28.03.2019Fachbeitrag

Update Compliance 6/2019

Personenbezogene Daten: Umfassender Auskunftsanspruch des Arbeitnehmers - eine Gefahr für die Anonymität von Hinweisgebern?

Das Landesarbeitsgericht (LAG) Baden-Württemberg hat mit Urteil vom 20. Dezember 2018 (Az. 17 Sa 11/18) einem Arbeitnehmer ein umfassendes Auskunftsrecht gegenüber seinem Arbeitgeber in Bezug auf sämtliche über ihn gesammelten personenbezogenen Daten zugesprochen. Dabei wurde der Auskunftsanspruch explizit auch in Bezug auf personenbezogene Daten aus internen Ermittlungen und Daten etwaiger Hinweisgeber bestätigt. Der allgemeine Schutz der Wahrung der Anonymität von "Whistleblowern“ stelle kein dem Auskunftsanspruch des betroffenen Arbeitnehmers entgegenstehendes Interesse dar, so das Gericht.  

Sachverhalt: Der Kläger war in der Rechtsabteilung eines großen, weltweit tätigen Fahrzeugherstellers beschäftigt. Infolge diverser Auseinandersetzungen mit dem beklagten Arbeitgeber und einer Kündigung durch diesen erhob der Kläger Kündigungsschutzklage zum LAG Baden-Württemberg. In diesem Zusammenhang machte er auch geltend, die Beklagte sei verpflichtet, ihm als Arbeitnehmer sämtliche betreffend seine Person gespeicherten Daten, dabei auch solche aus internen Ermittlungen, mitzuteilen. Hintergrund dieses Auskunftsanspruchs war ein mithilfe des konzerninternen Hinweisgebersystems über den klagenden Arbeitnehmer durchgeführter Compliance Check, der laut Fahrzeughersteller einen Regelverstoß des Arbeitnehmers zu Tage gebracht habe. 

Der Kläger stützte sein Auskunftsbegehren neben § 83 Abs. 1 S. 1 BetrVG auch auf den im Jahr 2018 in Kraft getretenen Art. 15 Abs. 1 DS-GVO und verlangte zusätzlich die Herausgabe von Kopien der bei der Beklagten verarbeiteten personenbezogenen Daten gem. Art. 15 Abs. 3 DS-GVO. Dies lehnte die beklagte Arbeitgeberin unter Hinweis auf den Schutz der berechtigten Interessen der Hinweisgeber an deren Anonymität ab.  

Die Entscheidung: Das LAG Baden-Württemberg gab dem Kläger Recht. Der Arbeitgeber verarbeite personenbezogene Daten des Arbeitnehmers, sodass letzterem sowohl der Anspruch auf Auskunft aus § 83 Abs. 1 S. 1 BetrVG und Art. 15 Abs. 1 DS-GVO als auch ein Anspruch auf Herausgabe einer Kopie der Daten aus Art. 15 Abs. 3 DS-GVO zustünden. Diese umfassten nicht nur die Möglichkeit der Einsichtnahme in die Personalakte, sondern auch die umfassende Einsicht in personenbezogene Daten aus Akten über interne Ermittlungen aufgrund von Hinweisgebersystemen. 

Das Gericht geht weiterhin davon aus, dass die betreffenden Ansprüche in dem genannten Fall auch nicht durch die berechtigten Interessen Dritter  eingeschränkt werden. Die Gefährdung einer laufenden internen Untersuchung durch die Einsichtnahme sei nicht vorgetragen und nicht erkennbar. Auch stünden die Interessen der Hinweisgeber dem Auskunftrecht vorliegend nicht entgegen. Gemäß § 34 Abs. 1 i.V.m. § 29 Abs. 1 S. 2 BDSG bestehe das Recht auf Auskunft unter anderem dann nicht, soweit durch die Auskunft Informationen offenbart würden, die wegen der überwiegenden berechtigten Interessen eines Dritten geheim gehalten werden müssten. Als entgegenstehende Interessen Dritter würden dabei insbesondere die Gefährdung interner Untersuchungen, das Recht der Hinweisgeber auf Datenschutz und somit auf Geheimhaltung der Identität, sowie die Zusicherung der Anonymität durch den Arbeitgeber anerkannt.

Jedoch führt auch das Vorliegen eines Geheimhaltungsgrundes laut LAG nicht zwangsläufig zu dem Recht, die geforderte Auskunft zu verweigern. Der lediglich pauschale Hinweis auf die Schutzbedürftigkeit von Hinweisgebern für die Begründung eines hinreichenden, dem Informationsanspruch entgegenstehenden Interesses sei nicht ausreichend. Außerdem sei im vorliegenden Fall nicht konkret dargelegt worden, welche Daten infolge des geltend gemachten entgegenstehenden Drittschutzes einer Auskunft entzogen seien. Die erforderliche Interessenabwägung im Einzelfall, im Rahmen derer das konkrete Geheimhaltungsinteresse des Dritten dem Auskunftsinteresse des Betroffenen gegenüberzustellen ist, könne auf dieser Grundlage nicht vorgenommen werden. 
Außerdem könne die durch die Beklagte geltend gemachte Wahrung der Anonymität der Hinweisgeber auch insoweit sichergestellt werden, dass entsprechende Daten nicht in Personalakte sowie personenbezogene Akten aus internen Ermittlungen aufgenommen würden. Gleiche Wirkung könne durch (technische) Schwärzungen entsprechender Daten und Passagen erzielt werden. Unterlasse ein Arbeitgeber diese ihm möglichen Maßnahmen, könne er dem betroffenen Arbeitnehmer die Einsicht in die Daten der Personalakte nicht unter Hinweis auf die von ihm unterlassene Anonymisierung verweigern, so das LAG.

Praxishinweis: Die DS-GVO stellt Arbeitgeber mit dem weiten und nunmehr auch zweitinstanzlich bestätigten Auskunftsanspruch von Arbeitnehmern vor neue Herausforderungen. Die bereits zuvor bestehenden Auskunftsrechte wurden durch die DS-GVO (insb. dem neuen Art. 15 Abs. 3 DS-GVO) und die dort geregelten hohen Sanktionsmöglichkeiten gestärkt und erweitert. Zu beachten ist, dass auch im Rahmen eines Hinweisgebersystems oder im Zuge unternehmensinterner Ermittlungen erlangte Daten, darunter auch personenbezogene Daten der Hinweisgeber, aufgrund der dargestellten weiten Auslegung gegenüber den betroffenen Arbeitnehmern offenzulegen sind. 

Ob allerdings tatsächlich, wie in zahlreichen Kommentaren zur Entscheidung des LAG Baden-Württemberg zu lesen ist, eine "dramatische" Zunahme solcher Verfahren oder der Beginn einer „Prozesswelle“ zu erwarten ist, bleibt abzuwarten. 

Denn der Auskunftsanspruch des Arbeitnehmers gilt nicht unbeschränkt. Arbeitgeber können einen gegen sie gerichteten Auskunftsanspruch bei entgegenstehenden Interessen Dritter ablehnen. Bei durch einen Hinweisgeber erlangten personenbezogenen Daten kann durchaus das Interesse des "Whistleblowers" sowie des Unternehmens auf Geheimhaltung personenbezogener Daten den Auskunftsanspruch der gemeldeten Person überwiegen. Allerdings sind die entgegenstehenden Interessen hinreichend zu konkretisieren; die Geltendmachung eines bloßen allgemeinen Geheimhaltungsinteresses durch die darlegungsbelasteten Arbeitgeber dürfte nicht ausreichen. 

Ob und inwieweit sich der dargestellte Auskunftsanspruch sowie der umfassende Informationsanspruch des Beschäftigten gem. Art. 14 DS-GVO mit dem Gedanken der generellen Schutzbedürftigkeit von Whistleblowern, den der aktuelle Richtlinienentwurf zum Schutz von Whistleblowern sowie auch das kürzlich verabschiedete GeschGehG (siehe dazu Update Compliance 5/2019 und Update IP Nr. 13) unterstreichen, verträgt, wird nach Umsetzung der Schutzregeln für Whistleblower gerichtlich zu klären sein.

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