12.06.2014Fachbeitrag

Newsletter Arbeitsrecht Juli 2014

Kein Erlöschen des Urlaubsanspruches mit dem Tod des Arbeitnehmers

EuGH, Urteil vom 12.6.2014, C-118/13

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat entgegen der bisherigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) entschieden, dass der Anspruch des Arbeitnehmers auf bezahlten Mindesturlaub nicht mit dessen Tod erlischt. Vielmehr sei der Abgeltungsanspruch vererbbar.

Die Klägerin nahm den Arbeitgeber ihres verstorbenen Ehemannes auf Urlaubsabgeltung in Anspruch. Dieser war von 2009 bis zu seinem Tod im November 2010 aufgrund einer schweren Erkrankung mit Unterbrechungen arbeitsunfähig. Zum Zeitpunkt seines Todes hatte er unstreitig Anspruch auf 140,5 Tage offenen Jahresurlaub. Die Klägerin forderte von der Beklagten Abgeltung für  die von ihrem Ehemann nicht genommenen Urlaubstage. Die Beklagte wies die Forderung zurück und äußerte Zweifel an der Vererbbarkeit der Abgeltung.

Vorlage des LAG Hamm

Das mit der Sache in der Berufungsinstanz befasste Landesarbeitsgericht Hamm hat dem EuGH die Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt, ob das Unionsrecht einzelstaatliche Rechtsvorschriften oder Gepflogenheiten gestattet, wonach der Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch das Versterben des Arbeitnehmers ohne Begründung eines Abgeltungsanspruches für nicht genommenen Urlaub untergeht. Ferner legte das   Landesarbeitsgericht die Frage vor, ob eine solche Abgeltung von einem Antrag des Betroffenen im Vorfeld abhängt.

Krankheitsbedingt nicht genommener Urlaub ist finanziell zu vergüten

Der EuGH verneinte die Vorlagefragen, da es mit der Richtlinie über die Arbeitszeitgestaltung (RL 2003/88/EG), die einen Anspruch auf bezahlten Mindestjahresurlaub von vier Wochen vorsieht, unvereinbar sei, wenn dieser Anspruch mit dem Tod des Arbeitnehmers ersatzlos untergeht. Nach Auffassung des EuGH handelt es sich bei dem Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub um einen besonders bedeutsamen Grundsatz des Sozialrechts, von dem grundsätzlich nicht ohne weiteres abgewichen werden dürfe. Zudem sei zu beachten, dass die Ansprüche auf Jahresurlaub und auf Bezahlung während des Urlaubs zwei Aspekte eines einzigen Anspruchs darstellen. Vor diesem Hintergrund habe der Gerichtshof auch bereits entschieden, dass es gegen das Unionsrecht verstoße, wenn Langzeiterkrankte nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses keine Vergütung für krankheitsbedingt nicht genommenen Urlaub erhalten.

Auch der Tod darf nicht zu vollständigem Verlust des Urlaubsanspruches führen

Auch im Fall der Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch den Tod des Arbeitnehmers müsse durch einen finanziellen Ausgleich die praktische Wirksamkeit des Urlaubsanspruches sichergestellt werden. Würde nämlich – so der EuGH – die Pflicht zur Auszahlung von Jahresurlaubsansprüchen mit der durch den Tod des Arbeitnehmers bedingten Beendigung des Arbeitsverhältnisses enden, so hätte dies zur Folge, dass der unwägbare Eintritt des Todes eines Arbeitnehmers rückwirkend zum vollständigen Verlust des Anspruches auf bezahlten Jahresurlaub führen würde. Vor diesem Hintergrund stellt der EuGH mit der vorliegenden Entscheidung klar, dass das Unionsrecht einzelstaatlichen Rechtsvorschriften oder Gepflogenheiten entgegensteht, die für den Fall des Todes des Arbeitnehmers die Abgeltung für nicht genommenen bezahlten Jahresurlaub ausschließen.

Urlaubsabgeltung hängt nicht von vorheriger Antragstellung des Betroffenen ab

Der EuGH stellt weiter fest, dass die Urlaubsabgeltung in einem solchen Fall nicht davon abhängt, dass der Betroffene im Vorfeld einen Antrag gestellt hat. Der Grund hierfür sei, dass die Richtlinie über die Arbeitszeitgestaltung (RL 2003/88/EG) für die Eröffnung des Anspruches auf finanzielle Vergütung von bezahltem Mindestjahresurlaub außer der Beendigung des Arbeitsverhältnisses keine weitere Voraussetzung aufstellt.

Fazit

Nach der bisherigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) ging der Urlaubsanspruch des Arbeitnehmers mit dessen Tod unter und wandelte sich gerade nicht nach § 7 IV BUrlG in einen vererbbaren Abgeltungsanspruch um (BAG, Urt. v. 20.9.2011, 9 AZR 416/10; BAG, Urt. v. 12.3.2013, 9 AZR 532/11). Mit der Entscheidung des EuGH ist die bisherige Rechtspraxis in Deutschland für den gesetzlichen Mindesturlaub nicht mehr haltbar. Bei entsprechender Vertragsgestaltung kann nur der vertragliche Mehrurlaub von Abgeltung bei Tod des Arbeitnehmers ausgeschlossen werden.

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