02.12.2015Fachbeitrag

Update Compliance 24/2015

Die Vorratsdatenspeicherung kommt!

In Deutschland soll erneut die Vorratsdatenspeicherung eingeführt werden. Der Bundesrat hat am 6. November 2015 den Entwurf eines Gesetzes „zur Einführung einer Speicherpflicht und einer Höchstspeicherfrist für Verkehrsdaten“ (BT-Drs. 18/5088) gebilligt.

Mit der Neuregelung werden die Erbringer öffentlich zugänglicher Telekommunikationsdienste verpflichtet, Verkehrsdaten und Standortdaten für einen bestimmten Zeitraum zu speichern, wobei die Speicherdauer für Verkehrsdaten zehn Wochen und die für Standortdaten vier Wochen beträgt (§ 113b Abs. 1 TKG-E).

Der Zugriff auf die gespeicherten Verkehrs- und Standortdaten soll den Strafverfolgungsbehörden zur Verfolgung besonders schwerer Straftaten gestattet sein, sofern diese auch im Einzelfall besonders schwer wiegen (§ 100g Abs. 2 S. 2 StPO-E).

Zu den Verkehrsdaten zählen die Rufnummern des anrufenden und des angerufenen Anschlusses sowie Zeitpunkt und Dauer der Verbindung (§ 113b Abs. 2 TKG-E). Im Falle von Internet-Telefondiensten sind die IP-Adressen einschließlich Zeitpunkt und Dauer der Internetnutzung unter der jeweils zugewiesenen IP-Adresse zu speichern (§ 113b Abs. 3 TKG-E). Bei Mobilfunkverbindungen sind zudem die Standortdaten des anrufenden und des angerufenen Anschlusses vorzuhalten (§ 113b Abs. 4 TKG-E). Der Inhalt der Kommunikation darf jedoch nicht gespeichert werden (§ 113b Abs. 5 TKG-E).

Weiterhin enthält der Entwurf Regelungen zum Schutz der Daten von Berufsgeheimnisträgern. Namentlich ist eine Datenerhebung unzulässig, die sich z. B. gegen Rechtsanwälte, Steuerberater, Notare, Ärzte, Geistliche oder andere in § 53 StPO genannte Berufsgeheimnisträger richtet und die voraussichtlich Erkenntnisse erbringen würde, über die der Berufsgeheimnisträger das Zeugnis verweigern dürfte (§ 100g Abs. 4 S. 1 StPO-E). Für dennoch erlangte Erkenntnisse besteht ein Verwendungsverbot (§ 100g Abs. 4 S. 2 StPO-E).

Schließlich sieht der Entwurf die Schaffung eines neuen Straftatbestandes der Datenhehlerei (§ 202d StGB-E) mit einem Strafrahmen von bis zu drei Jahren Freiheitsstrafe vor, denn ausweislich der Entwurfsbegründung seien die geltenden strafrechtlichen Regelungen gegen den Handel mit illegal erlangten Daten unzureichend. (Bemerkenswert: Für den Ankauf von sog. Steuer-CDs durch Amtsträger sieht der Entwurf eine ausdrückliche Ausnahme vor.)

Hintergrund zur Gesetzesinitiative: Deutschland hatte bereits 2008 in Umsetzung der europäischen Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung (RL 2006/24/EG) die Pflicht zur Vorratsdatenspeicherung in §§ 113a, 113b TKG eingeführt. Gemäß § 113a TKG waren die Telekommunikationsanbieter verpflichtet, Verkehrsdaten für eine Dauer von sechs Monaten zu speichern. Über § 100g Abs. 1 S. 1 StPO durften die Strafverfolgungsbehörden auf die gespeicherten Daten zugreifen.

Mit Urteil vom 2. März 2010 (1 BvR 256/08) erklärte das BVerfG die gesetzlichen Regelungen zur Vorratsdatenspeicherung für verfassungswidrig, weil sie die Sicherheit der gespeicherten Daten nicht ausreichend gewährleisteten und den Zugriff auf die Daten nicht hinreichend begrenzten. Ferner erklärte der EuGH mit Urteil vom 8. April 2014 (verb. Rechtssachen C-293/12 und C-594/12) die europäische Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung für ungültig, da sie einen unverhältnismäßigen Eingriff in Art. 7 (Recht auf Privatheit) und Art. 8 (Schutz personenbezogener Daten) der EU-Grundrechtecharta darstellte.

Mit dem neuen Gesetzesentwurf sollen ausweislich der Entwurfsbegründung die Vorgaben beider Urteile berücksichtigt werden.

Praxishinweis: Die Neuregelung der Vorratsdatenspeicherung begegnet erheblichen verfassungs- und europarechtlichen Bedenken. Namentlich sehen sowohl die Regelungen zur Speicherpflicht als auch die Regelungen zum Datenabruf gemessen an den vom BVerfG und vom EuGH aufgestellten Anforderungen an einen verhältnismäßigen Eingriff kaum eine hinreichende Eingriffsbeschränkung vor. Darüber hinaus erweisen sich die Regelungen zum Schutz von Berufsgeheimnisträgern, die nur ein Verwendungs-, aber kein Speicherverbot enthalten, als ungenügend.

Angesichts der dargestellten Defizite hat sich breite Kritik an der Neuregelung entzündet. Im Einzelnen haben sich verschiedene Berufskammern, darunter die Bundesrechtsanwaltskammer, die Bundessteuerberaterkammer, die Wirtschaftsprüferkammer und die Bundesärztekammer, in einer gemeinsamen Resolution ausdrücklich gegen die Neuregelung ausgesprochen. Zudem beantragten bereits einige Bundestagsabgeordnete der Grünen und der SPD gemeinsam mit Journalisten- und Medienverbänden sowie einzelnen Rechtsanwälten und Ärzten beim BVerfG den Erlass einer einstweiligen Anordnung, um das Inkrafttreten des Gesetzes zu verhindern, und kündigten Verfassungsbeschwerde an. Schließlich hat sich die Bundesrechtsanwaltskammer mit der Bitte an den Bundespräsidenten gewandt, das Gesetz nicht auszufertigen, da dieses verfassungswidrig sei.

Nach alledem darf bezweifelt werden, dass die Neuregelung Bestand haben wird.

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