31.01.2014Fachbeitrag

Newsletter Arbeitsrecht Oktober 2014

Kein Mitzählen der Leiharbeitnehmer beim Schwellenwert der Unternehmensmitbestimmung

OLG Hamburg, Beschluss vom 31.1.2014 – 11 W 89/13

Der regelmäßige Einsatz von Leiharbeitnehmern gehört in vielen Unternehmen weiterhin zum Organisationskonzept. Insofern stellt sich vielfach die Frage, inwieweit Leiharbeitnehmer bei der Berechnung von arbeitsrechtlichen Schwellenwerten zu berücksichtigen sind. Das Oberlandesgericht Hamburg hat jetzt ein Mitzählen der Leiharbeitnehmer bei dem für die Mitbestimmung maßgeblichen Schwellenwert des § 1 MitbestG abgelehnt.

Hintergrund des Verfahrens war ein aus Sicht des Unternehmens erfolgtes dauerhaftes Absinken der Arbeitnehmerzahl auf unter 2.000. Deshalb sei der bisher nach Maßgabe des Mitbestimmungsgesetzes (MitbestG) paritätisch besetzte Aufsichtsrat nicht mehr gesetzmäßig. Es sei lediglich noch das Drittelbeteiligungsgesetz (DrittelbG) anzuwenden. Hiergegen wurde im Statusverfahren eingewandt, dass der Schwellenwert von 2.000 Arbeitnehmern weiterhin durch die Berücksichtigung von Leiharbeitnehmern überschritten werde.

Das OLG Hamburg hat eine Berücksichtigung der Leiharbeitnehmer für die Schwellenwerte der Unternehmensmitbestimmung abgelehnt. Während sich das Bundesarbeitsgericht (BAG) zwischenzeitlich von seinem ursprünglichen Grundsatz, „Leiharbeitnehmer dürfen wählen, würden aber nicht zählen“, verabschiedet hat und sie vielfach bei der Bestimmung der Schwellenwerte berücksichtigt, hat das OLG Hamburg an einer früheren Rechtsprechung festgehalten. Wie schon das OLG Düsseldorf im Jahr 2004 vertritt es weiterhin die Auffassung, dass eine Gleichstellung der Leiharbeitnehmer mit der Stammbelegschaft bei der Unternehmensmitbestimmung weder vorgesehen noch erforderlich sei. Der Aufsichtsrat habe die Aufgabe, mittel- und langfristig zu agieren und die Unternehmerentscheidungen zu kontrollieren. Dies berühre die Interessen der nur vorübergehend eingesetzten Leiharbeitnehmer, denen alternativ die Rückkehr zum Verleiherbetrieb verbleibe, nur am Rande.

Rechtsbeschwerde zum BGH zugelassen

Wegen der grundlegenden Bedeutung dieser Entscheidung, zu der es bislang keine höchstrichterliche Entscheidung gibt, hat das OLG Hamburg die Rechtsbeschwerde zugelassen, so dass demnächst zu dieser Frage eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs (BGH) (II ZB 7/14) zu erwarten ist.

BAG entscheidet auch

Auch dem BAG (7 ABR 42/13) liegt ein Sachverhalt zur Entscheidung vor, der die Berücksichtigung der Leiharbeitnehmer nach dem MitbestG zum Gegenstand hat. Dort geht es um die Frage, ob die Wahl der Arbeitnehmervertreter nach § 9 Abs. 1 MitbestG als Delegiertenwahl durchzuführen ist, weil einschließlich der Leiharbeitnehmer in der Regel mehr als 8.000 Arbeitnehmer vorhanden sind. Das Hessische LAG (Beschluss vom 11.4.2013 - 9 TaBV 308/12) hat im Gegensatz zum OLG Hamburg entschieden, dass Leiharbeitnehmer bei der Ermittlung der Arbeitnehmerzahl nach § 9 Abs. 1 und 2 MitbestG zu berücksichtigen sind.

Gesetzgeber (noch) untätig

Zusätzliche Klarheit könnte demnächst (sogar) vom Gesetzgeber kommen. Im Koalitionsvertrag ist verankert, dass zur Erleichterung der Arbeit der Betriebsräte gesetzlich klargestellt werde, dass Leiharbeitnehmer bei den betriebsverfassungsrechtlichen Schwellenwerten grundsätzlich zu berücksichtigen sind, sofern dies der Zielrichtung der jeweiligen Norm nicht widerspricht. Bislang sind jedoch keine gesetzgeberischen Aktivitäten bekannt.

Mitzählen im BetrVG und KSchG

Die Kehrtwende des BAG beim Mitzählen von Leiharbeitnehmern erfolgte zunächst für den Bereich des Betriebsverfassungsrechtes. So sind die gemäß § 7 S. 2 BetrVG wahlberechtigten  Leiharbeitnehmer bei der Ermittlung des für Betriebsänderungen maßgeblichen Schwellenwertes in § 111 S. 1 BetrVG zu berücksichtigen (BAG, Urteil vom 18.10.2011 - 1 AZR 335/10). Auch bei der Bestimmung der Betriebsratsgröße nach § 9 S. 1 BetrVG sind Leiharbeitnehmer grundsätzlich mitzuzählen (BAG, Urteil vom 13.3.2013 - 7 ABR 69/11). Zudem hat das BAG bereits die Einbeziehung der Leiharbeitnehmer auf die Bestimmung der Betriebsgröße nach § 23 Abs. 1 S. 3 KSchG ausgeweitet (Urteil vom 24.1.2013 – 2 AZR 140/12).

Fazit

Es bleibt abzuwarten, wie sich der BGH und das BAG zu einer Berücksichtigung von Leiharbeitnehmern bei den Schwellenwerten der Unternehmensmitbestimmung positionieren. Insgesamt ist angesichts der Vielzahl von arbeitsrechtlichen Schwellenwerten in jedem Einzelfall zu prüfen, ob es bereits eine gefestigte Rechtsprechung gibt oder ob sich einzelne Rechtsgedanken bisheriger Entscheidungen übertragen lassen.

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