27.09.2023Fachbeitrag

Update Arbeitsrecht September 2023

Bindungsdauer eines Arbeitgebers an ein Abfindungsangebot

LAG Rheinland-Pfalz Urteil vom 19. Januar 2023 - 5 Sa 135/22

Das LAG Rheinland-Pfalz hat mit Urteil vom 19. Januar 2023 (Az. 5 Sa 135/22) entschieden, dass ein Arbeitgeber an ein Abfindungsangebot dann nicht mehr gebunden ist, wenn der Arbeitnehmer das ihm unterbreitete Angebot auf Abschluss einer Abwicklungsvereinbarung gegen Zahlung dieser Abfindung abgelehnt hat. Eine Bindung des Arbeitgebers ergebe sich weder aus den allgemeinen Grundsätzen des Vertragsrechts noch aus dem arbeitsgerichtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz.

A.        Sachverhalt

Der im Jahre 1961 geborene, verheiratete Kläger war seit September 1989 bei der Beklagten als Kraftfahrer zu einer monatlichen Bruttovergütung von zuletzt € 3.285,00 beschäftigt. Kraft arbeitsvertraglicher Vereinbarung fand auf das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis der Manteltarifvertrag für den Einzelhandel in Rheinland-Pfalz Anwendung. Aufgrund seines Lebensalters sowie aufgrund der Dauer seiner Betriebszugehörigkeit war der Kläger ordentlich nicht kündbar. Ein Betriebsrat bestand bei der Beklagten nicht.

Am 30. September 2020 erteilte die Beklagte dem Kläger eine schriftliche Abmahnung, da dieser gegen die im Betrieb der Beklagten bestehende Pflicht zum Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes während der Corona-Pandemie verstoßen hatte. Gegen diese Abmahnung erhob der Kläger in dem hinzuverbundenen Parallelverfahren (Az. 5 Ca 1291/20) Klage. In dem Zeitraum vom 28. September 2020 bis zum 07. Mai 2021 war der Kläger arbeitsunfähig erkrankt. Mit Schreiben vom 19. Juli 2021 stellte die Beklagte den Kläger unwiderruflich von der Erbringung seiner Arbeitsleistung frei.

Im Januar 2021 trafen die Gesellschafter der Beklagten die unternehmerische Entscheidung, den Geschäftsbetrieb zum 31. August 2021 einzustellen. Die Beklagte erstattete Massenentlassungsanzeige bei der Agentur für Arbeit und kündigte sodann die Arbeitsverhältnisse sämtlicher Arbeitnehmer.

Mit Schreiben vom 20. Januar 2021 kündigte die Beklagte das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis außerordentlich unter Einhaltung einer sozialen Auslauffrist bis zum 31. August 2021.

Ab dem 21. Januar 2021 führte die Beklagte mit den Arbeitnehmern Einzelgespräche über den Abschluss von Abwicklungsvereinbarungen. Die Beklagte unterbreitete dem Kläger am 28. Januar 2021 eine Abwicklungsvereinbarung mit dem folgenden Wortlaut:

 

„Abwicklungsvereinbarung …

1.         Arbeitgeber und der Arbeitnehmer sind sich darüber einig, dass das zwischen ihnen bestehende Arbeitsverhältnis aufgrund der Kündigung vom 20.01.2021 aus betriebsbedingten Gründen unter Wahrung der ordentlichen Kündigungsfrist mit Ablauf des 31.08.2021 enden wird.

2.         Bis zum 31.08.2021 wird das Arbeitsverhältnis ordnungs- und vertragsgemäß abgerechnet und abgewickelt.

3.         Der Arbeitgeber zahlt an den Arbeitnehmer für den Verlust des sozialen Besitzstandes eine Sozialplanabfindung in entsprechender Anwendung der §§ 9, 10 KSchG in Höhe von 0,25 Gehältern je Beschäftigungsjahr, berechnet gemäß Ziff. 5 dieser Vereinbarung und fällig zum Zeitpunkt der Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Der Abfindungsanspruch entsteht sogleich mit Abschluss dieser Vereinbarung und ist daher gegebenenfalls vererblich.

4.         Der Arbeitgeber legt Wert darauf, dass das Arbeitsverhältnis möglichst lange – möglichst bis zum 30.06.2021 – fortgeführt wird. Vor diesem Hintergrund sichert der Arbeitgeber zu, die Abfindung gemäß Ziff. 3 dieser Vereinbarung jeweils gestaffelt zu erhöhen, sofern das Arbeitsverhältnis jeweils mindestens bis zu den genannten Zeitpunkten fortgeführt wird; andernfalls verbleibt es bei der Abfindung gemäß Ziff. 3 dieser Vereinbarung:

Besteht das Arbeitsverhältnis wenigstens bis einschließlich zum 28.02.2021 fort, so zahlt der Arbeitgeber 0,5 Gehälter je Beschäftigungsjahr.

Besteht das Arbeitsverhältnis über den 28.02.2021 hinaus wenigstens bis einschließlich zum 30.04.2021 fort, so zahlt der Arbeitgeber 0,75 Gehälter je Beschäftigungsjahr.

Besteht das Arbeitsverhältnis bis einschließlich zum 30.06.2021 fort, so zahlt der Arbeitgeber 1,0 Gehälter je Beschäftigungsjahr.

Auch diese erhöhten Abfindungen werden jeweils berechnet gemäß Ziff. 5 dieser Vereinbarung und sind fällig zum Zeitpunkt der Beendigung des Arbeitsverhältnisses.

5.         Die konkrete Abfindungssumme wird, sobald bekannt ist, zu welchem Zeitpunkt der Mitarbeiter aus dem Arbeitsverhältnis ausscheidet, auf der Basis der dann zurückliegenden 12 Monate vor dem Zeitpunkt der Beendigung des Arbeitsverhältnisses – die letzten drei Monate des Arbeitsverhältnisses ausgenommen – berechnet nach der Formel: Abfindung = Beschäftigungsdauer x Bruttomonatsbezüge x Faktor, wobei der Faktor gemäß Ziff. 4 abhängig von dem Zeitpunkt ist, bis zu dem das Arbeitsverhältnis fortbesteht.

Berechnungsgrundlage für die Bruttomonatsbezüge sind die 12 Monate, dievor den letzten drei Monaten des Bestehens des Arbeitsverhältnisses liegen. Über diese 12 Monate wird der Durchschnitt ermittelt.

In die durchschnittlichen Bruttomonatsbezüge fließen das Grundgehalt ein sowie die nachfolgenden Vergütungsbestandteile unter der Voraussetzung, dass diese im relevanten 12-Monats-Zeitraum gezahlt wurden: die Vergütung für geleistete Mehrarbeit, Urlaubsgeld, tarifliche Sonderzuwendung (Weihnachtsgeld), die Einmalzahlung im Oktober, Zulagen, Zuschläge und Ausgleichszahlungen.

Bei der Berechnung der Abfindung bleiben, zugunsten des Mitarbeiters, Monate ohne Arbeitsentgelt und Monate mit lediglich Teilentgelt unberücksichtigt, wobei sich der Teiler 12 in diesem Fall entsprechend um die Monate ohne Entgelt bzw. mit lediglich Teilentgelt reduziert.

Für Mitarbeiter, die im Betrachtungszeitraum keine Entgeltzahlung erhalten haben (z.B. Langzeiterkrankte, Mitarbeiter/innen in Elternzeit) wird der Durchschnitt der letzten drei vollen Tätigkeitsmonate vor der Abwesenheit zu Grunde gelegt.

6.         Informatorisch teilen wir mit, dass sich unter Berücksichtigung lediglich Ihres Grundgehalts (die gleiche Tätigkeit und einen gleichbleibenden Beschäftigungsumfang wie aktuell unterstellt) und Ihrer Beschäftigungsdauer bis einschließlich zum 31.08.2021 auf der Basis des Faktors 1,0 ein Abfindungsanspruch in Höhe von 104.298,75 € brutto ergeben wird, der sich allerdings unter Berücksichtigung der in Ziff. 5 genannten zusätzlichen Vergütungsbestandteile noch erhöhen wird. Die genaue Berechnung der Abfindung erfolgt wie unter Ziff. 5 beschrieben zum Zeitpunkt der Beendigung des Arbeitsverhältnisses.“

Der Prozessbevollmächtigte des Klägers antwortete auf das Angebot der Beklagten mit anwaltlichem Schreiben vom 05. Februar 2021. Er rügte die Unbestimmtheit der Abwicklungsvereinbarung und stellte mehrere Fragen zum Inhalt. Ferner rügte er die Tatsache, dass der Kläger, dessen Arbeitsverhältnis am 31. August 2021 enden sollte, gegenüber den Arbeitnehmers, deren Arbeitsverhältnisse zum 30. Juni 2021 enden sollten, im Hinblick auf die Berechnungsgrundlage schlechter gestellt sei, da in den Monaten März, April und Mai deutlich weniger Arbeit anfiele und damit deutlich weniger Zulagen gezahlt würden. Daher komme für den Kläger lediglich eine Beendigung zum 30. Juni 2021 in Betracht. Der Prozessbevollmächtigte des Klägers erklärte, dieser sei grundsätzlich vergleichsbereit, „jedoch nicht um jeden Preis“ und auch „nicht im Ungewissen über die Höhe der Abfindung und der Modalitäten“. Im Fall des Klägers solle die Abfindungssumme „vor Abschluss der Vereinbarung“ „fix“ feststehen, damit „sodann, wenn beiderseitig gewünscht, die Vereinbarung unterzeichnet werden“ könne.

Am 11. Februar 2021 erhob der Kläger vor dem Arbeitsgericht Trier Kündigungsschutzklage, die der Beklagten am 17. Februar 2021 zugestellt wurde.

Mit E-Mail vom 24. Februar 2021 teilte der Prozessbevollmächtigte der Beklagten dem Klägervertreter mit, „dass sich [die Beklagte] infolge Nichtannahme der […] vorgeschlagenen Abwicklungsvereinbarung durch [den Kläger] an die vorgeschlagenen Regelungen nicht länger gebunden fühlt und den Vorschlag der Abwicklung hiermit zurücknimmt.“

Mit Schreiben vom 19. März 2021 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis des Klägers vorsorglich nochmals mit Wirkung zum 31. Oktober 2021, woraufhin der Kläger seine Klage erweiterte. Zuletzt bot die Beklagte dem Kläger mit E-Mail vom 23. April 2021 eine Abfindung in Höhe von 37.880,13 Euro (Faktor 0,25) an, was der Kläger ablehnte.

B.        Verfahrensgang

Der Kläger begehrte mit seiner erstinstanzlichen Klage vor dem Arbeitsgericht Trier die Feststellung der Unwirksamkeit der beiden Kündigungen vom 20. Januar 2021 und vom 19. März 2021, die Entfernung der Abmahnung vom 30. September 2020 aus der Personalakte sowie die Zahlung einer Abfindung durch die Beklagte gemäß §§ 9, 10 KSchG, hilfsweise in Höhe von wenigstens 104.298,75 Euro.

Das Arbeitsgericht Trier hat die Klage mit Urteil vom 16. März 2022 abgewiesen. Für die außerordentliche betriebsbedingte Kündigung der Beklagten vom 20. Januar 2021 mit Auslauffrist bestehe wegen der beabsichtigten Betriebsstilllegung ein wichtiger Grund im Sinne von § 626 Abs. 1 BGB. Nach der Beendigung seines Arbeitsverhältnisses am 31. August 2021 habe der Kläger keinen Anspruch auf Entfernung der Abmahnung aus der Personalakte, da diese ihm dann nicht mehr schaden könne. Der Kläger habe auch keinen Anspruch auf Zahlung einer Abfindung, da das anwaltliche Schreiben vom 05. Februar 2021 als Ablehnung des Angebotes der Beklagten im Sinne von § 150 Abs. 2 BGB auszulegen sei.

Gegen dieses Urteil hat der Kläger am 27. Mai 2022 Berufung eingelegt und diese sodann fristgerecht begründet. Er wendet sich gegen die Abweisung seines erstinstanzlichen Antrags auf Zahlung einer Abfindung, hilfsweise in Höhe von wenigstens 104.298,75 Euro.

C.        Die Entscheidungsgründe des LAG Rheinland-Pfalz

Das LAG Rheinland-Pfalz hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen.

Dem Kläger stehe gegen die Beklagte kein Anspruch auf Zahlung einer Abfindung in unbezifferter Höhe, hilfsweise in Höhe von wenigstens 104.298,75 Euro zu.

I.          Unzulässigkeit des unbezifferten Hauptantrages

Der unbezifferte Hauptantrag des Klägers sei wegen Verstoßes gegen den zivilprozessualen Bestimmtheitsgrundsatz aus § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO bereits unzulässig. Der Antrag des Klägers auf Zahlung einer Abfindung „gemäß der undatierten, ihm mit Schreiben vom 28. Januar 2021 angebotenen Abwicklungsvereinbarung“ sei unbeziffert und ohne jeglichen vollstreckungsfähigen Inhalt. Mangels Kenntnis der Lohnabrechnungen des Klägers aus dem maßgeblichen Bemessungszeitraum wäre der Kammer eine Berechnung der Abfindungshöhe auch gar nicht möglich.

II.         Unbegründetheit des bezifferten Hilfsantrages

Der Hilfsantrag auf Zahlung einer Abfindung in Höhe von wenigstens 104.298,75 Euro sei jedoch zulässig. Dieser sei jedoch unbegründet.

1.         Kein Abfindungsanspruch gemäß § 112 BetrVG

Ein Anspruch des Klägers gegen die Beklagte auf Zahlung einer Abfindung ergebe sich zunächst nicht aus § 112 BetrVG. Da bei der Beklagten kein Betriebsrat bestand, war sie nicht zur Aufstellung eines Sozialplanes verpflichtet.

2.            Kein Abfindungsanspruch gemäß §§ 9, 10, 13 KSchG

Ein solcher Anspruch ergebe sich auch nicht aus §§ 9, 10, 13 KSchG. Denn die Auflösung des Arbeitsverhältnisses gegen Zahlung einer Abfindung nach diesen Vorschriften setzt die Sozialwidrigkeit einer ordentlichen Kündigung oder bei tariflichem Sonderkündigungsschutz die Rechtsunwirksamkeit einer außerordentlichen Kündigung voraus. Vorliegend war die außerordentliche betriebsbedingte Kündigung des Klägers vom 20. Januar 2021 mit sozialer Auslauffrist bis zum 31. August 2021 jedoch nicht sozialwidrig, sondern vielmehr wirksam.

3.         Kein Abfindungsanspruch analog § 1a KSchG

Ein Abfindungsanspruch des Klägers folge auch nicht aus einer analogen Anwendung von
§ 1a KSchG. Danach kann ein tarifvertraglich ordentlich unkündbarer Arbeitnehmer bei einer betriebsbedingten außerordentlichen Kündigung mit einer Auslauffrist eine Abfindung beanspruchen, wenn ihm der Arbeitgeber kündigt und er gleichzeitig darauf hinweist, dass die Kündigung betriebsbedingt erfolgt und der Arbeitnehmer bei Verstreichenlassen der Klagefrist § 4 KSchG eine Abfindung in gesetzlich festgelegter Höhe (Faktor 0,5) beanspruchen kann. Der Arbeitnehmer hat damit die Wahl, entweder das Risiko einer erfolglosen Kündigungsschutzklage einzugehen und gegebenenfalls keine Abfindung zu erhalten oder auf eine Klage zu verzichten und eine Abfindung in der gesetzlichen Höhe zu erhalten. Nach dem Wortlaut des Kündigungsschreibens vom 20. Januar 2021 war darin jedoch kein Angebot analog § 1a KSchG zu sehen. Die Beklagte bot dem Kläger lediglich mit Schreiben vom 28. Januar 2021 eine Abwicklungsvereinbarung an, wonach die Erhebung einer Kündigungsschutzklage unschädlich sein sollte und die Abfindung grundsätzlich mit dem Faktor 0,25 berechnet werden sollte und eine Erhöhung unter bestimmten Voraussetzungen bis zu dem Faktor 1,0 erfolgen sollte.

4.         Kein vertraglicher Abfindungsanspruch

Der Kläger habe gegen die Beklagte auch keinen vertraglichen Anspruch auf Zahlung einer Abfindung, da er das schriftliche Angebot der Beklagten vom 28. Januar 2021 hinsichtlich des Abschlusses einer Abwicklungsvereinbarung gegen Zahlung einer Abfindung mit anwaltlichen Schreiben vom 05. Februar 2021 abgelehnt hat.

Es fehle an den für einen wirksamen Vertragsschluss erforderlichen übereinstimmenden Willenserklärungen Angebot und Annahme, vgl. §§ 145, 147 BGB. Zwar liege das Angebot gemäß § 145 BGB in dem Schreiben der Beklagten vom 28. Januar 2021. Der Kläger habe dieses Angebot jedoch nicht so, wie es ausgestaltet war, angenommen. Dies bedeute rechtlich, dass er das Vertragsangebot der Beklagten abgelehnt hat. Das ursprünglich von der Beklagten gemachte Angebot sei damit erledigt gewesen, da eine Annahme unter Erweiterungen, Einschränkungen oder sonstigen Änderungen gemäß § 150 Abs. 2 BGB als Ablehnung verbunden mit einem neuen Angebot gilt. Aus § 150 Abs. 2 BGB ergebe sich, dass eine wirksame Annahme nur dann gegeben ist, wenn sie dem Angebot inhaltlich entspricht, also mit diesem deckungsgleich ist.

Ob eine Abweichung vorliegt, sei im Wege der Auslegung nach dem objektiven Empfängerhorizont - mithin aus der Sicht der Beklagten - unter Berücksichtigung der Verkehrssitte zu ermitteln (§§ 133, 157 BGB). Aus objektiver Empfängersicht habe der Kläger das Angebot der Beklagten mit dem anwaltlichen Schreiben vom 05. Februar 2021 abgelehnt. Denn mit diesem Schreiben habe der Kläger deutlich zum Ausdruck gebracht, dass er das Angebot in der von der Beklagten unterbreiteten Form auf keinen Fall annimmt, sondern weitgehende inhaltliche Änderungen für erforderlich hält. Ferner habe der Kläger unmissverständlich klar gemacht, dass er die Abwicklungsvereinbarung nur abschließen wolle, wenn die Abfindungssumme „fix feststeht“. Solange er „im Ungewissen über die Höhe der Abfindung und der Modalitäten“ ist, wolle er keine Abwicklungsvereinbarung unterzeichnen.

Nach der Ablehnung des Klägers sei die Beklagte an ihr Angebot nicht mehr gebunden. Dies sei nach Ansicht des Gerichts nicht treuwidrig, sondern entspreche den allgemeinen Grundsätzen des Vertragsrechts.

5.         Kein Abfindungsanspruch gestützt auf den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz

Einen Abfindungsanspruch kann der Kläger auch nicht auf den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz stützen.

Der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz verlangt, dass ein Arbeitgeber, der bestimmten Arbeitnehmern freiwillig nach einem erkennbaren generalisierenden Prinzip Leistungen gewährt, diese Leistung auch solchen Arbeitnehmern gewährt, die sich in gleicher oder vergleichbarer Lage befinden. Untersagt ist dem Arbeitgeber danach sowohl eine willkürliche Schlechterstellung einzelner Arbeitnehmer innerhalb einer Gruppe als auch eine sachfremde Gruppenbildung. Der Gleichbehandlungsgrundsatz beschränkt die Gestaltungsmacht des Arbeitgebers. Wird er verletzt, so ist der Arbeitgeber dazu verpflichtet, die von ihm gesetzte Regel entsprechend zu korrigieren. Der benachteiligte Arbeitnehmer hat in diesem Fall Anspruch auf die vorenthaltene Leistung.

Lehnt ein Arbeitnehmer - wie der Kläger - das an alle Arbeitnehmer gerichtete Angebot des Arbeitgebers auf Abschluss eines Abwicklungsvertrages ab, so scheide eine Verletzung des arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes bereits deshalb aus, weil die sich daraus ergebende Gruppenbildung nicht auf einer vom Arbeitgeber selbst aufgestellten Regel sondern vielmehr auf der Weigerung einzelner Arbeitnehmer beruhe.

So liegen die Dinge hier. Die Ungleichbehandlung des Klägers habe im vorliegenden Fall ausschließlich auf dessen Ablehnung des Abwicklungsangebotes beruht, der dessen privatautonome Entscheidung zugrunde lag. Die Beklagte habe dagegen den Anforderungen des arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes genügt, indem sie sämtlichen Arbeitnehmern, die von der beabsichtigten Betriebsstilllegung betroffen waren, ein Abwicklungsangebot mit den gleichen abstrakten, generalisierenden Voraussetzungen für die Zahlung einer Abfindung unterbreitet hat.

6.         Kein Abfindungsanspruch wegen Verstoßes gegen das Maßregelungsverbot nach § 612a BGB

Ein Anspruch des Klägers gegen die Beklagte auf Zahlung einer Abfindung in der beantragten Höhe ergebe sich auch nicht aus einem Verstoß gegen das Maßregelungsverbot gemäß § 612a BGB. Gemäß § 612a BGB darf der Arbeitgeber einen Arbeitnehmer bei einer Vereinbarung oder einer Maßnahme nicht benachteiligen, weil der Arbeitnehmer in zulässiger Weise seine Rechte ausübt. Eine Benachteiligung ist vorliegend jedoch nicht gegeben, da die Beklagte dem Kläger dieselbe Abwicklungsvereinbarung angeboten hat wie den übrigen Arbeitnehmern. In der Weigerung der Beklagten, dem Kläger eine „fixe“ Abfindungssumme anzubieten oder mit ihm über die Modalitäten der Abwicklungsvereinbarung zu verhandeln, liegt keine Maßregelung im Sinne von § 612a BGB.

D.        Praxishinweis

Die vorliegende Entscheidung zeigt, dass die Ablehnung eines dem Arbeitnehmer im Rahmen einer Betriebsänderung vom Arbeitgeber unterbreiteten Abwicklungsangebotes gut überlegt sein sollte. Dies gilt insbesondere in solchen Betrieben, bei denen kein Betriebsrat gewählt ist. Denn der Arbeitgeber ist an sein Abfindungsangebot nach der Ablehnung durch den Arbeitnehmer nicht mehr gebunden, was bedeutet, dass er jederzeit davon Abstand nehmen und gar keine oder eine deutlich geringere Abfindungssumme anbieten kann. Der Abschluss eines Vergleichs über eine Abfindung in einem sich anschließenden arbeitsgerichtlichen Verfahren steht dann zur freien Disposition der Parteien.

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