12.08.2019Fachbeitrag

BRX Update: Beihilferecht August 2019

Öffentliche Finanzierung von Infrastruktur

Die Europäische Kommission hat nach dem Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union nur begrenzte Befugnisse im Bereich der Infrastrukturpolitik hat (diese fällt nach wie vor in die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten). Dennoch haben die jüngsten Urteile des EuGH zu Häfen und Flughäfen es ihr ermöglicht, ihre Rolle in diesem Bereich zu erweitern, indem sie die Vorschriften über staatliche Beihilfen auf die Finanzierung von Infrastrukturen anwendet. Im Jahr 2016 legte die EU-Kommission in ihrer Mitteilung über den Begriff der Beihilfe ihre Überlegungen in Bezug auf verschiedene Arten von Infrastrukturen dar, darunter Häfen, Flughäfen, Breitband, Energie, Forschung, Eisenbahn, Straßen, Wasserwege und Wasserversorgung.

Drei mögliche Gruppen von Beihilfeempfängern

Staatliche Beihilfen für Infrastrukturen sind auf drei verschiedenen Ebenen zu finden. Es können Beihilfen für den Bau von Infrastrukturen (einschließlich Modernisierung und Verbesserung) gewährt werden, von denen die Bauherren oder Eigentümer profitieren. Wenn Beihilfen für den Infrastrukturbetrieb gewährt werden, profitieren die Betreiber. Schließlich kann die öffentliche Finanzierung auch den Endverbrauchern, die sie nutzen, zugutekommen.

Wirtschaftliche oder nichtwirtschaftliche Tätigkeit

Nach einem von der Rechtsprechung entwickelten Grundsatz fallen Beihilfen für den Infrastrukturbau in den Anwendungsbereich der Regeln für staatliche Beihilfen, wenn sie untrennbar mit einer wirtschaftlichen Tätigkeit verbunden sind. Der Bau von Infrastrukturen gilt jedoch als nichtwirtschaftliche Tätigkeit, wenn sie mit der Ausübung öffentlicher Gewalt verbunden sind (z.B. militärische Einrichtungen, Zoll, Flugsicherung) oder wenn es nicht beabsichtigt ist, die Infrastruktur zu nutzen, um Waren und Dienstleistungen auf einem Markt anzubieten (z.B. Straßen zur unentgeltlichen Nutzung).

Bewertungskriterien für staatliche Beihilfen

Eine Förderung, die einem Unternehmen einen Vorteil verschafft, gilt als staatliche Beihilfe, wenn sie dem Staat zugerechnet werden kann und aus staatlichen Mitteln finanziert wird. Darüber hinaus muss dieser Vorteil selektiv sein (also nicht für alle zugänglich) und geeignet sein, den Wettbewerb und den Handel zwischen den Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen.

Wettbewerbsverzerrung und Auswirkungen auf den zwischenstaatlichen Handel

Die Regeln für staatliche Beihilfen gelten nicht für Situationen, in denen ein überwiegend lokales Einzugsgebiet betroffen ist und wo nachgewiesen wird, dass die betreffende Infrastruktur nur geringfügige Auswirkungen auf den Wettbewerb hat. Dies kann der Fall sein, wenn die Infrastruktur nur über sehr wenige Nutzer außerhalb des betreffenden Mitgliedstaats verfügt oder wenn grenzüberschreitende Investitionen auf dem relevanten Markt nicht möglich oder sehr gering sind.

Private Investor Test

Die Vorschriften für staatliche Beihilfen gelten nicht, wenn nachgewiesen werden kann, dass der Staat bei der Finanzierung der Infrastrukturentwicklung wie ein privater Investor aufgetreten ist (d.h. ein privater, marktwirtschaftlich orientierter Investor hätte in gleicher Weise gehandelt). In diesem Fall ist das Kriterium "wirtschaftlicher Vorteil" nicht erfüllt und die Vorschriften für staatliche Beihilfen sind nicht anwendbar.

Abgrenzung bei gemischter Nutzung

Im Falle einer gemischten Nutzung (wirtschaftlich und nicht-wirtschaftlich), muss insbesondere durch getrennte Buchführung gewährleistet werden, dass die staatlichen Zuwendungen nichtwirtschaftlicher Tätigkeiten nicht zur Quersubventionierung der wirtschaftlichen Tätigkeiten genutzt werden, es sei denn die wirtschaftliche Tätigkeit hat einen so geringen Umfang, dass sie eine reine Nebentätigkeit darstellt. Die EU-Kommission vermutet eine Nebentätigkeit, wenn für beide Arten von Tätigkeiten gleiche Produktionsfaktoren erforderlich sind (z.B. Forschungseinrichtungen, die gelegentlich ihre Ausrüstungen vermieten) oder wenn es sich um übliche Zusatzleistungen (z.B. Restaurants, Parkplätze) handelt. Es wird hierbei grundsätzlich davon ausgegangen, dass solche Zusatzleistungen nicht dazu dienen, Kunden aus anderen Mitgliedsstaaten anzuziehen.

Projektentwickler oder Eigentümer als Begünstigte staatlicher Beihilfen

Wenn die Maßnahme, durch die der Staat den Projektentwickler oder Eigentümer der Infrastruktur unterstützt, als staatliche Beihilfe angesehen wird, weil sie die oben genannten Kriterien erfüllt (Artikel 107 Absatz 1 AEUV), gilt dieser als Begünstigter, unabhängig davon, ob er die Infrastruktur selbst nutzt oder sie Drittanbietern zur Verfügung stellt.

Infrastrukturbetreiber als Begünstigte staatlicher Beihilfen

Die Kommission nimmt eine staatliche Beihilfe für Infrastrukturbetreiber an, wenn sie durch die Nutzung der Infrastruktur Vorteile erhalten, die sie unter „normalen Marktbedingungen“ nicht erhalten hätten.

Sie geht davon aus, dass ein wirtschaftlicher Vorteil ausgeschlossen werden kann, wenn die Konzession für den Betrieb der Infrastruktur aufgrund eines ordnungsgemäßen Ausschreibungsverfahrens zu einem vorteilhaften Preis vergeben wird.

Endnutzer von Infrastrukturen als Begünstigte staatlicher Beihilfen

Endnutzer profitieren von einer öffentlichen Finanzierung, wenn einer der o.g. Begünstigten staatliche Beihilfen erhält oder über staatliche Mittel verfügt, die dem Endnutzer einen Vorteil verschaffen. Dies setzt voraus, dass der Endnutzer ein Unternehmen ist und die Infrastruktur ihm nicht zu Marktbedingungen zur Verfügung gestellt wird. Staatliche Beihilfen sind in der Regel ausgeschlossen, wenn die für die Nutzung der Infrastruktur gezahlten Gebühren im Wege eines ord-nungsgemäßen Ausschreibungsverfahrens festgesetzt worden sind.

Fazit

Die jüngste Rechtsprechung neigt dazu, der Kommission mehr Befugnisse in diesem Bereich zu übertragen. Die Entwicklung und Finanzierung von Infrastruktur ist daher kein exklusives Vorrecht der Mitgliedstaaten mehr. Finanzierende Einrichtungen müssen sich der Notwendigkeit bewusst sein, die beihilferechtlichen Regeln einzuhalten, wenn die wirtschaftliche Nutzung der Infrastruktur zu erwarten ist. Heutzutage scheint dies für die meisten Infrastrukturen (mit Ausnahme von Straßen) der Fall zu sein.

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