30.06.2020Fachbeitrag

Update Arbeitsrecht Juni 2020

Kündigungen während Kurzarbeit

Im Zuge der Corona-Krise hat eine Vielzahl von Unternehmen Kurzarbeit eingeführt. Diese dient als arbeitsmarktpolitisches Instrument, das aus Mitteln der Arbeitslosenversicherung finanziert wird, auch dem Erhalt von Arbeitsplätzen. Dies bedeutet indes nicht, dass der Ausspruch von Kündigungen während eines Kurzarbeitszeitraums ausgeschlossen wäre. Insbesondere bleiben personen- und verhaltensbedingte Kündigungen, die mit der Kurzarbeit nicht in Zusammenhang stehen, weiterhin möglich. Hier ergeben sich aufgrund der Kurzarbeit keine Besonderheiten. Anders gestaltet sich die Lage bei Kündigungen aus betriebsbedingten Gründen. Zwar ist der Arbeitgeber grundsätzlich nicht gehindert, betriebsbedingte Kündigungen auszusprechen, wenn er während der Kurzarbeitsphase feststellt, dass entgegen seiner früheren Einschätzung ein Umstand vorliegt, der zu einem dauerhaften Arbeitsausfall führt. Jedoch ist eine Kündigung des Arbeitsverhältnisses während der Kurzarbeit sozialwidrig, wenn sie mit denselben Gründen gerechtfertigt wird, aus denen Kurzarbeit angeordnet worden ist. Denn in diesem Fall besteht für eine betriebsbedingte Kündigung kein gemäß § 1 Abs. 2 S. 1 KSchG notwendiges „dringendes“ betriebliches Erfordernis.

Vorübergehender Charakter des Arbeitsausfalls als Anspruchsvoraussetzung des konjunkturellen Kurzarbeitergeldes

Gemäß § 95 Satz 1 Nr. 1 SGB III setzt der Anspruch von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern auf konjunkturelles Kurzarbeitergeld unter anderem voraus, dass ein erheblicher Arbeitsausfall mit Entgeltausfall vorliegt. Dieser darf gemäß § 96 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB III nur vorübergehend sein. Das Tatbestandsmerkmal „vorübergehend“ knüpft unmittelbar an den Sinn und Zweck des konjunkturellen Kurzarbeitergeldes an, die Arbeitsverhältnisse der Arbeitnehmer zu erhalten. Der „Arbeitsausfall“ ist im Zusammenhang mit den Vorschriften über das konjunkturelle Kurzarbeitergeld deshalb so zu verstehen, dass kein Arbeitswegfall eintreten darf, sondern der Ausfall in absehbarer Zeit behoben werden kann, so dass Vollarbeit in dem Betrieb mit Sicherheit bzw. mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit wieder eintreten wird.

Vor diesem Hintergrund sind die kündigungsschutzrechtlichen Auswirkungen der Kurzarbeit auf die soziale Rechtfertigung von betriebsbedingten Kündigungen, die im Anschluss trotz der Kurzarbeit ausgesprochen werden, von besonderem Interesse. 

Im Zeitpunkt des Kündigungsausspruchs fortgeführte Kurzarbeit als Indiz für einen nur vorübergehend gesunkenen Beschäftigungsbedarf

Das Bundesarbeitsgericht hat in seinem Urteil vom 23. Februar 2012 unterstrichen, dass nur ein dauerhafter, nicht jedoch ein vorübergehender Arbeitsmangel eine betriebsbedingte Kündigung rechtfertigen kann. Wird im Betrieb Kurzarbeit geleistet, so spricht dies nach Auffassung des Bundesarbeitsgerichts gegen einen dauerhaft gesunkenen Beschäftigungsbedarf. Ein dauerhaft gesunkener Arbeitskräftebedarf und daraus resultierender Arbeitskräfteüberhang ist indes Voraussetzung für die soziale Rechtfertigung einer betriebsbedingten Kündigung. Zwar anerkennt das Bundesarbeitsgericht, dass der Arbeitgeber das aus der Kurzarbeit folgende Indiz gegen die Dauerhaftigkeit des reduzierten Arbeitskräftebedarfs durch konkreten Sachvortrag entkräften kann. Die Anforderungen an einen derartigen Sachvortrag dürften allerdings hoch sein. Insbesondere dürften sich Probleme für den Arbeitgeber ergeben, wenn die zu kündigenden Arbeitnehmer selbst unmittelbar von Kurzarbeit betroffen oder jedenfalls in dem Bereich tätig sind, in dem die Kurzarbeit erfolgt bzw. erfolgt ist.

Die Problematik wird dadurch verschärft, dass das Bundesarbeitsgericht das Bestehen dringender betrieblicher Erfordernisse im Sinne von § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG trotz Kurzarbeit bislang nur in Fällen für möglich gehalten hat, in denen die Beschäftigungsmöglichkeit für einzelne von der Kurzarbeit betroffene Arbeitnehmer auf Grund später eingetretener weiterer Umstände oder veränderter wirtschaftlicher und/oder organisatorischer Rahmenbedingungen auf Dauer entfällt. Ob das Bestehen dringender betrieblicher Erfordernisse bei Massenkündigungen trotz Kurzarbeit überhaupt angenommen werden kann, ist bislang nicht entschieden. Die Anforderungen an den Sachvortrag des Arbeitgebers dürften bei einer Fortführung der Kurzarbeit jedenfalls besonders hoch sein.

Relevanz von Betriebsvereinbarungen über Kurzarbeit für die kündigungsschutzrechtliche Beurteilung

Das Bundesarbeitsgericht misst bestehenden Vereinbarungen der Betriebsparteien über Kurzarbeit im Rahmen der Prüfung der sozialen Rechtfertigung von betriebsbedingten Kündigungen, die trotz der Kurzarbeit im Anschluss ausgesprochen werden, besondere Bedeutung bei. Im Urteil vom 23. Februar 2012 führt das Bundesarbeitsgericht aus, die Betriebsvereinbarung über Kurzarbeit, welche die Betriebsparteien geschlossen hätten, zeige, dass sie selbst von einer nur vorübergehenden Reduzierung des Beschäftigungsbedarfs ausgegangen seien. Die Betriebsvereinbarung lege die Erwartung der Betriebsparteien nahe, das frühere oder zumindest ein deutlich höheres Arbeitsvolumen als im Kurzarbeitszeitraum werde in absehbarer Zeit wieder erreicht werden.

Betriebsvereinbarungen über Kurzarbeit können sich für den Arbeitgeber, der betriebsbedingte Kündigungen aussprechen möchte, somit als hinderlich erweisen. Insbesondere in Fällen, in denen durch die betriebsbedingten Kündigungen dieselben Arbeitsplätze wegfallen sollen, die zuvor in Kurzarbeit waren, kann sich der Arbeitgeber schnell dem Vorwurf widersprüchlichen Verhaltens ausgesetzt sehen. Vor diesem Hintergrund sollten bestehende Betriebsvereinbarungen über Kurzarbeit rechtzeitig vor dem Ausspruch der betriebsbedingten Kündigungen durch Kündigung beendet werden. Durch eine rechtzeitige Kündigung der Betriebsvereinbarung über Kurzarbeit kann die nach Auffassung der Rechtsprechung mit der Betriebsvereinbarung zwangsläufig verbundene Erwartung, der Wegfall des Beschäftigungsbedarfs sei nur vorübergehend, beseitigt und die geänderte Einschätzung des Beschäftigungsbedarfs nach außen hin sichtbar manifestiert werden. Der Eintritt einer Situation, in der – wie in dem vom Bundesarbeitsgericht mit Urteil vom 23. Februar 2012 entschiedenen Fall – die Betriebsvereinbarung über Kurzarbeit im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigungserklärungen noch in Kraft ist, sollte demgegenüber dringend vermieden werden.

Folgen der Kündigung während der Kurzarbeit

Werden von Kurzarbeit betroffene Arbeitnehmer gekündigt, haben diese ab dem Tag nach dem Zugang der schriftlichen Kündigung grundsätzlich keinen Anspruch mehr auf Kurzarbeitergeld, so dass die Arbeitnehmer bis zum Ablauf der Kündigungsfrist einen Anspruch auf das ungekürzte Arbeitsentgelt haben, selbst wenn sie nicht (voll) beschäftigt werden können. In der Praxis behandelt die Bundesagentur für Arbeit die Betroffenen allerdings weiterhin als bezugsberechtigt, wenn diese Kündigungsschutzklage erheben, da bis zur endgültigen Entscheidung über die Kündigungsschutzklage die Möglichkeit der Erhaltung des Arbeitsplatzes besteht. 

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