26.10.2022Fachbeitrag

Update Arbeitsrecht Oktober 2022

Einvernehmliche Beendigung eines inhaltlich unzureichenden betrieblichen Eingliederungsmanagements

LAG Düsseldorf 17.05.2022 – 14 Sa 825/21

Einleitung

Bei häufigen (Kurz-)Erkrankungen bedarf es zur Rechtfertigung einer Kündigung nicht nur einer negativen Gesundheitsprognose. Es ist zudem zwingend erforderlich, dass die Kündigung verhältnismäßig ist, also keine milderen Mittel zur Vermeidung oder Verringerung künftiger Fehlzeiten vorhanden sind. Um dies feststellen zu können, wird vor Ausspruch einer personenbedingten Kündigung ein sogenanntes betriebliches Eingliederungsmanagement (bEM) durchgeführt. Es kann dabei vorkommen, dass das bEM vorzeitig beendet wird. Das LAG Düsseldorf hatte sich in diesem Zusammenhang jüngst mit der Frage auseinanderzusetzen, ob ein bEM als ordnungsgemäß abgeschlossen gilt, wenn es von den Vertragsparteien vorzeitig einvernehmlich beendet wird.

Sachverhalt

Der klagende Arbeitnehmer war als Luftsicherheitsassistent bei der beklagten Arbeitgeberin, einer Sicherheitsfirma die Fluggastkontrollen anbot, beschäftigt. Der Kläger war in dem Zeitraum von August 2018 bis März 2021, erst befristet und später unbefristet, bei der Beklagten angestellt. Er verbuchte in den Jahren 2019 und 2020 allein 118 krankheitsbedingte Fehltage. Die Beklagte entrichtete hierfür Entgeltfortzahlungen in Höhe von rund € 10.000,00 brutto. Im Juli 2020 lud die Beklagte den Kläger zu einem Klärungsgespräch im Rahmen des bEM ein. Es sollten die Krankheitsursachen ermittelt und ein gemeinsamer Weg gefunden werden, um zukünftige krankheitsbedingte Ausfälle des Klägers präventiv zu verhindern. 

Während des bEM teilte der Kläger der Beklagten mit, dass die Ursachen seiner Ausfälle hauptsächlich stressbedingt und auf Ereignisse aus der nahen Vergangenheit zurückzuführen seien. Diese würden ihn nicht weiter belasten. Er sicherte der Beklagten für die Zukunft seine volle Einsatzfähigkeit zu. Aus diesem Grund vereinbarten die Vertragsparteien, das bEM einvernehmlich zu beenden, ohne den Suchprozess bis zum geplanten Ende fortzusetzen.

Aufgrund weiterer krankheitsbedingter Fehlzeiten kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger ordentlich. Mit seiner Kündigungsschutzklage war der Kläger in der ersten Instanz vor dem Arbeitsgericht Düsseldorf erfolgreich. Der von der Beklagten eingelegten Berufung gegen das erstinstanzliche Urteil gab das LAG Düsseldorf statt.

Entscheidung

Das LAG Düsseldorf hat festgestellt, dass die ordentliche Kündigung der Beklagten rechtswirksam ist. Der Arbeitgeber sei berechtigt davon ausgegangen, dass die Krankheiten, die in der Vergangenheit Grundlage des krankheitsbedingten Ausfalls waren, auch in Zukunft andauern werden. Die prognostizierten Fehlzeiten haben auch zu einer erheblichen Beeinträchtigung der betrieblichen Interessen geführt. Im Rahmen der notwendigen Interessensabwägung hat das LAG Düsseldorf festgestellt, dass kein milderes Mittel zur Vermeidung oder Verringerung der Fehlzeiten des Klägers ersichtlich gewesen ist. Das von der Beklagten durchgeführte bEM, das von den Vertragsparteien gemeinsam einvernehmlich beendet worden ist, habe kein milderes Mittel aufgezeigt. 

Das LAG Düsseldorf hat sich besonders mit der Frage auseinandergesetzt, ob ein unvollständiges bEM als fehlerhaft zu beurteilen ist, wenn es von den Vertragsparteien einvernehmlich abgeschlossen worden ist. Das LAG Düsseldorf weist zutreffend darauf hin, dass die Arbeitsvertragsparteien das bEM einvernehmlich abschließen können. Dies kann auch zu einem Zeitpunkt erfolgen, an dem der Suchprozess des bEM noch nicht vollständig durchgeführt worden ist.

Das LAG Düsseldorf begründet dies wie folgt: Ein Arbeitnehmer könne von vornherein die Zustimmung zur Durchführung eines bEM nicht erteilen. Im Umkehrschluss könne er auch ein bEM einvernehmlich beenden, und zwar unabhängig davon, wie weit es vorangebracht wurde. Der Arbeitgeber verletzt seine Pflichten aus § 167 Abs. 2 SGB IX nicht, wenn er den Prozess anstößt und dem Arbeitnehmer die Ziele des bEM und die beabsichtigte Datenverarbeitung aufgezeigt hat, aber der derart informierte Arbeitnehmer sich auf das freiwillige bEM-Verfahren nicht einlässt. Es komme somit im Ergebnis entscheidend darauf an, ob der Arbeitnehmer die notwendigen Kenntnisse über das bEM-Verfahren besaß, um beurteilen zu können, ob es beendet oder fortgesetzt werden sollte. Diese Voraussetzungen habe die Beklagte ordnungsgemäß erfüllt.

Das LAG Düsseldorf hat entgegen der Ansicht des Klägers ein erneutes bEM nicht als gebotenes Mittel in der Interessensabwägung anerkannt. Liegen trotz des erfolgten bEM objektive Tatsachen vor, die eine Fortsetzung des Ausfalls nahelegen, sei der Arbeitgeber weder verpflichtet ein weiteres bEM durchzuführen, noch anderweitige Beschäftigungsmöglichkeiten zu prüfen.

Praxishinweise

Die Entscheidung des LAG Düsseldorf macht für Arbeitgeber noch einmal deutlich, dass bei krankheitsbedingt ausfallenden Arbeitnehmern unbedingt zu prüfen ist, ob ein bEM durchgeführt werden muss. Ist dies der Fall, gilt besondere Sorgfalt bei der Durchführung, um der Darlegungs- und Beweislast in einem etwaigen Rechtsstreit gerecht zu werden. Der Arbeitgeber trägt insbesondere auch für die Verhältnismäßigkeit der Kündigung gemäß § 1 Abs. 2 S. 4 KSchG die Darlegungs- und Beweislast. Hierzu kann er sich auf die Feststellungen aus dem bEM berufen, dass alle in Frage kommenden milderen Maßnahmen geprüft worden sind und der Ausspruch einer personenbedingten Kündigung verhältnismäßig ist.

Für einen Arbeitgeber ist es wichtig darauf zu achten, die Einleitung eines bEM-Verfahrens ordnungsgemäß durchzuführen. Dabei sind insbesondere die notwendigen Hinweise auf die Ziele des beM und die beabsichtigte Datenvereinbarung erforderlich. Wenn der Arbeitnehmer ausreichend über das bEM-Verfahren informiert worden ist, kann das bEM-Verfahren auch vor Beendigung des Suchprozesses einvernehmlich beendet werden, ohne dass sich daraus Beweisschwierigkeiten für einen etwaig später anstehenden Rechtsstreit für den Arbeitgeber ergeben.
 

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