27.02.2024Fachbeitrag

Update Arbeitsrecht Februar 2024

Erhebliche betriebliche Beeinträchtigung bei krankheitsbedingter Kündigung

LAG Schleswig-Holstein, Urteil vom 10.01.2024 – 3 Sa 74/23

In der Praxis kommt es häufig dazu, dass sich ein Arbeitgeber von einem Arbeitnehmer trennen möchte, weil dieser für einen längeren Zeitraum arbeitsunfähig erkrankt ist. Hierbei handelt es sich um einen Fall der personenbedingten Kündigung. Die soziale Rechtfertigung einer solchen Kündigung erfolgt im Rahmen einer dreistufigen Prüfung. Das Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein hatte sich jüngst mit einem solchen Fall auseinanderzusetzen und hat dabei die Risiken für einen Arbeitgeber aufgezeigt.

Sachverhalt

Die Klägerin war seit dem 1. August 2020 als Bilanzbuchhalterin bei einer Wochenarbeitszeit von 35 Stunden bei der beklagten Arbeitgeberin beschäftigt. Die Beklagte beschäftigt mehr als zehn Mitarbeiter im Sinne des Kündigungsschutzgesetzes. Die Klägerin ist seit dem 6. Dezember 2021 dauerhaft arbeitsunfähig erkrankt. Bereits ab Oktober 2021 fiel die Klägerin mehrfach vorrübergehend wegen Erkrankung arbeitsunfähig aus. Die letzte Arbeitsunfähigkeit vor der dauerhaften Arbeitsunfähigkeit begann am 22. November 2021 und endete am 3. Dezember 2021.

Die Beklagte leitete vor Ausspruch der krankheitsbedingten Kündigung ein betriebliches Eingliederungsmanagement nach § 167 Abs. 2 SGB IX ein. Die Klägerin lehnte jedoch eine Teilnahme am betrieblichen Eingliederungsmanagement ab. Es erfolgte rund vier Monate später eine weitere Einladung zu einem betrieblichen Eingliederungsmanagement. Auch diese Einladung lehnte die Klägerin ab. Nach Anhörung des Betriebsrats sprach die Beklagte eine krankheitsbedingte Kündigung gegenüber der Klägerin aus.

Gegen diese krankheitsbedingte Kündigung erhob die Klägerin Kündigungsschutzklage vor dem Arbeitsgericht Elmshorn und war mit dieser Klage erfolgreich. Gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Elmshorn legte die Beklagte Berufung vor dem Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein ein. Die Berufung blieb erfolglos.

Entscheidung

Das Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein stellte fest, dass die Kündigung gemäß § 1 Abs. 1 KSchG unwirksam war, da sie nicht sozial gerechtfertigt gewesen ist. Die soziale Rechtfertigung von Kündigungen, die aus Anlass von Krankheiten ausgesprochen werden, ist in drei Stufen zu prüfen. Eine Kündigung ist im Falle einer langanhaltenden Krankheit sozial gerechtfertigt im Sinne des § 1 Abs. 2 KSchG, wenn eine negative Prognose hinsichtlich der voraussichtlichen Dauer der Arbeitsunfähigkeit vorliegt – erste Stufe –, eine darauf beruhende erhebliche Beeinträchtigung betrieblicher Interessen festzustellen ist – zweite Stufe – und eine Interessenabwägung ergibt, dass die betrieblichen Beeinträchtigungen zu einer billigerweise nicht mehr hinzunehmenden Belastung des Arbeitgebers führen – dritte Stufe.

Bei krankheitsbedingter dauernder Leistungsunfähigkeit ist in aller Regel ohne weiteres von einer erheblichen Beeinträchtigung der betrieblichen Interessen auszugehen. Eine Ungewissheit hinsichtlich der Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit stehe – einer krankheitsbedingten dauernden Leistungsunfähigkeit – dann gleich, wenn jedenfalls in den nächsten 24 Monaten mit einer Genesung nicht gerechnet werden könne. Einen Zeitraum von bis zu 24 Monaten könne der Arbeitgeber dagegen typischerweise ohne Schwierigkeiten durch Einstellung einer Ersatzkraft mit einem zeitlich befristeten Arbeitsverhältnis nach § 14 Abs. 2 Satz 1 TzBfG überbrücken.

Das Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein stellte in diesem Zusammenhang fest, dass die Beklagte sich nicht mit Erfolg darauf berufen könne, dass mit einer Genesung der Klägerin in den nächsten 24 Monaten ab Zugang der Kündigung nicht gerechnet werden könne. Es fehle am Vortrag durch die Beklagte, weshalb die ursprüngliche Stelle nicht durch befristete Einstellungen für die Rückkehr der Klägerin hätte freigehalten werden können. Es bleibe auch offen, warum die Beklagte der Klägerin zur Vermeidung einer unzumutbaren dauerhaften Doppelbesetzung der Ausgangsstelle nach deren Rückkehr nicht eine andere Stelle per Direktionsrecht oder eine veränderte Stelle per Änderungskündigung hätte zuweisen können. Hierüber habe die Beklagte auch den Betriebsrat nicht hinreichend informiert. Vor diesem Hintergrund hat das Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein festgestellt, dass die Kündigung unwirksam ist.

Praxistipp

Die jüngste Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Schleswig-Holstein macht deutlich, dass ein Arbeitgeber vor Ausspruch einer krankheitsbedingten Kündigung genau prüfen muss, ob die Voraussetzungen tatsächlich gegeben sind. Insbesondere bei einer lang andauernden Erkrankung muss feststehen, dass jedenfalls eine längere Arbeitsunfähigkeit von zwei Jahren vorliegt und dieser Zeitraum auch nicht durch eine anderweitige Beschäftigung (z.B. befristete Einstellung eines neuen Mitarbeiters) überbrückt werden kann. Hierfür trägt der Arbeitgeber die Darlegungs- und Beweislast.

Darüber hinaus ist der Betriebsrat vor Ausspruch einer Kündigung entsprechend zu informieren. Sollte dies nicht geschehen, kann die Kündigung bereits an diesem formellen Aspekt scheitern.

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