30.09.2019Fachbeitrag

Update Arbeitsrecht September 2019

Betriebsverfassungsrechtliche Abmahnung – Keine Aufnahme in die Personalakte

ArbG Stuttgart, Beschluss vom 30. April 2019 – 4 BV 251/18

Abmahnungen, mit denen der Arbeitgeber die Amtsausübung von Betriebsratsmitgliedern rügt und Sanktionen nach § 23 BetrVG androht (betriebsverfassungsrechtliche Abmahnungen), dürfen unabhängig von ihrer Rechtmäßigkeit nicht in die Personalakten von Betriebsratsmitgliedern aufgenommen werden. 

Sachverhalt

Das Arbeitsgericht Stuttgart hatte im April 2019 über die Wirksamkeit betriebsverfassungsrechtlicher Abmahnungen sowie über den Anspruch auf Entfernung betriebsverfassungsrechtlicher Abmahnungen aus der Personalakte der abgemahnten Betriebsratsmitglieder zu entscheiden.

Hintergrund der Entscheidung waren Differenzen zwischen den Betriebsparteien hinsichtlich individueller Zielvorgaben in einer Gesamtbetriebsvereinbarung über Prämienvereinbarungen für Außendienstmitarbeiter. Aus diesem Grund wandte sich ein örtlicher dreiköpfiger Betriebsrat per E-Mail an die betroffenen Außendienstmitarbeiter des Standorts. Er ermutigte die Mitarbeiter unter anderem dazu, den individuellen Zielvorgaben zu widersprechen, um so ein vom Gesamtbetriebsrat geplantes Beschlussverfahren zu unterstützen.

Die Arbeitgeberin (eine der führenden Anbieterinnen von Haushaltsgeräten in Deutschland) mahnte daraufhin die drei Betriebsratsmitglieder ab. Sie sieht in dem Schreiben einen schwerwiegenden Verstoß gegen das Gebot der vertrauensvollen Zusammenarbeit und die Friedenspflicht. Für den Wiederholungsfall stellte sie die Einleitung eines Verfahrens nach § 23 Abs. 1 BetrVG in Aussicht. Die Abmahnungen wurden in die jeweilige Personalakte der drei Betriebsratsmitglieder aufgenommen.

Der Betriebsrat als Gremium beantragte daraufhin die Feststellung, dass die erteilten Abmahnungen unwirksam seien. Die einzelnen Betriebsratsmitglieder begehrten die Entfernung der Abmahnung aus ihrer jeweiligen Personalakte.

Entscheidung

Das Arbeitsgericht Stuttgart gab allen Anträgen statt. Die Entfernung der Abmahnung aus der Personalakte hat nach Ansicht des Arbeitsgerichts bereits deshalb zu erfolgen, weil die Arbeitgeberin den Vorwurf einer Amtspflichtverletzung mit der Androhung eines Antrags nach § 23 BetrVG sanktioniere und dies mit dem Arbeitsverhältnis der Betriebsratsmitglieder nichts zu tun habe. Die Aufnahme einer rein betriebsverfassungsrechtlichen Abmahnung in die ausschließlich die individuellen Arbeitsverhältnisse betreffende Personalakte stelle eine unzulässige Vermengung individualrechtlicher und betriebsverfassungsrechtlicher Pflichtenprogramme dar.

Auch sei es ausnahmsweise zulässig, dass der Betriebsrat als Gremium die Unwirksamkeit der Abmahnungen im Wege des Feststellungsantrags geltend mache. Der Betriebsrat habe ein berechtigtes Interesse an der Feststellung, da es ihm darum gehe, dass die Abmahnungen im Rahmen eines künftigen Verfahrens nach § 23 Abs. 1 BetrVG ohne Relevanz blieben. Die Abmahnungen seien zudem unwirksam, da – soweit man die betriebsverfassungsrechtliche Abmahnung überhaupt für zulässig erachtet – jedenfalls eine gewisse Erheblichkeit erforderlich sei. Diese orientiere sich am Normzweck des § 23 Abs. 1 BetrVG. Es wäre ein solches Verhalten des Betriebsratsmitglieds zu verlangen, das sich bereits bei einmaliger Wiederholung, oder jedenfalls bei sehr wenigen Wiederholungen, dazu eignet, in Summe einen groben Verstoß gemäß § 23 Abs. 1 BetrVG zu begründen. Ein solch schwerwiegender Verstoß sei vorliegend nicht gegeben.

Praxishinweis

Ob eine betriebsverfassungsrechtliche Abmahnung überhaupt zulässig ist, ist höchstrichterlich bisher nicht entschieden. Auch das Arbeitsgericht Stuttgart konnte dies offen lassen, weist jedoch ausdrücklich darauf hin, dass aus seiner Sicht vieles dafür spreche, dass betriebsverfassungsrechtliche Abmahnungen gegenüber dem Betriebsrat als Gremium oder gegenüber seinen Mitgliedern per se unzulässig sind. 

In der Praxis ist daher der Nutzen des Ausspruchs einer betriebsverfassungsrechtlichen Abmahnung eher fraglich. Liegt ein grob pflichtwidriges Verhalten eines Betriebsratsmitglieds vor, wird oft die sofortige Einleitung eines Ausschlussverfahrens nach § 23 Abs. 1 BetrVG der bessere Weg sein. Die Rechtsprechung sieht eine betriebsverfassungsrechtliche Abmahnung ohnehin nicht als Voraussetzung eines Ausschlussverfahrens an. Im Einzelfall, wenn das Interesse des Arbeitgebers darin besteht, den Betriebsrat zukünftig zu rechtstreuem Verhalten anzuhalten, kann eine betriebsverfassungsrechtliche Abmahnung als „Warnschuss“ in Betracht gezogen werden. Diese betriebsverfassungsrechtliche Abmahnung darf dann jedoch nicht in die Personalakte eines Betriebsratsmitglieds aufgenommen werden.

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