12.01.2015Fachbeitrag

Newsletter IP, Media & Technology Januar 2015

BGH: Haftung für anonyme Bewertungen auf Internet-Bewertungsplattformen

BGH, Urteil vom 1.7.2014 (Az. VI ZR 345/13 – Ärztebewertungsportal)

Leitsätze:

  1. Dem durch persönlichkeitsrechtsverletzende Inhalte einer Internetseite (hier: zur Bewertung von Ärzten) Betroffenen kann ein Unterlassungsanspruch gegen den Diensteanbieter zustehen. Darüber hinaus darf der Diensteanbieter nach §§ 14 II, 15 V 4 TMG auf Anordnung der zuständigen Stellen im Einzelfall Auskunft über Bestands-, Nutzungs- und Abrechnungsdaten erteilen, soweit dies unter anderem für Zwecke der Strafverfolgung erforderlich ist.
  2. Der Betreiber eines Internetportals ist in Ermangelung einer gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage im Sinne des § 12 II TMG dagegen grundsätzlich nicht befugt, ohne Einwilligung des Nutzers dessen personenbezogene Daten zur Erfüllung eines Auskunftsanspruchs wegen einer Persönlichkeitsrechtsverletzung an den Betroffenen zu übermitteln.

Anmerkung

Der BGH hatte über die Rechtsfolgen einer unzulässigen, weil falsche Tatsachenbehauptungen enthaltenden, anonym abgegebenen Bewertung der fachlichen Leistungen eines Arztes auf einer hierfür vorgesehenen Internetplattform für den Plattformbetreiber zu entscheiden. Der betroffene Arzt hatte den ihn betreffenden, unrichtigen Blogeintrag gegenüber dem Plattformbetreiber beanstandet, der diesen daraufhin auch gelöscht hatte. Der anonyme Rezensent stellte seinen gelöschten Beitrag jedoch wieder ein. Dieses Spiel wiederholte sich offenbar, bis der Arzt schließlich den Plattformbetreiber auf Unterlassung und Auskunftserteilung über die Identität des Autors der unrichtigen Bewertung verklagte. Die Vorinstanzen gaben der Klage insgesamt statt; das Berufungsgericht ließ die Revision zu, allerdings beschränkt auf die Verurteilung zur Erteilung der Drittauskunft über den Verfasser der Bewertung. Der BGH hob die Verurteilung zur Auskunftserteilung auf.

Keine gesetzliche Ermächtigungsgrundlage zur Datenweitergabe

Zwar geht der BGH davon aus, dass die allgemeinen Voraussetzungen eines Anspruchs gemäß § 242 BGB auf Erteilung einer Drittauskunft vorliegen. Jedoch dürfe der Plattformbetreiber eine solche Auskunft nicht erteilen, da § 12 Abs. 2 TMG dem entgegenstehe. Eine Rechtsvorschrift, die den Plattformbetreiber i.S.d. § 12 Abs. 2 TMG zur Weitergabe der Nutzerdaten des Verfassers der rechtswidrigen Bewertung ermächtigen würde, liege nicht vor. Die Vorschrift des § 242 BGB, aus der sich der akzessorische Auskunftsanspruch herleitet, beziehe sich nicht – wie von § 12 Abs. 2 TMG gefordert – ausdrücklich auf Telemedien. Die Vorschriften der §§ 14 Abs. 2, 15 Abs. 5 Satz 4 TMG kommen ebenfalls nicht als Ermächtigungsgrundlage in Betracht, da nach diesen Vorschriften eine Auskunftserteilung nur für die Zwecke der Strafverfolgung, der polizeilichen Gefahrenabwehr, der Aufgaben von Verfassungsschutz, BND, MAD und BKA sowie zur Durchsetzung der Rechte am geistigen Eigentum zulässig sei, nicht jedoch auch zum Zweck des Schutzes von Persönlichkeitsrechten. Eine analoge Anwendung der genannten Vorschriften scheide ebenfalls aus, da dem Gesetzgeber bei Schaffung des TMG ausweislich der Gesetzesmaterialien der Umstand, dass Persönlichkeitsrechtsverletzungen – anders als Verletzungen von  geistigen Eigentumsrechten – nicht zur Auskunftserteilung gemäß §§ 14 Abs. 2, 15 Abs. 5 Satz 4 TMG ermächtigen, bewusst war und er gleichwohl auf eine diesbezügliche Regelung verzichtet hat, so dass es schon an der für eine analoge Anwendung der Vorschriften erforderlichen planwidrigen Regelungslücke fehle. Da dem Plattformbetreiber somit in Ermangelung einer gesetzlichen Ermächtigung zur Auskunftserteilung i. S. d. § 12 Abs. 2 TMG (bzw. – was natürlich auch ausreichend wäre, aber vorliegend ersichtlich ausschied – einer Einwilligung des betroffenen Nutzers in die Weitergabe seiner persönlichen Daten) die Auskunftserteilung rechtlich unmöglich sei (§ 275 Abs. 1 BGB), bestehe der mit der Klage geltend gemachte Auskunftsanspruch nicht.

Zu Recht weist der BGH in diesem Zusammenhang darauf hin, dass die Ungleichbehandlung der Auskunftserteilung bei Verletzung geistiger Eigentumsrechte einerseits und von Persönlichkeitsrechten andererseits wenig nachvollziehbar erscheint. Die Rechtsprechung kann an dieser Stelle aufgrund des klaren Gesetzeswortlauts und der bewussten Entscheidung des Gesetzgebers gegen eine Aufnahme der Persönlichkeitsrechte in den Ermächtigungskatalog der §§ 14 Abs. 2, 15 Abs. 5 Satz 4 TMG jedoch nicht weiterhelfen. Eine Änderung der Situation müsste der Gesetzgeber selbst herbeiführen.

Unterlassungsanspruch gegen den Plattformbetreiber als Notlösung

Für den betroffenen Arzt ist hierdurch allerdings nicht alles verloren, denn ihm bleibt immerhin der Unterlassungsanspruch gegen den Plattformbetreiber (auch wenn er gegen den Verfasser der rechtswidrigen Bewertung selbst ohne Kenntnis von dessen Identität nicht vorgehen kann). Der Plattformbetreiber wird zumindest die weitgehend wortgleiche Wiedereinstellung der bereits gelöschten Bewertung (z. B. durch geeignete Software) verhindern können und müssen. Entsprechend der Rechtsprechung des BGH etwa zur Störerhaftung von File-Hosting-Dienstleistern für urheberrechtsverletzende Linksammlungen wird man ggf. auch eine manuelle Überprüfung jedenfalls der von dem betreffenden Nutzer eingestellten Inhalte auf kerngleiche Verstöße fordern können. Klar ist aber auch, dass dem betroffenen Arzt mit einem Vorgehen nur gegen den Plattformbetreiber weniger geholfen ist als mit einem Vorgehen gegen den Verfasser der falschen Bewertung selbst, denn nur hierdurch könnte schon der Einstellung weiterer rechtsverletzender Falschbehauptungen wirksam vorgebeugt werden.

Fazit

Persönlichkeitsrechtsverletzende anonyme Einträge in Telemediendiensten können de lege lata nur durch ein Vorgehen gegen den Plattformbetreiber und damit nicht mit optimaler Effizienz angegriffen werden. De lege ferenda müsste der Gesetzgeber aktiv werden, um an dieser Situation etwas zu ändern und eine gesetzliche Grundlage für die Weitergabe von Nutzerdaten durch den Plattformbetreiber an den von der Äußerung Betroffenen zu schaffen.

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