29.06.2022Fachbeitrag

Update Arbeitsrecht Juni 2022

Corona-Testpflicht am Arbeitsplatz

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 1. Juni 2022 – 5 AZR 28/22

Arbeitgeber können berechtigt sein, gegenüber ihren Arbeitnehmern Corona-Tests anzuordnen. Weigern sich Arbeitnehmer gegen eine solche Anweisung und werden sie infolgedessen aus dem Betrieb ausgeschlossen, haben sie keinen Lohnanspruch.

Sachverhalt

Die Parteien haben über die Pflicht zur Teilnahme an Corona-Tests sowie über Vergütungsansprüche der Klägerin gestritten.

Die Klägerin war Flötistin an der Bayerischen Staatsoper. Der beklagte Freistaat Bayern führte zu Beginn der Spielzeit 2020/2021 ein betriebliches Hygienekonzept mit Teststrategie ein, nach dem die Arbeitnehmer zur Teilnahme an PCR-Tests in unterschiedlichen Zeitabständen verpflichtet wurden. Ohne Test konnten die Arbeitnehmer nicht an Aufführungen und Proben teilnehmen. 

Die Klägerin weigerte sich, die PCR-Tests durchführen zu lassen. Die Tests seien zu ungenau und würden – als anlassloser Massentest – einen unverhältnismäßigen Eingriff in ihre körperliche Unversehrtheit darstellen. 

Der Beklagte stellte daraufhin die Gehaltszahlungen an die Klägerin ein. 

Mit ihrer Klage hat die Klägerin ihre Vergütung wegen Annahmeverzugs geltend gemacht, hilfsweise die Bezahlung der Zeiten häuslichen Übens sowie die Beschäftigung ohne Verpflichtung zur Durchführung weiterer Corona-Tests. 

Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts

Nachdem die Klage bereits in den Vorinstanzen abgewiesen worden war, hatte auch die nachträglich zugelassene Revision beim Bundesarbeitsgericht keinen Erfolg. 

Die Anordnung von Corona-Tests auf Grundlage des betrieblichen Hygienekonzepts zum Zwecke der Umsetzung arbeitsschutzrechtlicher Verpflichtungen sei rechtmäßig gewesen. 

§ 618 Abs. 1 BGB verpflichte einen Arbeitgeber, Arbeitsleistungen, die unter seiner Leitung vorzunehmen sind, so zu regeln, dass Arbeitnehmer gegen Gefahren für Leben und Gesundheit soweit geschützt sind, als es die Natur der Arbeitsleistung gestatte. Der Inhalt dieser Fürsorgeverpflichtungen werde durch die Vorgaben des Arbeitsschutzgesetzes konkretisiert. Die praktische Umsetzung geschehe durch Weisungen des Arbeitgebers zu Ordnung und Verhalten der Arbeitnehmer im Betrieb (§ 106 GewO). Diese müssten „billigem Ermessen“ entsprechen (§ 315 BGB), das wiederum durch die Vorgaben des Arbeitsschutzgesetzes konkretisiert werde. 

Ausgehend von diesem Maßstab sei die Weisung zur Durchführung der PCR-Tests nach dem betrieblichen Hygienekonzept rechtmäßig gewesen. Die Anweisung auf Grundlage eines wissenschaftsbasierten Testkonzepts, um den Spielbetrieb zu ermöglichen und die Gesundheit der Beschäftigten zu schützen, habe billigem Ermessen entsprochen. Eingriffe in die körperliche Unversehrtheit der Arbeitnehmer (Art. 2 Abs. 2 GG) seien minimal und verhältnismäßig gewesen. Das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG) stehe nicht entgegen, zumal im damaligen Zeitpunkt ein positives Testergebnis aufgrund infektionsschutzrechtlicher Meldepflichten im Ergebnis ohnehin im Betrieb bekannt geworden wäre. Auch ändere die Fehleranfälligkeit der Tests an ihrer grundsätzlichen Eignung für betriebliche Hygienekonzepte nichts. 

Vergütungsansprüche unter Annahmeverzugsgesichtspunkten hätten damit wegen der Weigerung der Klägerin, der im Ergebnis rechtmäßigen Weisung ihres Arbeitgebers nachzukommen, mit Blick auf ihren fehlenden Leistungswillen nicht bestanden, vgl. § 297 BGB.

Darüber hinaus sei auch der Hilfsantrag unbegründet. An Diensten, für die die Beklagte Vergütung geschuldet hätte, habe die Klägerin nicht teilgenommen. Schließlich sei der Beschäftigungsantrag als Globalantrag schon deshalb unbegründet, weil wirksame Testanordnungen nach den vorherigen Grundsätzen durchaus möglich gewesen seien.

Für die Praxis

Das Bundesarbeitsgericht hat in seiner Entscheidung, soweit es sich aus der derzeit allein vorliegenden Pressemitteilung ergibt, erfreulicherweise klargestellt, dass Arbeitgeber zur Umsetzung der sie treffenden arbeitsschutzrechtlichen Verpflichtungen berechtigt sein können, auf Grundlage eines betrieblichen Hygienekonzepts Corona-Tests anzuordnen. Gleichzeitig wird aus der Entscheidung aber auch deutlich, dass stets anhand der Umstände des Einzelfalls zu prüfen ist, ob sich eine Testanordnung als verhältnismäßig darstellt. Entscheidend hierfür sind insbesondere auch die gegenwärtigen Inzidenzen, die Impfquote sowie der Grad der Infektionsgefahr. Es gilt: Nur dann, wenn es Gründe etwa im gegenwärtigen Infektionsgeschehen gibt, die von hinreichend schwerem Gewicht sind, dass sie einen Eingriff in die Rechte des Arbeitnehmers rechtfertigen, und mildere Mittel zur Testpflicht nicht bestehen, ist auch die Testanordnung rechtmäßig.  

Hingewiesen sei abschließend noch darauf, dass die Weigerung zur Teilnahme an der Teststrategie des Arbeitgebers auch einen abmahnungs- und kündigungsrelevanten Sachverhalt darstellen kann und damit nicht nur den Entfall der Vergütungspflicht nach sich zieht. 

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