23.04.2024Fachbeitrag

BGH: Schutz des öffentlichen Interesses an Registerpublizität gegenüber individuellen Datenschutzinteressen eines GmbH-Geschäftsführers bzw. eines Kommanditisten vorrangig (Beschlüsse vom 23.01.2024, Az. II ZB 7/23 und II ZB 8/23)

Der Geschäftsführer einer GmbH forderte aufgrund erheblicher Bedenken um seine Sicherheit die Löschung seiner persönlichen Daten (Wohnort und Geburtsdatum) aus dem Handelsregister. Der zweite Senat des BGH lehnt einen Anspruch ab (Az. II ZB 7/23). Ein solcher bestehe weder auf Grundlage der Datenschutz-Grundverordnung (DS-GVO) noch aus nationalem Recht. Geschäftsführer von Gesellschaften müssen mit der Veröffentlichung ihrer persönlichen Daten leben, auch wenn sie sich dadurch gefährdet sehen, da funktionsfähige und verlässliche öffentliche Register unerlässlich seien. Sicherheit, Lauterkeit und Leichtigkeit des Rechtsverkehrs seien bei Entfernung der persönlichen Daten gefährdet. Im Übrigen sei nicht ersichtlich, dass die Offenlegung die berufsbedingte Gefahrenlage für den betroffenen Geschäftsführer relevant erhöhe. Dasselbe gelte für die Veröffentlichung der persönlichen Daten eines Kommanditisten (Az. II ZB 8/23).

Sachverhalte

Der Geschäftsführer einer GmbH begehrte die Löschung seiner im Handelsregister eingetragenen persönlichen Daten (Geburtsdatum und Wohnort), da er um seine Sicherheit fürchte. Er fühle sich durch die Veröffentlichung dieser Daten in seiner Sicherheit gefährdet, da er beruflich mit Sprengstoff zu tun habe. Die Offenlegung seiner persönlichen Daten setze ihn der erhöhten Gefahr einer Entführung oder eines Raubes aus, da versucht werden könnte, auf diesem Weg an die gefährlichen Substanzen zu gelangen, über deren Lagerung der Geschäftsführer von Berufswegen Kenntnis habe. Vor diesem Hintergrund seien auch sein Geburtsdatum und sein Wohnort im Melde- und im Fahrzeugregister gesperrt.

In dem Parallelverfahren begehrte derselbe Antragsteller aus denselben Gründen als Kommanditist einer KG die Entfernung seiner persönlichen Daten aus dem Handelsregister sowie hilfsweise, Geburtsdatum und Wohnort erst nach einer Interessenabwägung an Dritte zu übermitteln.

Entscheidungen des BGH

Den Entscheidungen des BGH folgend besteht weder aufgrund der DS-GVO noch aufgrund nationalen Rechts ein Anspruch auf Entfernung der persönlichen Daten aus dem Handelsregister.

  1. Ein Anspruch auf Entfernung der Daten sei gem. Art. 17 Abs. 3 lit. b) Fall 1 DS-GVO ausgeschlossen. Obwohl die DS-GVO den Schutz personenbezogener Daten hochhalte, lasse sie Ausnahmen zu, wenn die Verarbeitung dieser Daten zur Erfüllung einer rechtlichen Verpflichtung erforderlich ist. Die Eintragung, Speicherung und Offenlegung der persönlichen Daten eines GmbH-Geschäftsführers bzw. Kommanditisten im Handelsregister ist laut BGH zur Erfüllung einer rechtlichen Verpflichtung des Registergerichts erforderlich (Art. 17 Abs. 3 lit. b) Fall 1 DS-GVO). Die Rechtsgrundlage dieser rechtlichen Verpflichtung genüge den Anforderungen des Art. 6. Abs. 2 und 3 DS-GVO. Der Anmeldung der GmbH sei gem. § 8 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 GmbHG die Legitimierung des Geschäftsführers beizufügen. Das Registergericht sei nach § 10 Abs. 1 S. 1 GmbHG, § 387 Abs. 2 FamFG, § 43 Nr. 4 S. 1 lit. b) HRV verpflichtet, bei der Eintragung einer GmbH in das Handelsregister neben dem Familiennamen und Vornamen die persönlichen Daten des Geschäftsführers (Wohnort und Geburtsdatum) einzutragen und gem. § 9 Abs. 1 S. 1 HGB offenzulegen. Diesbezüglich bestehen laut BGH keine Ausnahmen; auch habe das Registergericht keinen Beurteilungs- oder Ermessensspielraum. Selbiges gelte für die Anmeldung einer Kommanditgesellschaft.
     
  2. Diese rechtlichen Verpflichtungen des Registergerichts verfolgen ein im öffentlichen Interesse liegendes Ziel (vgl. Art. 6 Abs. 3 S. 2 und S. 4 DS-GVO). Sie sollen den Schutz der Sicherheit, Lauterkeit und Leichtigkeit des Rechtsverkehrs im kaufmännischen und handelsgesellschaftlichen Bereich gewährleisten.
    Sinn und Zweck des Handelsregisters lägen im Hinblick auf die Person des Geschäftsführers einer GmbH u.a. darin, der Öffentlichkeit die Information bezüglich der Vertretungsverhältnisse der am geschäftlichen Verkehr teilnehmenden Kapitalgesellschaften zu ermöglichen. Dabei werde die Zuverlässigkeit des Registers zum einen durch die registerrechtliche Kontrolle der Eintragungsanmeldungen gewährleistet, zum anderen dadurch, dass sich an das Vertrauen in die Eintragungen gewisse materiellrechtliche Wirkungen anknüpfen. Der Verwirklichung dieses schützenswerten Interesses des Rechtsverkehrs dienen die Eintragung, Speicherung und Offenlegung des vollständigen Namens, Geburtsdatums und Wohnorts eines GmbH-Geschäftsführers. Die Person des Geschäftsführers gehöre zu den Grundinformationen einer GmbH, da der Geschäftsführer das vertretungsberechtigte Organ der Gesellschaft sei, das im Rechtsverkehr verbindlich für die Gesellschaft als juristischer Person handeln dürfe (§ 35 GmbHG).

    Im Hinblick auf die Eintragung der Angaben zu den Kommanditisten einer KG im Handelsregister habe der Rechtsverkehr ein berechtigtes Interesse an der Information über die an der Gesellschaft beteiligten Personen, da diese entscheidenden Einfluss auf die Geschicke der Gesellschaft hätten und wegen der persönlichen Haftung auch für die Bonität der Gesellschaft stünden. Dabei sei es unerheblich, dass die Kommanditisten nach dem gesetzlichen Modell von der Geschäftsführung ausgeschlossen und ihre Haftung nach der Eintragung auf die Haftsumme beschränkt sei. Die genannten Angaben zur Person eines Kommanditisten dienen nach den Feststellungen des BGH insbesondere der von der Registerpublizität intendierten Erleichterung einer Forderungsdurchsetzung von Gesellschaftsgläubigern in Fällen einer unmittelbaren persönlichen Haftung eines Kommanditisten beispielsweise nach Rückzahlung der Kommanditeinlage und damit auch der Absicherung der Bonitätseinschätzung der Gesellschaft.

    Dem BGH folgend stehen die durch die Datenveröffentlichung für den Geschäftsführer/Kommanditisten verursachten Nachteile in einem angemessenen Verhältnis zum verfolgten legitimen Zweck. Wohnort und Geburtsdatum seien – beispielsweise im Falle einer Namensgleichheit – geeignet für die Individualisierung und Identifizierung der Person des Geschäftsführers/Kommanditisten. Bei der Gewichtung des Eingriffs in die Privatsphäre des Geschäftsführers/Kommanditisten sei zu berücksichtigen, dass sich die Verarbeitung auf sehr wenige personenbezogene Daten beschränke. Weiterhin habe der Geschäftsführer/Kommanditist in Kenntnis dessen selbst den Anlass für die Eintragung gegeben. Die Registerpublizität sei quasi der „Preis“, der für den Zugang zum Handelsverkehr als Geschäftsführer einer GmbH/Kommanditist einer KG zu akzeptieren sei. Im Übrigen werde iSd. § 52 S. 2 HRV technisch sichergestellt, dass weder eine gezielte Suche nach natürlichen Personen noch ein Massenabruf im Handelsregister möglich sei.
     
  3. Der Senat ließ offen, ob eine Löschung bei einer tatsächlichen erheblichen Gefährdung in Betracht käme. Diese habe der betroffene Geschäftsführer/Kommanditist vorliegend nicht ausreichend konkretisiert. Die geltend gemachten Befürchtungen könnten in vergleichbarer Weise bei einer Vielzahl von anderen beruflichen Tätigkeiten gegeben sei. Würde man bei einer generellen Gefährdung bereits Ausnahmen von der Veröffentlichung von Basisdaten des Geschäftsführers/Kommanditisten machen, wäre die im öffentlichen Interesse stehende Publizitäts- und Informationsfunktion des Handelsregisters nicht mehr ausreichend gewährleistet.
     
  4. Auch sei es unerheblich, dass eine entsprechende Löschung der persönlichen Daten im Melde- sowie im Fahrzeugregister vollzogen worden sei, da die dort veröffentlichen Daten (insbesondere die vollständige Anschrift) wesentlich weitgehender seien.
     
  5. Im Übrigen sei ein Folgenbeseitigungs- sowie ein Unterlassungsanspruch gem. §§ 1004 Abs. 1 S. 2 analog, 823 Abs. 1, 839 BGB iVm. Art. 2 Abs. 1 GG mangels Rechtswidrigkeit der Datenvereinbarung nicht gegeben.

Hinweis

Der BGH hat mit seinen Beschlüssen vom 23.01.2024, Az. II ZB 7/23 und II ZB 8/23, Klarheit im Bereich des Datenschutzrechts und der Handelsregistereintragungen geschaffen. Der BGH unterstreicht die Bedeutung des Handelsregisters als öffentliches Verzeichnis und stärkt dessen Funktion, Transparenz im Geschäftsverkehr zu gewährleisten. Weiterhin macht der BGH deutlich, dass das Datenschutzrecht Grenzen aufgrund anderweitiger gesetzlicher Anforderungen hat. So ist der Schutz des öffentlichen Interesses und die Gewährleistung der Rechtssicherheit im Handelsverkehr über individuelle Datenschutzinteressen zu stellen.

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