11.06.2015Fachbeitrag

Newsletter Arbeitsrecht Juni 2015

Kein Mitbestimmungsrecht beim Anbringen einer Videokamera-Attrappe

LAG Mecklenburg-Vorpommern, Beschluss vom 12.11.2014 – 3 TaBV 5/14

Das Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern (LAG MV) hat mit Beschluss vom 12. November 2014 entschieden, dass dem Betriebsrat unter keinem denkbaren Gesichtspunkt ein Mitbestimmungsrecht zusteht, wenn der Arbeitgeber lediglich die Attrappe einer Videokamera im Zugangsbereich anbringt. Die Entscheidung des LAG MV klärt eine in der Literatur bisher umstrittene Rechtsfrage.
 
Die Betreiberin einer Klinik hatte ohne Zustimmung des bei ihr gebildeten Betriebsrates im Außenbereich des Klinikgebäudes die Attrappe einer Videokamera anbringen lassen. Ziel dessen war die potentielle Abschreckung von Dritten, die sich unbefugt Zugang zum Klinikgebäude verschaffen wollten. Der Betriebsrat sah hierdurch sein Mitbestimmungsrecht verletzt und stellte daraufhin beim Arbeitsgericht Rostock Antrag auf Einsetzung einer Einigungsstelle mit dem Ziel, den Abschluss einer Betriebsvereinbarung mit dem Klinikbetreiber zu dieser Frage zu erzwingen.

Das Arbeitsgericht Rostock hat dem Antrag des Betriebsrates zunächst mit der Begründung entsprochen, es könne nicht ausgeschlossen werden, dass Mitbestimmungsrechte des Betriebsrates durch Anbringung der Videokamera-Attrappe tangiert seien. Dem ist nunmehr das LAG MV entgegengetreten und hat den Antrag des Betriebsrates auf Einsetzung der Einigungsstelle zurückgewiesen.

Videokamera-Attrappe ist keine technische Überwachungseinrichtung

Das LAG MV hat sich zunächst damit auseinandergesetzt, ob ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates aus § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG (Einführung von technischen Überwachungseinrichtungen) resultieren könnte. Dies wurde durch das LAG MV jedoch verneint. Eine Kamera-Attrappe sei bereits objektiv nicht geeignet, das Verhalten oder die Leistung der Arbeitnehmer zu überwachen. Auch eine analoge Anwendung der Norm des § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG wurde durch das LAG MV verneint. Sinn und Zweck der Norm sei der Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechtes des Arbeitnehmers vor Eingriffen durch anonyme technische Kontrolleinrichtungen. Derartige Eingriffe seien von einer Attrappe jedoch ersichtlich nicht zu erwarten.

Auch Fragen der Ordnung des Betriebes und des Verhaltens der Arbeitnehmer im Betrieb nicht betroffen

Das LAG MV hat auch ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates aus § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG (Fragen der Ordnung des Betriebes und des Verhaltens der Arbeitnehmer im Betrieb) verneint. Die Anbringung der Attrappe einer Videokamera im Außenbereich könne bereits auf den ersten Blick keine Auswirkungen auf das innerbetriebliche Zusammenleben der Arbeitnehmer mit dem Arbeitgeber entfalten. Schließlich könnten die Arbeitnehmer den betroffenen Eingang nach wie vor benutzen, ohne dass kontrolliert werde, wann wer das Gebäude durch den betroffenen Zugang betritt oder verlässt.

Die teilweise gegenteilig vertretenen Rechtsauffassungen aus der Literatur wurden durch das LAG MV zurückgewiesen. Es komme für das Mitbestimmungsrecht allein darauf an, ob eine tatsächliche Kontrollwirkung bestehe. Nur dann könnten Persönlichkeitsrechte der Arbeitnehmer berührt sein. Dies sei bei einer Attrappe nicht der Fall.

Praxishinweis

Das Anbringen von Attrappen von Videokameras ist nicht mitbestimmungspflichtig. Dies schafft Rechtsklarheit in einer bislang teilweise umstrittenen Frage. Arbeitgeber sind nunmehr frei darin zu entscheiden, ob und wenn ja, an welchen Stellen Kamera-Attrappen angebracht werden. Es empfiehlt sich jedoch, zumindest dem Betriebsrat deutlich zu machen, dass es sich tatsächlich nur um Attrappen handelt.

Gleichwohl: zivilrechtliche Unterlassungsansprüche der Arbeitnehmer denkbar

Nach einer älteren Entscheidung des Landgerichtes Bonn vom 16. November 2004 – 8 S 139/04 – könne sich jedoch allein aus dem Vorhandensein einer Kamera-Attrappe ein Anpassungs- und Überwachungsdruck ergeben, der einen Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Betroffenen darstelle. Dieser zieht nach Auffassung des LG Bonn zivilrechtliche Beseitigungs- und Unterlassungsansprüche nach sich. Zudem kann eine tatsächlich durchgeführte Videoüberwachung Schadensersatzansprüche der betroffenen Arbeitnehmer auslösen (LAG Mainz vom 23.5.2013 – 2 Sa 540/12). Trotz nicht gegebener Mitbestimmung des Betriebsrates beim Anbringen von Kamera- Attrappen können daher zivilrechtliche Beseitigungs- und Unterlassungsansprüche von Arbeitnehmern nicht ausgeschlossen werden.

Fazit

Nach einer Entscheidung des LAG Mecklenburg-Vorpommern hat der Betriebsrat kein Mitbestimmungsrecht beim Abringen von Videokamera-Attrappen. Der Betriebsrat sollte aber darauf hingewiesen werden, dass es sich tatsächlich nur um Attrappen handelt.

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