20.07.2018Fachbeitrag

Update IP Nr. 8

Laut BGH dürfen Eltern auf das Facebook-Konto ihrer verstorbenen Tochter zugreifen

Urt. v. 12.07.2018, Az.: III ZR 183/17

Zum Sachverhalt

Die Klägerin ist die Mutter ihrer im Alter von 15 Jahren verstorbenen Tochter und neben dem Vater auch Teil der Erbengemeinschaft. Die Beklagte betreibt das soziale Netzwerk Facebook, auf dem die Tochter ein Benutzerkonto unterhielt. Die Tochter verstarb unter bisher ungeklärten Umständen im Rahmen eines U-Bahn-Unglücks. Um Aufschluss darüber zu erhalten, ob Ihre Tochter zuvor Suizidabsichten hatte, versuchte sich die Mutter Zugang zu dem Benutzerkonto der Tochter zu verschaffen. Dies war trotz zutreffender Nutzerdaten nicht mehr möglich, da Facebook das Benutzerkonto in einen sog. Gedenkzustand versetzt hatte. Bei diesem ist der Zugang zwar verwehrt, die Inhalte des Benutzerkontos mitsamt der kommunikativen Inhalte bleiben jedoch erhalten. Auch auf ihre Intervention hin gewährte Facebook ihr keinen Zugang zu dem Account Die Mutter begehrte mit ihrer Klage nun Zugriff auf das Benutzerkonto.

Der Prozessverlauf

Das Landgericht Berlin (Urt. v. 17. 12. 2015, Az.: 20 O 172/15) hatte der Klage ursprünglich stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten hin hatte das Kammergericht in Berlin (Urt. v. 31. 5. 2017, Az.: 21 U 9/16) dieses erstinstanzliche Urteil jedoch abgeändert und die Klage abgewiesen. Auf die Revision der Mutter hin hat der III. Zivilsenat des BGH das Urteil des Kammergerichts nun aufgehoben und das erstinstanzliche Urteil des Landgerichts wiederherstellt.

Die Entscheidung des BGH

Nach Ansicht des BGH haben die Eltern gegen die Beklagte einen Anspruch, der es ihnen ermöglicht, Zugang zum Benutzerkonto der Tochter mitsamt allen enthaltenen Kommunikationsinhalten zu erhalten. Dieser ergebe sich aus dem zwischen der Beklagten und der Tochter geschlossenen Vertrag über das Benutzerkonto bei Facebook, welcher im Wege der Gesamtrechtsnachfolge (§ 1922 Abs. 1 BGB) auf die Eltern als Erben übergegangen sei. Das Urteil beruht auf folgenden Erwägungen:

Gedenkzustands-Klausel unwirksam

Die Vererblichkeit des Nutzungsvertrags sei nicht durch vertragliche Bestimmungen ausgeschlossen. Die Nutzungsbedingungen enthielten zunächst keine Regelung bezüglich des Zugangs beim Versterben des Nutzers. Darüber hinaus seien die Klauseln zu dem Gedenkzustand weder wirksam in den Vertrag einbezogen noch würden diese einer Inhaltkontrolle nach § 307 Abs. 1 u. 2 BGB standhalten und seien mithin unwirksam.

Nutzungsvertrag nicht höchstpersönlicher Natur

Der Abschluss des Nutzungsvertrags erfolge zwar grundsätzlich in der Erwartung, dass die ausgetauschten Nachrichten des sozialen Netzwerks vertraulich bleiben. Die vertragliche Verpflichtung zur Bereitstellung der kommunikativen Inhalte bestehe aber ausschließlich darin, diese an das betreffende Benutzerkonto zu übermitteln. Eine Übermittlung an eine bestimmte Person sei demgegenüber nicht Inhalt des Vertrags. Im Übrigen bestünde kein schutzwürdiges Vertrauen dergestalt, als dass Dritte keine Kenntnis vom Kontoinhalt erlangen könnten. Denn schon zu Lebzeiten müsse mit dem Missbrauch des Zugangs durch Dritte oder mit der Zugangsgewährung seitens des Kontoberechtigten gerechnet werden und darüber hinaus bei dessen Tod mit der Vererbung des Vertragsverhältnisses.

Vergleichbarkeit mit vertraulichen analogen Dokumenten

Der BGH führte zudem als Vergleich an, dass auch analoge Dokumente mit höchstpersönlichen Inhalten – wie Tagebücher oder persönliche Briefe (Vgl. § 2047 Abs. 2, § 2373 S. 2) – auf die Erben übergehen. Aus erbrechtlicher Perspektive sei kein Grund ersichtlich, digitale Inhalte anders zu behandeln.

Fernmeldegeheimnis nicht einschlägig

Zudem verbiete § 88 Abs. 3 des Telekommunikationsgesetzes (TKG) zwar den Providern, sich und "anderen" Kenntnis über Kommunikationsinhalte zu verschaffen. Ein Erbe sei jedoch kein anderer im Sinne des TKG, sodass das Fernmeldegeheimnis hier nicht einschlägig sei.

Keine Datenschutzbedenken

Schließlich seien datenschutzrechtliche Belange der Erblasserin nicht tangiert, da die Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) nur lebende Personen schütze. Die Verarbeitung entsprechender kommunikativer Inhalte sei zudem aufgrund vertraglicher Verpflichtungen gegenüber der Erblasserin als Kommunikationspartnerin sowie aufgrund berechtigter überwiegender Interessen der Erben zulässig.

Grundsätzliche Bedeutung für digitalen Nachlass

Nach dem Urteil des BGH ist damit zu rechnen, dass auch vergleichbare digitale Accounts im Wege der Gesamtrechtsnachfolge auf die Erben des ursprünglichen Kontoberechtigten übergehen. Dies dürfte beispielsweise für andere soziale Netzwerke wie Instagram oder LinkedIN, aber auch E-Mail-Konten gelten.

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