30.04.2021Fachbeitrag

Update Arbeitsrecht April 2021

Referentenentwurf für das Hinweisgeberschutzgesetz zur Umsetzung der Whistleblowerrichtlinie

Seit den Enthüllungen von Edward Snowden im Jahre 2013 ist das sog. „Whistleblowing” einer breiteren Öffentlichkeit bekannt. Auch der ausreichende Schutz von Whistleblowern, also von hinweisgebenden Personen, war in den letzten Jahren verstärkt Gegenstand juristischer Kontroversen, die auf europäischer Ebene zum Erlass der Richtlinie (EU) 2019/1937 des Europäischen Parlaments und des Europäischen Rates vom 23. Oktober 2019 zum Schutz von Personen, die Verstöße gegen das Unionsrecht melden, führten. Der deutsche Gesetzgeber hat bis zum 17. Dezember 2021 Zeit zur Umsetzung in das deutsche Recht und insoweit mit einem Referentenentwurf für ein Hinweisgeberschutzgesetz (nachfolgend: „HinSchG-E“) einen ersten Aufschlag gewagt. Sollte der Entwurf so umgesetzt werden, hätte dies für Unternehmen, die bislang noch über kein Hinweisgebersystem verfügen, spürbare Auswirkungen.

Voraussetzungen der Anwendbarkeit des Gesetzes 

Der HinSchG-E sieht vor, dass das Gesetz für sämtliche natürliche Personen gelten soll, „die im Zusammenhang mit ihrer beruflichen oder dienstlichen Tätigkeit Informationen über Verstöße erlangt haben und diese an die nach diesem Gesetz vorgesehenen Meldestellen melden oder offenlegen“. Persönlich findet das Gesetz etwa auf Arbeitnehmer, Beamte, die zu ihrer Berufsbildung Beschäftigten und arbeitnehmerähnliche Personen Anwendung. Neben diesen Hinweisgebern schützt das Gesetz im Grundsatz auch die von einer Meldung Betroffenen. 

Sachlich findet das Gesetz zunächst auf die Meldung und Offenlegung von Informationen über straf- und bußgeldbewährte Verstöße Anwendung. Ein Beispiel wären vorsätzliche oder fahrlässige Verstöße des Arbeitgebers gegen das Arbeitszeitgesetz. Daneben erfasst sind Verstöße gegen Gesetze, Rechtsverordnungen und sonstige Vorschriften in im Einzelnen genannten Rechtsgebieten wie dem Bereich des Schutzes der Privatsphäre und personenbezogener Daten, also dem Datenschutzrecht. Verstöße gegen unternehmensinternes Recht wie IT- oder Reisekostenrichtlinien werden demgegenüber nicht erfasst.

Notwendigkeit der Einrichtung von Meldestellen

Eine der wesentlichen Neuerungen des Gesetzesentwurfs ist die Notwendigkeit zur Einrichtung interner oder externer Meldestellen. Ein nach den vorstehenden Ausführungen in den Anwendungsbereich des Gesetzes fallender Beschäftigter, der beabsichtigt, eine Information über einen Verstoß zu melden, hat ein Wahlrecht zwischen interner und externer Meldestelle. 

Bei der internen Meldestelle handelt es sich um eine Stelle, die Beschäftigungsgeber oder Dienststellen mit mindestens 50 Beschäftigten bei sich einrichten müssen. Der HinSchG-E sieht für mittelständische Unternehmen von 50 bis 249 Beschäftigten eine verlängerte Einrichtungsfrist bis zum 17. Dezember 2023 vor und erlaubt diesen Unternehmen zur Kosteneinsparung die Einrichtung einer gemeinsam betriebenen Meldestelle mit anderen Unternehmen. Nicht deutlich wird, welche Arbeitnehmer etwa ein Arbeitgeber mit der Aufgabe der Betreuung einer Meldestelle betrauen kann. Denn der Entwurf sieht vor, dass diese Personen unabhängig sein müssen, indem ein Interessenkonflikt ausgeschlossen wird. In welchem Umfang also daneben sonstige Tätigkeiten für den Arbeitgeber durchgeführt werden dürfen, ob eine zeitliche oder inhaltliche „Erheblichkeitsschwelle“ gilt, bleibt abzuwarten. In jedem Falle einzurichten sind sog. Meldekanäle, über die sich Hinweisgeber an die interne Meldestelle wenden können. Trotz Einrichtung eines elektronisch funktionierenden Hinweisgebersystems muss gewährleistet sein, dass auf Ersuchen des Hinweisgebers auch eine persönliche Zusammenkunft mit der für die Entgegennahme von Meldungen zuständigen Person möglich ist.

Wesentliche Aufgaben der Meldestelle sind etwa die Entgegennahme von Meldungen unter Bestätigung des Eingangs innerhalb von sieben Tagen und die Veranlassung geeigneter Folgemaßnahmen wie interner Untersuchungen einschließlich einer Rückmeldung über die ergriffenen und geplanten Maßnahmen innerhalb von drei Monaten nach Eingangsbestätigung der Meldung. 

Im Hinblick auf externe Meldestellen sieht der Entwurf die Einrichtung einer zentralen Meldestelle anstelle mehrerer dezentraler Meldestellen vor. Diese zentrale Meldestelle soll organisatorisch beim Bundesdatenschutzbeauftragten angesiedelt werden und ähnliche Aufgaben wie die internen Meldestellen haben. Für beide Meldestellen besteht indes keine Bearbeitungspflicht für anonyme Hinweise, sondern nur für konkret einem Hinweisgeber zuordenbare Informationen.

Anti-Diskriminierungsschutz als „Herzstück“ des Entwurfs

Der HinSchG-E sieht die Absicherung der Hinweisgeber durch im Wesentlichen zwei Einrichtungen vor. Zum einen besteht ein Verbot des Verhängens sog. „Repressalien“ gegen die hinweisgebende Person. Was das Vorliegen einer Repressalie voraussetzt, definiert der HinSchG-E nicht. Im arbeitsrechtlichen Kontext sind denkbar: die Abmahnung, Kündigung, das Versagen einer Beförderung oder eine Veränderung der übertragenen Aufgaben des Arbeitnehmers.

Ergänzend tritt eine Beweislastumkehr hinzu, nach der bei dem Erleiden einer Benachteiligung im Zusammenhang mit der beruflichen Tätigkeit nach einer Meldung oder Offenlegung durch eine hinweisgebende Person vermutet wird, dass diese Benachteiligung eine Repressalie ist. Folglich hat die Person, die die hinweisgebende Person benachteiligt, also beispielsweise der Arbeitgeber, zu beweisen, dass die Benachteiligung auf hinreichend gerechtfertigten Gründen basiert oder dass sie zumindest nicht auf der Meldung oder Offenlegung beruht. Zum anderen statuiert der HinSchG-E einen Schadensersatzanspruch des Whistleblowers gegen den Beschäftigungsgeber bei einem Verstoß gegen das Verbot von Repressalien. 

Allerdings genießen Hinweisgeber den zuvor beschriebenen Schutz nur unter bestimmten Voraussetzungen. Besonders wichtig ist die Einschränkung, dass Diskriminierungsschutz und Schadensersatz nur in Betracht kommen, soweit „die Informationen zutreffend sind oder die hinweisgebende Person zum Zeitpunkt der Meldung oder Offenlegung hinreichenden Grund zu der Annahme hatte, dass die von ihr gemeldeten oder offengelegten Informationen der Wahrheit entsprachen“. 

Auswirkungen auf die Praxis

Die Auswirkungen auf die Praxis werden nach Inkrafttreten des Gesetzes – unabhängig von etwaigen inhaltlichen Änderungen des Gesetzes im späteren Gesetzgebungsprozess – erheblich sein. Schon die organisatorischen Anforderungen an die Einrichtung von Meldestellen sind nicht zu unterschätzen. Unternehmen werden bereits bestehende Meldestellen auf ihre Vereinbarkeit mit den Vorgaben des künftigen Hinweisgeberschutzgesetzes zu überprüfen haben. Unternehmen, die bislang noch gar kein Hinweisgebersystem installiert haben, werden sich nun erstmals mit der Einrichtung entsprechender Meldekanäle befassen müssen.

Vor diesem Hintergrund lohnt es sich bereits zum jetzigen Zeitpunkt eine Sensibilisierung für die künftigen Herausforderungen zu schaffen und entsprechende Vorbereitungen, insbesondere bezüglich des Einrichtens einer Meldestelle, zu treffen. Es dürfte im Interesse der meisten Unternehmen liegen, ein möglichst attraktives Hinweisgebersystem aufzubauen, zumal ein funktionierendes Hinweisgebersystem einen wesentlichen Bestandteil eines modernen und effektiven Compliance Management Systems darstellt.

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