29.05.2020Fachbeitrag

Update Arbeitsrecht Mai 2020

Arbeitsunfälle im Homeoffice

Aufgrund der aktuellen Corona-Pandemie ermöglichen viele Arbeitgeber ihren Beschäftigten die Ausübung ihrer Tätigkeit von Zuhause aus. Doch was gilt, wenn der Arbeitnehmer im Homeoffice verunglückt? Bei Unfällen in der betrieblichen Arbeitsstätte greift grundsätzlich die gesetzliche Unfallversicherung. Gilt dies auch bei der Arbeit im Homeoffice? 

Wann greift die gesetzliche Unfallversicherung ein?

Soweit ein Arbeitnehmer während bzw. im Zusammenhang mit seinem Arbeitsverhältnis einen Unfall erleidet, greift grundsätzlich die gesetzliche Unfallversicherung gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII. Voraussetzung hierfür ist ein innerer Zusammenhang zwischen der konkret ausgeübten Tätigkeit und der versicherten Tätigkeit. 

Maßgeblich ist, dass der Arbeitnehmer (den objektiven Umständen des Einzelfalls nach) eine dem Unternehmen dienende Tätigkeit ausüben wollte (sog. „objektivierte Handlungstendenz des Versicherten“, BSG 05.07.2016, B 2 U 5/15 R). 

Die gesetzliche Unfallversicherung umfasst insofern sowohl Unfälle anlässlich von Betriebsarbeit (Ausübung der versicherten Tätigkeit selbst) als auch Unfälle anlässlich von Betriebswegen (Wege, die in Ausübung der versicherten Tätigkeit zurückgelegt werden) bzw. Wegeunfällen (Unfälle, die sich auf dem Weg von Zuhause zur betrieblichen Arbeitsstätte ereignen).

Was gilt also, wenn der Arbeitnehmer im Homeoffice „verunglückt“?

Entscheidend für den gesetzlichen Unfallversicherungsschutz im Homeoffice ist, welcher konkreten Tätigkeit mit welcher Zweckrichtung der Mitarbeiter im Zeitpunkt des Unfalls nachgegangen ist. 

Anders als bei einer Tätigkeit in der betrieblichen Arbeitsstätte, wo regelmäßig Versicherungsschutz in der gesetzlichen Unfallversicherung besteht, kann es im Homeoffice leicht passieren, dass aufgrund der dort typischen Vermengung von dienstlichen und privaten Verrichtungen der Versicherungsschutz im konkreten Fall entfällt. Denn die der privaten Wohnung innewohnenden Risiken hat nicht der Arbeitgeber, sondern der Versicherte zu tragen. 

Abzugrenzen ist folglich danach, ob die konkrete Verrichtung eine dem Unternehmen dienende Tätigkeit war oder eigenwirtschaftlich erfolge und daher dem privaten Lebensbereich zuzuordnen ist.

Nach der Rechtsprechung des BSG sind beispielweise die Nahrungsaufnahme und der Toilettengang im Homeoffice nicht einer der dem Unternehmen dienenden Tätigkeit zuzuordnen (SG München 04.07.2009, S 40 U 227/18; BSG 27.04.2010, B 2 U 23/09 R; BSG 02.12.2008, B 2 U 17/07 R). Gleiches gilt, wenn der Arbeitnehmer im Homeoffice einem privat motivierten Angriff (Einbruch) ausgesetzt ist (SG Dresden 08.05.2013, S 5 U 293/12).

Betriebswege im Homeoffice?

Befinden sich – wie dies typischerweise beim Homeoffice der Fall sein wird – Wohnung und Arbeitsstätte im selben Gebäude, dann kann ausnahmsweise auch im häuslichen Bereich ein Betriebsweg vorliegen. 

Voraussetzung ist, dass der Arbeitnehmer den Weg in Ausführung der versicherten Tätigkeit, also im unmittelbaren Betriebsinteresse zurückgelegt hat (BSG 05.07.2016, B 2 U 5/15 R). Ein derartiges unmittelbares betriebliches Interesse folgt nicht schon daraus, dass der Arbeitnehmer darauf angewiesen ist, den fraglichen Weg, zum Beispiel eine Treppe, zu nutzen, um seiner Beschäftigung überhaupt nachgehen zu können, sondern ausschließlich daraus, dass der Arbeitnehmer (den objektiven Umständen des Einzelfalls nach) zum Unfallzeitpunkt eine dem Unternehmen dienende Tätigkeit ausüben wollte.

Hiervon ist nach der Rechtsprechung beispielsweise regelmäßig auszugehen, wenn der Arbeitnehmer stürzt, während er auf dem Weg zu seinem häuslichen Arbeitsplatz ist (z.B. Weg von der Küche ins Arbeitszimmer), um dort geschäftlich zu telefonieren (BSG 27.11.2018, B 2 U 28/17; BSG 31.08.2017, B 2 U 9/16 R). 

Zu verneinen ist der Versicherungsschutz hingegen wiederum, wenn der Arbeitnehmer den Weg zurücklegt, um einer eigenwirtschaftlichen Tätigkeit (wie trinken oder essen, privater Paketannahme oder dem Toilettengang) nachzugehen (BSG 05.07.2016, B 2 U 5/15 R). 

Wegeunfälle im Homeoffice?

Wegeunfälle kommen nach § 8 Abs.2 Nr.1 - 4 SGB VII grundsätzlich erst ab dem Durchschreiten der Außentür des Gebäudes („maßgebliche Zäsur“), in dem die Wohnung des Arbeitnehmers liegt, in Betracht. 

Für in der betrieblichen Arbeitsstätte (in Vollzeit) tätige Arbeitnehmer hat das BSG entschieden, dass auch die in der Arbeitspause (insbesondere der betrieblichen Mittagspause) zurückgelegten Wege zu einem vom Ort der Tätigkeit verschiedenen Ort zum Zwecke der Nahrungsaufnahme oder des Einkaufs von Nahrungsmitteln für den alsbaldigen Verzehr am Arbeitsplatz dem Wegeunfallversicherungsschutz unterliegen können (BSG 27.04.2010, B 2 U 23/09 R; BSG 02.12.2008, B 2 U 17/07 R). 

Der beabsichtigte Verzehr bzw. Einkauf von Nahrungsmitteln während der Arbeitszeit – anders als der Einkauf oder Verzehr vor Arbeitsantritt – diene nach Ansicht des BSG der Aufrechterhaltung der Arbeitsfähigkeit und letztlich der Fortsetzung der betrieblichen Tätigkeit.

Ein im Homeoffice in Vollzeit beschäftigter Arbeitnehmer kann ebenfalls während seiner Arbeitszeit Wege außerhalb der Wohnung, z.B. im Rahmen seiner Mittagspause, zurücklegen. 

Nach der Rechtsprechung des BSG ist daher davon auszugehen, dass die mit der täglichen Mittagspause zusammenhängenden Wege vom Versicherungsschutz des § 8 Abs.2 Nr.1 SGB VII umfasst sind, sonstige „nach Belieben des Arbeitnehmers zurückgelegte Wege aus der eigenen Wohnung und dem dort eingerichteten Homeoffice zum Zwecke der Nahrungsaufnahme- bzw. des Einkaufs“, allerdings nicht umfasst sind. Ansonsten könnte das jeweils zu jedem beliebigen Zeitpunkt auftretende Hungergefühl des Arbeitnehmers zu einem „rund um die Uhr“ geltenden Versicherungsschutz führen (BSG 18.06.2013, B 2 U 7/12 R).

Ähnliche Erwägungen sind hinsichtlich des Weges beim Bringen der Kinder zu einer Kindertageseinrichtung/ Tagesmutter anzustellen. Nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 a) SGB VII gehört zu den versicherten Tätigkeiten auch das Zurücklegen des von einem unmittelbaren Wege nach und von dem Ort der Tätigkeit abweichenden Weges, um Kinder von Versicherten, die mit ihnen in einem gemeinsamen Haushalt leben, wegen ihrer beruflichen Tätigkeiten oder der beruflichen Tätigkeiten ihrer Ehegatten bzw. ihrer Lebenspartner fremder Obhut (darunter eine Kindertageseinrichtung oder Tagesmutter) anzuvertrauen. 

Zwar erscheint die Interessenlage hier vergleichbar, die Rechtsprechung verneint den Versicherungsschutz jedoch ausdrücklich beim Verbringen eines Kindes von zu Hause in den Kindergarten durch einen im Homeoffice tätigen Arbeitnehmer (BSG 30.01.2020, B 2 U 19/18). Trotz der vergleichbaren Interessenlage sei die Ausdehnung des Versicherungsschutzes im Wege einer Analogie zu verneinen, da § 8 Abs. 2 Nr. 2a SGB VII jedenfalls keinen Raum für die Annahme einer planwidrigen Regelungslücke lasse.

Fazit

Im Homeoffice tätig werdende Arbeitnehmer genießen in vielen Fällen Versicherungsschutz. Trotz der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze bleibt die Zuordnung einer Tätigkeit zu einer versicherten Tätigkeit aber stark einzelfallabhängig und ist insbesondere im Hinblick auf Wegeunfälle nicht abschließend durch die Rechtsprechung geklärt. Der Arbeitnehmer trägt hinsichtlich der Frage, ob ein Arbeitsunfall vorliegt, die Beweislast. Für den Arbeitnehmer empfiehlt sich, eine private Unfallversicherung abzuschließen. Sofern der Arbeitgeber eine solche für den Arbeitnehmer abschließt, handelt es sich um geldwerten Vorteil, der entsprechend versteuert werden muss.

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