31.05.2022Fachbeitrag

Update Arbeitsrecht Mai 2022

Rückzahlung einer Abfindung wegen Unwirksamkeit eines Aufhebungsvertrages

LAG Hamm, Urteil vom 15.02.2022 – 6 Sa 903/21

Ein öffentlicher Arbeitgeber kann sich regelmäßig nicht auf die fehlerhafte Beteiligung des Personalrats berufen, um eine zu Unrecht bezahlte Abfindung zurückzufordern.

Wird ein Aufhebungsvertrag unter Missachtung der Beteiligungsrechte des Personalrats geschlossen, so kann sich der Arbeitgeber regelmäßig nicht auf die mangelhafte Beteiligung berufen, um die auf Grund des Aufhebungsvertrags bezahlte Abfindung zurückzufordern. Dies gilt regelmäßig selbst dann, wenn eine Untreuestrafbarkeit des den Aufhebungsvertrag abschließenden Personalleiters im Raum steht. Die Konstellation existiert so nur bei öffentlichen Arbeitgebern in Nordrhein-Westfalen, da nur dort ein entsprechendes Anhörungserfordernis normiert ist. Aber auch für andere Arbeitgeber ist die Entscheidung interessant, da sie sich mit den allgemeingültigen Grundsätzen des Gebots von Treu und Glauben bei der Geltendmachung der Unwirksamkeit von Aufhebungsverträgen auseinandersetzt.

Sachverhalt

Die Parteien streiten um die Rückzahlung einer aufgrund eines Aufhebungsvertrags bezahlten Abfindung. Die klagende Stadt – eine öffentliche Arbeitgeberin, bei der auch ein Personalrat gebildet war – hatte den Beklagten seit 2008 zu einem Bruttojahresgehalt von ca. EUR 40.000,00 beschäftigt. Daneben war der Beklagte auch kommunalpolitisch bei der klagenden Stadt aktiv.

Im Januar 2019 kam es zu zwei Personalgesprächen zwischen den Parteien. In deren Vorfeld war der Klägerin bekannt geworden, dass der Beklagte bereit sei, das Arbeitsverhältnis gegen Zahlung einer Abfindung einvernehmlich zu beenden. In zwei Gesprächen einigten sich die klagende Stadt mit dem anwaltlich vertretenen Beklagten über die Rahmenbedingungen eines möglichen Aufhebungsvertrags und auf eine – in Anbetracht der Vergütung außergewöhnlich hohe – Abfindung in Höhe von EUR 250.000,00 brutto.

Den Personalrat hörte die klagende Stadt Anfang Januar 2019 zwar über die geplante Aufhebung an. Allerdings wurde dem Personalrat nicht die in Aussicht gegebene Abfindungssumme mitgeteilt.

Am 24. Januar schlossen die Parteien schließlich den Aufhebungsvertrag ab und zahlten die Abfindung aus.

Nachdem der Aufhebungsvertrag und die vereinbarte Abfindungshöhe bekannt wurde, gab es erheblichen Widerstand in der Politik und in der Bürgerschaft. Die Kommunalaufsicht leitete ein Disziplinarverfahren ein, in dem der Klägerin aufgegeben wurde, den als Abfindung gezahlten Betrag zurückzufordern. Die Staatsanwaltschaft erhob Anklage gegen den damaligen Bürgermeister und den damaligen Personalleiter B der Klägerin wegen Untreue und gegen den Beklagten wegen Beihilfe zur Untreue.

Die Klägerin machte geltend, die Abfindungssumme sei zurückzuzahlen, da der Aufhebungsvertrag einerseits aufgrund der fehlerhaften Beteiligung des Personalrats und andererseits aufgrund der Untreue nichtig sei.

Das Arbeitsgericht Iserlohn hat der Klage mit der Begründung stattgegeben, dass der Beklagte ohne Rechtsgrund bereichert gewesen sei. Insbesondere stützte das Arbeitsgericht seine Entscheidung darauf, dass der Aufhebungsvertrag wegen nicht ordnungsgemäßer Anhörung des Personalrats unwirksam sei. Die Klägerin hätte den bei ihr gebildeten Personalrat über die Höhe der Abfindung informieren müssen.

Gegen das Urteil legte der Beklagte Berufung ein.

Entscheidung des Landesarbeitsgerichts

Die Berufung des Beklagten hatte Erfolg. Ein Anspruch der Klägerin auf Rückzahlung der Abfindung bestehe nicht. Das Landesarbeitsgericht widerspricht insbesondere der Auffassung des Arbeitsgerichts, dass die Klägerin sich auf die fehlerhafte Anhörung des Personalrats berufen könne.

Zwar sei der Aufhebungsvertrag wegen der fehlenden ordnungsgemäßen Beteiligung des Personalrats gemäß § 74 Abs. 2, 3 LPVG NRW unwirksam. Die Geltendmachung der Unwirksamkeit sei jedoch, wie jedes Recht, begrenzt durch die Schranken von Treu und Glauben, § 242 BGB. Daraus folge auch das Verbot widersprüchlichen Verhaltens: Ein Verhalten sei dann als rechtsmissbräuchlich anzusehen, wenn sich der Anspruchsteller mit der Geltendmachung einer Forderung in Widerspruch zur eigenem vorausgegangenem Verhalten setze und dadurch beim Anspruchsgegner ein schutzwürdiges Vertrauen erweckt habe.

Die Klägerin habe beim Beklagten gerade ein solches schutzwürdige Vertrauen erweckt. Indem sie den Aufhebungsvertrag mit dem Kläger abgeschlossen habe, habe sie eben gerade ihren ernsthaften und endgültigen Willen dokumentiert, das Arbeitsverhältnis zu beenden und die Abfindung zu bezahlen.

Bei der Bewertung sei weiterhin auch der Schutzzweck des § 74 Abs. 2, 3 LPVG NRW heranzuziehen: So diene das Anhörungserfordernis gerade dem Schutz der Arbeitnehmer. Der Arbeitgeber sei gerade nicht vom Schutzzweck der Norm erfasst.

Im Übrigen sei auch zu berücksichtigen, dass die nicht ordnungsgemäße Information des Personalrats ausschließlich in der Sphäre des Arbeitgebers liege. Schließlich sei es Sache des Arbeitgebers für eine ordnungsgemäße Unterrichtung zu sorgen.

Auch aus der im Raum stehenden Untreuestrafbarkeit ergebe sich nichts Anderes. Denn für eine Unwirksamkeit aufgrund einer Untreue nach § 134 BGB sei es erforderlich, dass beide Parteien die Untreue gegenüber einem Dritten bezweckten. Wenn dagegen nur einer der beiden Vertragspartner mit dem Abschluss eines Vertrags gegenüber einem Dritten Untreue begehe und der andere Vertragspartner nichts davon wisse, sei weder das Kausalgeschäft noch das Erfüllungsgeschäft von der Nichtigkeitsfolge aus § 134 BGB erfasst. Für den Beklagten scheide aber die Untreuestrafbarkeit aus, da ihn gerade nicht die Pflicht, die Vermögensinteressen der Klägerin wahrzunehmen, träfe.

Hinweise

Der interessengerechten Entscheidung ist in der Sache zuzustimmen. Die Klägerin hatte in dieser Sache das schutzwürdige Vertrauen des Beklagten auf die Wirksamkeit des Aufhebungsvertrags gesetzt. Auf dessen Unwirksamkeit konnte sie sich zu Recht nicht mehr berufen.

Die entsprechende Norm, die eine Anhörung des Personalrats bei Abschluss eines Aufhebungsvertrags verlangt, ist in Nordrhein-Westfalen einmalig. Allerdings sind die dargestellten Grundsätze für jeden Arbeitgeber relevant: So kann sich ein Arbeitgeber allgemein regelmäßig dann nicht so einfach auf die Unwirksamkeit einer Vereinbarung berufen, wenn er selbst es in der Hand hatte, den Personal- oder Betriebsrat ordnungsgemäß zu beteiligen.

Daneben sind auch die Ausführungen zu den Auswirkungen der Untreuestrafbarkeit und deren Auswirkungen auf die Wirksamkeit eines Aufhebungsvertrags von allgemeiner Relevanz: Eine Rückforderung einer überhöhten Abfindung wird regelmäßig nur dann möglich sein, wenn die den Arbeitgeber vertretende Person mit dem Arbeitnehmer kollusiv zum Nachteil des Arbeitgebers zusammengearbeitet hat.

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