaltungsgerichts dahingehend, dass weder die Befristung noch der (fehlende) Beamtenstatus der befristet angestellten Vertragsbediensteten ein taugliches Abgrenzungskriterium für die Versagung der in Rede stehenden Vergütungszulage darstellen und eine (allein) auf diese Kriterien abstellende nationalen Regelung mit § 4 Nr. 1 der Rahmenvereinbarung über befristete Arbeitsverträge vom 18. März 1999 (im Folgenden: Rahmenvereinbarung) unvereinbar ist. 

Soweit das beklagte Ministerium sich darauf berief, dass die abweichende Behandlung des Klägers schon deshalb nicht unter das Diskriminierungsverbot der Rahmenvereinbarung falle, weil der Anspruch auf die in Rede stehende Zulage nicht von der Befristung des Arbeitsverhältnisses abhänge, sondern vielmehr darauf abstelle, ob dieses statutarischer oder vertraglicher Natur sei, weswegen auch mittels privatrechtlicher Verträge unbefristet angestelltes Lehrpersonal keine Zulage erhielten, so vermochte sich der EuGH dieser Ansicht nicht anzuschließen.

Der EuGH stellt klar, dass sich befristet Beschäftigte schon dann mit Erfolg auf § 4 der Rahmenvereinbarung berufen können, wenn sie schlechter behandelt werden als Dauerbeschäftigte, die sich in einer vergleichbaren Lage befinden. Es sei, so der EuGH, hingegen nicht erforderlich, dass die betreffenden Vertragsbediensteten im Vergleich zu allen Gruppen der Dauerbeschäftigten schlechter behandelt würden. Insofern könne eine Vergleichbarkeit durchaus auch zwischen (unbefristeten) Beamten und den (befristeten) Vertragsbediensteten in der Verwaltung bestehen.

Hierzu sei in der Gesamtschau der Faktoren, wie der Art der Arbeit, den Anforderungen an die Ausbildung und den Arbeitsbedingungen, zu prüfen, ob die Situation dieser Berufsgruppen vergleichbar sei. Angesichts der Tatsache, dass der EuGH im vorliegenden Fall wie schon das vorlegende Gericht dem Vortrag der Beteiligten keine Unterschiede im Hinblick auf diese Faktoren entnehmen konnte, kam der EuGH zu dem (vorläufigen) Ergebnis, dass eine Vergleichbarkeit zwischen Beamten und den Vertragsbediensteten in der Verwaltung anzunehmen sei. 

Auch ein sachlicher Grund, der geeignet gewesen wäre, die Ungleichbehandlung der beiden Vergleichsgruppen zu rechtfertigen, war nach Ansicht des EuGH nicht erkennbar. Der EuGH verweist in diesem Zusammenhang auf seine ständige Rechtsprechung, wonach die festgestellte Ungleichbehandlung durch die Existenz konkret bezeichneter Umstände gerechtfertigt sein müsse. Hierfür müsse geprüft werden, ob in Bezug auf die betreffende Beschäftigungsbedingung in ihrem spezifischen Zusammenhang und unter Zugrundelegung objektiver und nachvollziehbarer Kriterien die Ungleichbehandlung einem echten Bedarf entspreche und ob sie zur Erreichung des angestrebten Zieles geeignet und erforderlich sei. Dies könne sich beispielsweise aus der besonderen Art der Aufgabe ergeben, zu deren Erfüllung befristete Verträge geschlossen würden oder etwa aus der Verfolgung eines sozialpolitisch legitimierbaren Ziels der Mitgliedsstaaten (Urteile vom 13. September 2007 – C-307/05, vom 22. Dezember 2010 – C-444/09 und vom 5. Juni 2018 – C-547/16). 

Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe genüge die allgemeine, abstrakte Voraussetzung, dass ein Arbeitnehmer für den Erhalt einer Vergünstigung verbeamtet sein müsse, den Anforderungen an eine Rechtfertigung der Ungleichbehandlung nicht (Urteil vom 8. September 2011 – C177/10).

Hierbei konzediert der EuGH, dass die Mitgliedstaaten im Rahmen ihres Ermessens bei der Organisation ihrer öffentlichen Verwaltung, ohne Verstoß gegen die Richtlinie 1999/70 oder die Rahmenvereinbarung, zur Regelung der Voraussetzungen für den Zugang zum Berufsbeamtentum und dessen Beschäftigungsbedingungen berechtigt sind. Der EuGH betont indes, dass sich die Notwendigkeit der Ungleichbehandlung von Beamten und Vertragsangestellten aufgrund wesentlicher im Beamtenstatus wurzelnder Merkmale ergeben müsse. Erforderlich sei mithin, dass die dem Beamtenstatus inhärenten Merkmale für die Gewährung der Vergünstigung tatsächlich ausschlaggebend seien. Ein solcher Zusammenhang sei im vorliegenden Fall nicht ersichtlich. 

Im Gegenteil erfolge die Gewährung der Zulage aufgrund der Erreichung eines bestimmten Dienstalters und sei somit gerade nicht an einen Aufstieg auf eine höhere Besoldungsstufe gebunden, so dass kein Unterschied zu einer bloßen Dienstaltersprämie bestünde. Die Zulage könne demnach gerade nicht als dem Beamtenstatus innewohnend bezeichnet werden. Hinzukomme, dass für die Berechnung des Dienstalters die im Rahmen befristeter öffentlich-rechtlicher Verträge erbrachten Tätigkeiten bei Verbeamtung eines Vertragsbediensteten in vollem Umfang berücksichtigt würden. Die Zulage knüpfe somit auch nicht an die Besonderheit der Art der Aufgaben an, die von Beamten, nicht aber von Vertragsbeschäftigten ausgeübt werden könnten.

Es sei daher, so der EuGH, Aufgabe des vorlegenden Gerichts, nochmals zu prüfen, ob weitere Umstände unter Berücksichtigung der dargelegten Maßstäbe geeignet seien, eine Vergleichbarkeit der beiden Beschäftigtengruppen auszuschließen oder eine Ungleichbehandlung zu rechtfertigen. Die vorgetragenen Aspekte reichten jedenfalls für eine Versagung der Zulage gegenüber den befristeten Vertragsbeschäftigten nicht aus.

Praxishinweis:

Durch das Urteil des EuGH wird die Linie der bisherigen Rechtsprechung zum Verbot der Benachteiligung befristet beschäftigter Arbeitnehmer konsequent fortgeführt. Eine Ungleichbehandlung befristeter Arbeitnehmer gegenüber vergleichbaren Dauerbeschäftigten ist stets rechtfertigungsbedürftig. Dabei führt der Beamtenstatus von Dauerbeschäftigten für sich genommen weder zum Ausschluss der Vergleichbarkeit mit befristeten Arbeitnehmern, deren Tätigkeit und die hierfür erforderliche Qualifikation im Wesentlichen denen der Beamten entspricht, noch kann dieser abstrakt eine Ungleichbehandlung zu Lasten der befristeten Vertragsangestellten rechtfertigen. Es müssen vielmehr konkrete Umstände hinzutreten, die mit dem Beamtenstatus einhergehen und aus denen sich in Bezug auf die betreffende Beschäftigung die Notwendigkeit ergibt, die in Rede stehende Behandlung auf Beamte zu beschränken. 

Solche Umstände hatte das beklagte Bildungsministerium in dem der Entscheidung des EuGH zugrundeliegenden Fall nicht vorgetragen. So legt die in Rede stehende nationale Regelung die Vermutung nahe, dass nicht nur kein Unterschied zwischen die Tätigkeit der verbeamteten und der angestellten Lehrer bestand, sondern dass auch die Vergütung mit Ausnahme der beanspruchten Dienstalterszulage identisch war. Vor diesem Hintergrund erscheint es weder notwendig noch angezeigt, die Feststellungen des EuGH auf die Beschäftigten in der öffentlichen Verwaltung in Deutschland zu übertragen. Hier dürfte es bereits aufgrund der unterschiedlichen Vergütungssysteme für Beamte und Tarifangestellte im öffentlichen Dienst an einer Vergleichbarkeit der Beschäftigungsbedingungen fehlen.

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