27.03.2024Fachbeitrag

Update Arbeitsrecht März 2024

Kürzung der Vergütung eines Betriebsrates

LAG Niedersachsen 08.02.2024 - 6 Sa 559/23

Rechtliche Unsicherheiten bei der Vergütung von Betriebsratsmitgliedern begleiten Unternehmen nicht erst seit der Entscheidung des BGH im „VW-Prozess“, wurden durch diese aber noch verschärft. Im Streit um die Kür­zung der Ge­häl­ter von VW-Be­triebs­rä­ten hat am 8. Februar 2024 erst­mals auch das LAG Nie­der­sach­sen einem kla­gen­den Ar­beit­neh­mer­ver­tre­ter recht ge­ge­ben. Es be­stä­tig­te ein Ur­teil der Vor­in­stanz, wo­nach die Ge­halts­kür­zung un­zu­läs­sig ist: VW muss die Kür­zung zu­rück­neh­men und dem Be­triebs­rat den Aus­fall mit Zin­sen nach­zah­len.

Die 6. Kammer des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen wies die Berufung der VW AG in einem Verfahren über den Vergütungsanspruch eines zu 100 % freigestellten Betriebsratsmitgliedes zum größten Teil zurück.

Dem bisher unveröffentlichten Urteil lag folgender Sachverhalt zu Grunde: In Folge des Urteils des BGH vom 10. Januar 2023 (6 StR 133/22) sah sich VW veranlasst, die Vergütung des Klägers von der Entgeltgruppe 20 auf die Entgeltgruppe 18 zu reduzieren. VW forderte deshalb vom Kläger die Vergütungsdifferenz - gut 500 € im Monat - für die Monate Oktober 2022 bis Januar 2023 zurück, dem entsprach der Kläger unter Vorbehalt. Außerdem bezahlte VW seitdem eine Vergütung nach Entgeltgruppe 18. Der Kläger verlangte von VW einerseits die von ihm gezahlte Vergütungsdifferenz zurück und begehrte zudem die Feststellung, dass VW weiterhin verpflichtet sei, ihm monatlich Vergütung nach Entgeltgruppe 20 zu zahlen.

Damit war er in erster Instanz vor dem Arbeitsgericht Braunschweig erfolgreich (3 Ca 138/23).

Die dagegen von VW eingelegte Berufung blieb überwiegend erfolglos. Die Berufungskammer sah den Vergütungsanspruch des Klägers als begründet an. Der Kläger habe die Voraussetzungen für eine hypothetische Karriereentwicklung dargelegt und VW diese nicht ausreichend bestritten. Es sei davon auszugehen, dass der Kläger ohne Ausübung des Betriebsratsamtes die Entgeltgruppe 20 erreicht hätte. Die Entscheidung des Arbeitsgerichts Braunschweig hat daher mit geringfügigen Änderungen in Bezug auf den Zeitpunkt des beruflichen Aufstiegs des Klägers und der Verzinsung des Klageanspruchs Bestand. Die Revision zum BAG wurde zugelassen.

Konsequenzen für die Praxis

Laut Betriebsrat gab es allein bei Volkswagen bisher 38 Urteile in erster Instanz, von denen 36 zugunsten der klagenden Betriebsräte ausgingen. Nur in zwei Fällen habe VW gewonnen. Weitere Verfahren gab es bei Konzerntöchtern wie Porsche. Dort hatte erst am 2. Februar 2024 der Leipziger Betriebsratsvorsitzende vor dem Arbeitsgericht Leipzig gewonnen. Das Verfahren vor dem LAG in Hannover war laut VW-Betriebsrat nun die erste Entscheidung in der zweiten Instanz. 

Generell bleibt jedoch zunächst die rechtliche Unsicherheit für Unternehmen bestehen. "Arbeitsrechtlich ist etwas geboten, was gleichzeitig strafrechtlich im Risiko stehen kann. Der Gesetzgeber muss diesen Zustand mit einer Klarstellung beenden", sagte ein Betriebsratssprecher. Aus Sicht des Unternehmens scheint sich zu bestätigen, dass die Arbeitsgerichte die ständige Rechtsprechung des Bundearbeitsgerichts zur Betriebsratsvergütung weiterhin für zulässig erachten. Insbesondere auch die Möglichkeit einer hypothetischen Karriereentwicklung wird durch die Urteile gestützt. Allerdings ergibt sich aus den vorliegenden Fällen noch keine rechtliche Grundsatzklärung. Es bleibt daher abzuwarten, wie das Bundesarbeitsgericht sich positionieren wird – wir werden darüber berichten.

Darüber hinaus hat das Bundeskabinett am 1. November 2023 einen Regierungsentwurf für ein "Zweites Gesetz zur Änderung des Betriebsverfassungsgesetzes" verabschiedet. Der Bundesrat hat in seiner Sitzung vom 15. Dezember 2023 keine Einwendungen hiergegen erhoben. Das Gesetz wurde dem Bundestag zugeleitet, eine Beratung steht noch aus. Ob durch die Änderung tatsächlich mehr Klarheit bei der Vergütung von insbesondere langjährig freigestellten Betriebsratsmitgliedern, vor allem im Hinblick auf hypothetische Beförderungsansprüche geschaffen wird, bleibt ebenfalls abzuwarten.

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