23.01.2024Fachbeitrag

Update Compliance 2/2024 & Update Arbeitsrecht Januar 2024

AGG-Hopping – Leicht verdientes Geld oder hohes Risiko?

„AGG-Hopping“ durch professionelle Scheinbewerber stellt für Arbeitgeber eine enorme Herausforderung dar. AGG-Hopper bewerben sich auf ausgeschriebene Stellen regelmäßig nicht, um den jeweiligen Job auszuüben, sondern um Entschädigungen zu erhalten – dies wegen behaupteter Verstöße gegen das Diskriminierungsverbot. Bekannte Scheinbewerber mussten sich bereits vor Strafverfolgungsbehörden und Strafgerichten verantworten. Auch laut BGH kann die gerichtliche Geltendmachung entsprechender Ansprüche eines AGG-Hoppers, der vor Gericht – auch konkludent – wahrheitswidrig behauptet, dass er die mit der Bewerbung angestrebte Stelle „ernsthaft“ habe ausüben wollen, eine Strafbarkeit wegen (Prozess-)Betruges begründen. AGG-Hoppern droht nicht nur eine Geldstrafe, sondern auch eine Freiheitsstrafe von bis zu 5 Jahren – pro Tat. Arbeitgeber, die sich entsprechenden AGG-rechtlichen Ansprüchen ausgesetzt sehen, sollten somit stets neben den arbeitsrechtlichen auch die strafrechtlichen Implikationen im Blick behalten.

Arbeitsrechtliche Implikationen des AGG-Hopping

Der Begriff AGG-Hopping bezeichnet den Vorgang, bei dem sich Personen um eine ausgeschriebene Stelle bewerben, ohne ein wirkliches Interesse zu haben, diese Stelle tatsächlich zu erhalten. Ihr Ziel ist es, nach der (erwarteten) Absage Ansprüche nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) geltend zu machen, da der Anwendungsbereich des AGG bereits im Bewerbungsprozess eröffnet ist. Bei einem Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot des AGG kommen Schadensersatz sowie eine Geldentschädigung in Betracht.

Der AGG-Hopper kann sich auf eine erleichterte Beweislast berufen (vgl. § 22 AGG): Er hat lediglich Indizien darzulegen, die eine Benachteiligung wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes (Rasse, ethnische Herkunft, Geschlecht, Religion, Weltanschauung, Behinderung, Alter, sexuelle Identität) vermuten lassen. Indizien für eine Benachteiligung können sich dabei bereits aus der Stellenausschreibung ergeben.

Hat die anspruchsstellende Partei – also der AGG-Hopper – Indizien vorgetragen, die eine Diskriminierung im Sinne des AGG vermuten lassen, hat die andere Partei – also der Arbeitgeber – den Beweis zu erbringen, dass eine Benachteiligung nicht vorliegt bzw. ggf. im Einzelfall gerechtfertigt ist. Insoweit bestehen für die Unternehmen verschiedene Anknüpfungspunkte: So muss ein in § 1 AGG genanntes Merkmal ursächlich für die behauptete Benachteiligung sein. Oft folgen Klagen von AGG-Hoppern auf Bewerbungsabsagen, bei denen es der sich bewerbenden Person bereits an der fachlichen Eignung für die ausgeschriebene Stelle fehlt. Arbeitgeber sind hier aufgrund ihrer unternehmerischen Freiheit in der Festlegung des Anforderungsprofils frei. Eine weitgehende Konkretisierung des Stellenprofils dürfte daher die komfortabelste Verteidigung gegen Ansprüche von AGG-Hoppern bieten.

Dem Entschädigungsverlangen kann gegebenenfalls auch der Rechtsmissbrauchseinwand entgegengehalten werden. Dieser greift nach der Rechtsprechung dann ein, wenn sich die Person beworben hat, um den Status als Bewerber nur mit dem Ziel zu erlangen, Schadensersatz- und/oder Entschädigungsansprüche geltend zu machen. Erforderlich ist, dass sich ein systematisches und zielgerichtetes Vorgehen der Person feststellen lässt, das auf der Erwägung beruht, bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise werde letztlich ein auskömmlicher „Gewinn“ verbleiben, weil der Arbeitgeber freiwillig die Forderung erfüllt oder sich vergleichsweise auf eine Entschädigungszahlung einlässt. Dies gilt unabhängig davon, ob die Entschädigung bereits unter dem Druck einer angekündigten Entschädigungsklage oder im Verlaufe eines Entschädigungsprozesses erfolgt.

Strafrechtliche Implikationen des AGG-Hopping

Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung besteht für AGG-Hopper – insbesondere bei gerichtlicher Geltendmachung ihrer Ansprüche – ein Strafbarkeitsrisiko wegen Betruges: In einem Fall, über den zunächst das Landgericht München I und in der nächsten Instanz der BGH zu entscheiden hatten, hatten ein niedergelassener Rechtsanwalt (der spätere Angeklagte) und dessen Bruder den Entschluss gefasst, auf der Grundlage von Scheinbewerbungen wiederholt Entschädigungsansprüche nach dem AGG wegen angeblicher Diskriminierung im Bewerbungsverfahren geltend zu machen, um sich auf diese Weise zu bereichern und eine dauerhafte und erhebliche Einnahmequelle zu verschaffen. Bei Ausbleiben der Zahlung der ausgewählten Arbeitgeber sollte der behauptete Anspruch gemäß dem Tatplan in aussichtsreichen Fällen gerichtlich weiterverfolgt werden, um auf diesem Wege die geforderte Entschädigung zu erhalten oder die beklagten Unternehmen zum Abschluss eines Vergleichs zu bewegen.

Die Staatsanwaltschaft ermittelte auf Grundlage dieses Sachverhalts wegen Betruges gegen die späteren Angeklagten. Achteinhalb Jahre nach Beginn der Ermittlungen verurteilte die Große Strafkammer des Landgerichts München I den angeklagten Anwalt wegen Betruges und versuchten Betruges in mehreren Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und vier Monaten, die zur Bewährung ausgesetzt wurde. Auf die Revision des Angeklagten hob der BGH das Urteil im Mai 2022 aufgrund von Rechtsfehlern der ersten Instanz auf und verwies den Fall an eine andere Kammer am Landgericht München I zurück – inklusive rechtlicher Hinweise für die neue Verhandlung. Diese rechtlichen Hinweise des BGH betrafen die Maßstäbe für die Strafbarkeit des AGG-Hopping:

Nach Ansicht des BGH lag – jedenfalls in dem konkreten Fall – zwar weder in der Bewerbung noch in der außergerichtlichen Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen durch den AGG-Hopper eine betrugsrelevante Tathandlung, da das entsprechende Anspruchsschreiben nicht auf die Motivation der Bewerbung als täuschungsrelevante Tatsache eingegangen sei. Allerdings könne in der gerichtlichen Geltendmachung des Anspruchs eine betrugsrelevante konkludente Täuschung im Sinne eines Prozessbetrugs liegen, wenn der Vortrag des AGG-Hoppers vor Gericht – gegebenenfalls auch nur konkludent – über die fehlende Ernsthaftigkeit der Bewerbung täusche und dieser damit gegen die zivilrechtliche und auch im arbeitsgerichtlichen Verfahren geltende Vollständigkeits- und Wahrheitspflicht des § 138 Absatz 1 ZPO verstoße. In diesem Fall stelle laut BGH die Geltendmachung einer Forderung, auf die kein Anspruch bestehe, eine schlüssige Täuschung über Tatsachen dar, wenn mit dem Einfordern einer Leistung ein Bezug zu einer unzutreffenden Tatsachenbasis hergestellt oder das Vorliegen eines den Anspruch begründenden Sachverhalts behauptet werde. Dies sei beispielsweise dann der Fall, wenn der AGG-Hopper nachweisbar fälschlicherweise (auch konkludent) behaupte, dass die Bewerbung nicht zur zum Schein erfolgt sei.

Wie es nach der Zurückverweisung an das Landgericht um das konkrete Strafverfahren steht und ob eine (erneute) strafrechtliche Verurteilung des AGG-Hoppers auf dieser Grundlage erfolgen wird, ist (noch) nicht bekannt. Sicher ist aber: AGG-Hopping birgt nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung ein erhebliches Strafbarkeitsrisiko.

Praxishinweis

AGG-Hopping ist für Unternehmen nach wie vor ein relevantes Thema: Arbeitgeber in Deutschland werden immer wieder durch AGG-Hopper in Anspruch genommen. In letzter Zeit lässt sich in diesem Zusammenhang in der Praxis auch das vermehrt auftretende Phänomen des DSGVO-Hopping (das sich oftmals an ein AGG-Hopping anschließt) beobachten. Schäden durch professionelle Scheinbewerbungen können in erheblicher Höhe entstehen. Ein sorgfältiges Bewerbermanagement zahlt sich daher regelmäßig aus.

Jedoch sind Arbeitgeber bei Inanspruchnahmen durch Scheinbewerber nicht machtlos: Sofern sie sich entsprechenden Ansprüchen ausgesetzt sehen, lohnt sich zunächst die genaue Prüfung, ob der Anspruch tatsächlich besteht, wie mit der gegebenenfalls unberechtigten Geltendmachung umzugehen ist und welche Argumente diesem entgegengehalten werden können. Unter Umständen kann zudem eine gesellschaftsrechtliche Pflicht bestehen, unberechtigte Ansprüche unter Ausschöpfung aller rechtlichen Möglichkeiten abzuwehren. Liegen nachweislich Indizien für ein missbräuchliches Verhalten des Bewerbers vor, insbesondere wenn dieser seine Ansprüche gerichtlich geltend macht, kommt auch eine (begleitende) Strafanzeige in Betracht – denn AGG-Hopping birgt ein erhebliches Strafbarkeitsrisiko. Dies gilt im Übrigen unabhängig davon, ob dem betroffenen Arbeitgeber tatsächlich Fehler im Bewerbungsprozess vorgeworfen werden können.

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