25.08.2015Fachbeitrag

Newsletter Arbeitsrecht Oktober 2015

Kein Schadensersatzanspruch für von rechtswidrigem Streik Geschädigte?!

BAG, Urteil vom 25. August 2015 – 1 AZR 754/13 BAG, Urteil vom 25. August 2015 – 1 AZR 875/13

Deutschland erlebt derzeit eine Renaissance der Streikkultur. Unsere Wirtschaftsabläufe leben von einer engen Verzahnung unterschiedlicher Unternehmen, Dienstleister und Zulieferer. Diese enge Verzahnung bringt eine große Anfälligkeit für Störungen der Abläufe mit sich. Diesen Umstand hat schon in der Vergangenheit bspw. die IG Metall geschickt ausgenutzt und – zur Schonung der Streikkasse – Schlüsselzulieferer mit kleinen Belegschaften bestreikt, um damit die Automobilindustrie insgesamt zu treffen.

Heute beobachten wir, wie kleine Spartengewerkschaften ihre (zahlenmäßig überschaubaren) Mitglieder zum Streik aufrufen und damit enorme Auswirkungen verursachen. Dabei wird der Druck auf den Arbeitgeber gezielt auch damit ausgeübt, dass der Streik eine Vielzahl an Personen (Berufspendler, Berufsreisende, Urlaubsreisende, Gütertransport, Güterversorgung von Industriekunden usw.) trifft.

Streik als legitimes Arbeitskampfmittel

Ein Streik, also die Arbeitsniederlegung als solche, kann Schadensersatzansprüche der davon Betroffenen auslösen. Ein (rechtmäßiger) Streik wird aber durch Art. 9 Abs. 3 GG gerechtfertigt. In solchen Fällen sind Gewerkschaft und Streikende also vor Schadensersatzansprüchen geschützt. Auch wenn der Gesetzgeber bis dato keine Kraft zur Regelung dieser Fragen gefunden hat, ist die Rechtsprechung von BAG und BVerfG insoweit seit Jahrzehnten klar. Ein rechtswidriger Streik genießt diesen Schutz nicht. Er kann gerichtlich untersagt werden und führt für die Gewerkschaft und Streikenden zu Schadensersatzpflichten, jedenfalls gegenüber dem Streikopfer.

BAG: Kein Schadensersatz für Drittbetroffene

In zwei Entscheidungen vom 25. August 2015 hat das BAG nun einen Schadensersatzanspruch von Unternehmen, die durch den rechtswidrigen Streik gegen ein anderes Unternehmen betroffen waren, verneint. In einem der beiden Fälle hatte die Gewerkschaft der Fluglotsen (GdF) den Flughafen Stuttgart bestreikt, wodurch zahlreiche Flüge diverser Fluglinien ausfielen. Im zweiten Fall hatte die GdF einen Streik angekündigt und schon durch die Ankündigung gingen Buchungszahlen zurück und Flüge wurden gestrichen. In beiden Fällen wurden die Streiks durch gerichtliche Entscheidungen gestoppt bzw. ganz unterbunden. In beiden Fällen lagen also rechtswidrige Arbeitsniederlegungen vor. Das BAG verneint ausweislich in einer Pressemitteilung (die genaue Begründung liegt noch nicht vor) einen Eingriff in die Gewerbebetriebe der betroffenen Fluglinien. Der Streik der GdF sei jeweils nur gegen die Deutsche Flugsicherung (DFS) gerichtet gewesen.

Fazit

Die Entscheidungen des BAG werfen Fragen auf. Soll es für die Schadensersatzpflicht wirklich darauf ankommen, ob die Gewerkschaft ihren Streik nur gegen die DFS oder auch gegen Luftfahrtunternehmen und Reisende richtete? Gerade bei den Fluglotsen bedingt ein Streik  zwangsläufig die Beeinträchtigung des Luftverkehrs. Es mag erwägenswert sein, Gewerkschaften auf diese Weise vor Existenzangst zu schützen. Eine solche Haftungsprivilegierung ist aber systemfremd und bedürfte eines gesetzgeberischen Eingriffs. Eine Haftungsprivilegierung wäre nur akzeptabel, wenn damit eine Einschränkung des Streikrechts – wie etwa in Italien – einherginge und Ankündigungsfristen und Notdienste gewährleistet werden müssten. Nach geltendem Recht aber leuchtet diese Privilegierung von Gewerkschaften nicht ein.

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