28.10.2021Fachbeitrag

Update Arbeitsrecht Oktober 2021

Welche Abschnitte des Kündigungsschutzgesetzes gelten für GmbH-Geschäftsführer?

BAG, Urteil vom 27.04.2021 – 2 AZR 540/20

In einem Urteil aus April 2021 hat das BAG sich näher mit der Frage auseinandergesetzt, inwieweit Geschäftsführer, die bei einer GmbH angestellt sind, an der sie selbst keine Geschäftsanteile halten (sog. Fremdgeschäftsführer), im Rahmen der Anwendung des Kündigungsschutzgesetzes als „Arbeitnehmer“ zu berücksichtigen sind.

Sachverhalt

Ein Arbeitnehmer, der nach rund zweieinhalb Jahren Beschäftigung eine Kündigung erhalten hatte, wehrte sich dagegen mit einer Kündigungsschutzklage. Er berief sich unter anderem darauf, dass die beklagte GmbH nicht als „Kleinbetrieb“ im Sinne von § 23 Abs. 1 KSchG anzusehen sei. Zusätzlich zu den – unstreitig – nur 8,5 regelmäßig beschäftigten Angestellten seien bei der Ermittlung des Schwellenwerts auch die beiden Fremdgeschäftsführer der GmbH als in der Regel beschäftigte „Arbeitnehmer“ zu berücksichtigen. Da somit bei dem Arbeitgeber insgesamt mehr als zehn Arbeitnehmer regelmäßig beschäftigt seien, bedürfe die Kündigung einer sozialen Rechtfertigung nach § 1 Abs. 1 KSchG. 

Das Arbeitsgericht München und das Landesarbeitsgericht München hatten die Klage beide abgewiesen. Sie sahen die beklagte GmbH als Kleinbetrieb an, auf den das KSchG keine Anwendung finde. Daher sei die Kündigung auch ohne sachliche Rechtfertigung wirksam. Hiergegen wendete sich die Revision des Klägers, der weiterhin davon ausging, den Kündigungsschutz nach dem KSchG beanspruchen zu können.

Entscheidung

Das BAG hat die Entscheidungen der Vorinstanzen im Ergebnis bestätigt und dabei im Hinblick auf die Stellung von Geschäftsführern im Kontext des KSchG das Folgende herausgearbeitet:

Eine Berücksichtigung der Geschäftsführer bei der Betrachtung der Schwellenwerte des § 23 KSchG ist nicht von vornherein mit Blick auf die Regelung des § 14 Abs. 1 Nr. 1 KSchG ausgeschlossen, wie es das LAG unter anderem angenommen hatte. Schon nach dem Wortlaut der Vorschrift schließt die Stellung als Geschäftsführer nicht die Anwendbarkeit des KSchG insgesamt aus, sondern nur die Vorschriften des ersten Abschnitts des Gesetzes (Allgemeiner Kündigungsschutz). Die Schwellenwerte sind jedoch in § 23 KSchG geregelt, der im Vierten Abschnitt des Gesetzes (Schlussbestimmungen) steht. 

Jedoch kommt eine Berücksichtigung der GmbH-Geschäftsführer bei der Zählung der „Arbeitnehmer“ nur in Betracht, wenn diese nicht im Rahmen eines Dienstverhältnisses tätig waren, sondern – ausnahmsweise – im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses. Hierzu wiederholt das BAG seine gefestigte Rechtsprechung zum Arbeitnehmerbegriff (jetzt Gegenstand des § 611a BGB) und betont, dass GmbH-Geschäftsführer in aller Regel nicht als Arbeitnehmer tätig werden, sondern auf der Grundlage eines freien Dienstvertrages. Hinweise auf einen „extremen Ausnahmefall“, in dem dies anders zu sehen sein könnte, habe der Kläger im konkreten Fall nicht geliefert. 

Das BAG hat in diesem Zusammenhang nochmals klargestellt, dass bei der Beurteilung der Anstellung der GmbH-Geschäftsführer für die Frage der Schwellenwerte des § 23 KSchG ausschließlich der – „bewährte“ – Arbeitnehmerbegriff nach deutschem Rechtsverständnis zugrunde zu legen ist. Der Arbeitnehmerbegriff, der nach der Rechtsprechung des EuGH für die meisten europarechtlichen Regelungen in Bezug auf Arbeitnehmer zugrunde zu legen ist, spielt für den individuellen Kündigungsschutz nach dem KSchG keine Rolle. Diese Teile des KSchG basieren nicht auf Europarecht. Es war somit vorliegend nicht erheblich, dass sog. Fremdgeschäftsführer nach europäischem Rechtsverständnis in aller Regel als „Arbeitnehmer“ anzusehen sind.

Praxishinweise

Die „Rolle“ des GmbH-Geschäftsführers im Rahmen der Regelungen des Kündigungsschutzgesetzes bedarf einer differenzierten Betrachtung. Je nachdem, um welchen Aspekt des KSchG es geht, sind unterschiedliche Maßstäbe zu berücksichtigen. Als Fazit der Rechtsprechung des BAG lässt sich festhalten:

Der GmbH-Geschäftsführer genießt in Bezug auf sein eigenes Anstellungsverhältnis regelmäßig keinen Kündigungsschutz nach dem KSchG. Dem steht die eindeutige und nicht mit dem europäischen Recht kollidierende Regelung des § 14 Abs. 1 Nr. 1 KSchG entgegen. 

Bei der Betrachtung der Schwellenwerte des § 23 KSchG für den Kündigungsschutz der anderen Arbeitnehmer der GmbH werden die Geschäftsführer – gleich ob Fremdgeschäftsführer oder Gesellschafter-Geschäftsführer – in aller Regel nicht mitgezählt. Es gilt der deutschrechtliche Arbeitnehmerbegriff, nach dem GmbH-Geschäftsführer nur in ganz besonderen Ausnahmefällen in einem „Arbeitsverhältnis“ zur GmbH stehen.

Soweit jedoch die Regelungen der §§ 17, 18 KSchG zu Arbeitgeberpflichten im Rahmen einer Massenentlassung betroffen sind, gelten andere Maßstäbe. Diese Regelungen dienen der Umsetzung europäischen Rechts (Richtlinie 98/59/EG – Massenentlassungen). In diesem Zusammenhang ist der europäische Arbeitnehmerbegriff maßgeblich, nach dem Fremdgeschäftsführer einer GmbH in aller Regel als „Arbeitnehmer“ einzustufen sind.

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