28.03.2023Fachbeitrag

Update Arbeitsrecht März 2023

Fortbestand der Schwerbehindertenvertretung bei Absinken der Anzahl der schwerbehinderten Beschäftigten in einem Betrieb unter fünf

Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 19.10.2022, 7 ABR 27/21

Das Thema

Die nach § 177 Abs. 7 S. 1 SGB IX vorgesehene regelmäßige Amtszeit einer betrieblichen Schwerbehindertenvertretung von vier Jahren endet nicht vorzeitig, wenn die Voraussetzung ihrer Errichtung, von mindestens fünf schwerbehinderten oder ihnen gleichgestellten im Betrieb beschäftigten Personen, zwischenzeitlich unterschritten wird.

Sachverhalt und Historie

Im November 2019 wurde im Kölner Betrieb einer Arbeitgeberin, in dem ungefähr 120 Mitarbeitende beschäftigt waren, eine Schwerbehindertenvertretung gewählt. Im August 2020 sank die Zahl der im Betrieb beschäftigten schwerbehinderten Personen auf vier. Die Schwerbehindertenvertretung wurde daraufhin von der Arbeitgeberin darüber informiert, dass sie nach Ansicht der Arbeitgeberin aufgelöst sei und sie somit die schwerbehinderten Personen im Betrieb nicht länger vertreten würde.

Die Schwerbehindertenvertretung begehrte die Feststellung, dass ihre Amtszeit durch das Absinken der Anzahl schwerbehinderter Menschen nicht vorzeitig beendet worden sei. Die Gründe für ein vorzeitiges Erlöschen seien in § 177 Abs. 7 SGB IX abschließend festgelegt. Nachdem das Arbeits- und Landesarbeitsgericht den Antrag abgewiesen haben, legte sie Rechtsbeschwerde zum BAG ein

Die Entscheidungsgründe des Bundesarbeitsgerichts

Die Schwerbehindertenvertretung ist die Interessenvertretung der schwerbehinderten und diesen gleichgestellten Beschäftigten und wird nach § 177 Abs. 1 S. 1 SGB IX errichtet, wenn in einem Betrieb wenigstens fünf schwerbehinderte Menschen nicht nur vorübergehend beschäftigt sind. Ihre Amtszeit beträgt vier Jahre.

Im Gesetz existiert keine ausdrückliche Regelung zum vorzeitigen Erlöschen der Schwerbehindertenvertretung. Diese ergibt sich nach Ansicht des BAG auch nicht aus gesetzessystematischen Gründen oder im Hinblick auf den Sinn und Zweck des Schwellenwerterfordernisses. Hieraus folgert das BAG den Fortbestand der Vertretung.

Damit weicht das Gericht von der zur Auflösung des Betriebsrats anerkannten Rechtsprechung ab, nach der dessen Amtszeit durch ein dauerhaftes Absinken der Zahl wahlberechtigter Arbeitnehmer beendet wird. Einen Unterschied zu diesem Fall sieht das BAG bei der Schwerbehindertenvertretung darin, dass § 177 SGB IX nicht an die „in der Regel“ in der Organisationseinheit beschäftigten Personen anknüpft. Somit sei weder eine rückblickende noch eine prognostische Einschätzung, sondern allein eine Feststellung zum Zeitpunkt der Errichtung der Vertretung veranlasst.

Hinweise für die Praxis

Der Beschluss verdeutlicht die Rechtslage zum umfassenden Schutz schwerbehinderter Arbeitnehmer. Sind in einem Betrieb mehr als fünf schwerbehinderte Arbeitnehmer beschäftigt, ist eine Schwerbehindertenvertretung einzurichten.

Diese Schwelle wird in der Regel spätestens ab einer Beschäftigtenzahl von 100 Arbeitnehmern überschritten sein, da nach § 154 SGB IX in diesem Fall eine Beschäftigungspflicht im Umfang von mindestens fünf Arbeitnehmern besteht. Bereits ab einer Anzahl von 20 Arbeitnehmern gilt nach dieser Vorschrift, dass 5 % der Arbeitsplätze an schwerbehinderte Menschen vergeben werden müssen. Ist dies nicht der Fall, werden Ausgleichsabgaben fällig.

Arbeitgeber können aus dem vorliegenden Beschluss positiv für sich ziehen, dass die Zusammenarbeit mit einer einmal eingerichteten Schwerbehindertenvertretung auf die volle Amtszeit hin geplant werden kann, was die langfristige Umsetzung von Projekten und effiziente Abläufe erleichtern kann.

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