02.12.2015Fachbeitrag

Newsletter Gesellschaftsrecht Dezember 2015

Zur Abschlusskompetenz für Vorstandsvergütungsverträge und zur Organhaftung in der AG

In einer Aktiengesellschaft fällt der Abschluss des die Vergütung eines Vorstandsmitglieds betreffenden Vertrags auch dann in die Zuständigkeit des Aufsichtsrats, wenn dieser nicht mit dem Vorstandsmitglied selbst, sondern mit einem Dritten, etwa einem Servicedienstleister, abgeschlossen wird. Ferner hat der BGH Konkretisierungen der Anforderungen an eine Entlastung des Vorstandes bei seiner Pflichtverletzung aufgrund eines Rechtsirrtums vorgenommen.

Dem BGH-Urteil vom 28. April 2015 – II ZR 63/14 lag eine in der Praxis häufiger vorkommende Vertragskonstellation zugrunde: Die klagende AG hatte einen Beratungsvertrag mit einer GmbH geschlossen, deren Alleingesellschafter und Geschäftsführer zugleich das beklagte Vorstandsmitglied der AG war. Das Honorar, welches in dem streitgegenständlichen Beratungsvertrag für die GmbH vereinbart wurde, sollte gleichzeitig als Vergütung für die Vorstandstätigkeit des Beklagten dienen. Ein separater Anstellungsvertrag zwischen AG und beklagtem Vorstandsmitglied zur Vergütung der Vorstandstätigkeit wurde nicht geschlossen. Seitens der AG wurde der Beratungsvertrag durch den Vorstand (ohne Mitwirkung des Beklagten) geschlossen; der Beklagte enthielt sich bei dem betreffenden Vorstandbeschluss. Die Zustimmung des Aufsichtsrats der klagenden AG wurde nicht eingeholt. Hintergrund war, dass eine vom Vorstand beauftragte Rechtsanwaltskanzlei die Zustimmungspflicht des Aufsichtsrats verneint hatte.

Für die Entscheidung über die Vergütung der Vorstandsmitglieder und für den Abschluss der die Vergütung betreffenden Verträge ist der Aufsichtsrat zuständig

Für die Entscheidung über die Vergütung der Vorstandsmitglieder und für den Abschluss der die Vergütung betreffenden Verträge ist nach der ständigen Rechtsprechung gemäß §§ 84 Abs. 1 Satz 5 in Verbindung mit Satz 1, 87, 112 AktG der Aufsichtsrat zuständig. Der BGH hat im vorliegenden Urteil deutlich gemacht, dass dieser Grundsatz auch gilt, wenn die Vergütungsvereinbarung für die Tätigkeiten des Vorstandsmitglieds nicht mit diesem selbst, sondern mit einem Dritten, beispielsweise einem Servicedienstleister, geschlossen wird. Als Erklärung führt der BGH aus, dass nur dadurch der Gleichlauf der Bestellungs- und Anstellungskompetenz des Aufsichtsrats gewährleistet wird. Unerheblich ist, dass das Vorstandsmitglied nur vorübergehend für die AG tätig wurde. Im Ergebnis erkennt der BGH die Zulässigkeit eines sogenannten Vorstandsgestellungsvertrages (eines Vertrags, durch den Dritte, wie beispielsweise Personalagenturen oder Unternehmensberatungen, der AG entgeltlich ein Vorstandsmitglied zur Verfügung stellen) ausdrücklich an. Die in der Vorinstanz in den Mittelpunkt gestellte und umstrittene Frage, ob das Vertretungsverbot des § 112 AktG auch auf Rechtsgeschäfte mit dritten Gesellschaften anwendbar sei, in denen Vorstandsmitglieder einen maßgeblichen Einfluss ausüben, hat der BGH offen gelassen, da sich im vorliegenden Fall die Zuständigkeit des Aufsichtsrats bereits daraus ergibt, dass in dem Vertrag die Vorstandsvergütung geregelt wurde.

Vorstandsmitglieder verletzen ihre Pflichten nicht nur dann, wenn sie eigenhändig tätig werden, sondern auch, wenn sie gegen pflichtwidrige Handlungen anderer Vorstandsmitglieder nicht einschreiten

Da die AG im konkreten Fall bei Abschluss des Beratungsvertrags durch den Vorstand vertreten wurde, hat der Vorstand hier aufgrund der Missachtung der aktienrechtlichen Kompetenzverteilung (vgl. § 82 Abs. 2 AktG) pflichtwidrig gehandelt. In diesem Zusammenhang ist es unerheblich, dass der Beklagte den Beratungsvertrag gar nicht seitens der AG abschloss und sich zudem bei dem zugrundeliegenden Vorstandbeschluss der Stimme enthielt. Nach ständiger Rechtsprechung des BGH verletzen Vorstandsmitglieder ihre Pflichten nicht nur dann, wenn sie eigenhändig tätig werden, sondern auch, wenn sie gegen pflichtwidrige Handlungen anderer Vorstandsmitglieder nicht einschreiten.

Bei einem Rechtsirrtum eines Vorstandsmitglieds sind nach der ständigen Rechtsprechung zwar strenge Anforderungen an eine Entlastung zu stellen. Diese dürfen allerdings nicht überspannt werden

Die Schuld des beklagten Vorstandsmitglieds angesichts der Pflichtverletzung wurde im vorliegenden Fall verneint. Der Vorstand war davon ausgegangen, dass der Beratervertrag nach der im Vorfeld erteilten, falschen Rechtsauskunft nicht der Zustimmung des Aufsichtsrats unterliegen und in die alleinige Kompetenz des Vorstands fallen würde. Bei einem Rechtsirrtum sind nach der ständigen Rechtsprechung strenge Anforderungen an die Entlastung des Vorstandsmitglieds zu stellen. Dieses muss sich von einem unabhängigen, qualifizierten Berufsträger, dem alle Informationen offengelegt wurden, beraten lassen und es hat den erteilten Rechtsrat einer sorgfältigen Plausibilitätskontrolle unterziehen. Hinsichtlich des Umfanges der Plausibilitätsprüfung führt der BGH aus, dass eine rechtliche Überprüfung der Rechtsauskunft nicht erforderlich ist.

Die erforderliche Plausibilitätskontrolle eines eingeholten Rechtsrats durch ein Vorstandsmitglied erfordert keine Prüfung, die ihrerseits juristische Fachkenntnisse voraussetzt

Vielmehr ist lediglich zu überprüfen, ob dem Berater alle erforderlichen Informationen zur Verfügung standen, dieser die Informationen verarbeitet hat und alle sich für einen Rechtsunkundigen aufdrängenden Fragen widerspruchsfrei beantwortet sind. Nach Meinung des BGH musste der Vorstand im konkreten Fall die erteilte Rechtsauskunft nicht weiter hinterfragen. Denn die Anforderungen würden überspannt, wenn von einem Rechtsunkundigen Kenntnisse der rechtlichen Unterscheidung zwischen Zustimmungsbedürftigkeit und Vertretungsmacht erwartet würden. Eine Entlastung des Vorstandsmitglieds aufgrund eines Rechtsirrtums verlangt nicht, dass ein Prüfauftrag ausdrücklich für eine bestimmte Rechtsfrage erteilt wird, sondern nur, dass die Prüfung aus der Sicht des nicht fachkundigen Organs die zweifelhafte Frage umfasst.

Fazit

Begrüßenswert ist, dass der BGH Konkretisierungen zur Abschlusskompetenz in der AG und zur Entlastung des Vorstands bei Rechtsirrtümern vornimmt. Das Urteil enthält zudem wichtige Grundsätze für die aktienrechtliche Praxis. Für den Abschluss der die Vergütung betreffenden Verträge ist der Aufsichtsrat zuständig, auch wenn ein derartiger Vertrag als „Beratungsvertrag“ tituliert und mit einem Dritten abgeschlossen wurde. Hinsichtlich der Organhaftung ist die Klarstellung des BGH zu begrüßen, dass die erforderliche Plausibilitätskontrolle eines eingeholten Rechtsrats durch ein Vorstandsmitglied keine Prüfung umfasst, die ihrerseits juristische Fachkenntnisse voraussetzt.

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