13.07.2017Fachbeitrag

Newsletter Gesellschaftsrecht/M&A Juli 2017

Einstweiliger Rechtsschutz bei fehlerhafter Gesellschafterliste

Aus verschiedenen Gründen können fehlerhafte GmbH-Gesellschafterlisten zur Aufnahme im Handelsregister eingereicht werden, die mit der materiell-rechtlichen Lage nicht übereinstimmen. Ist die fehlerhafte Gesellschafterliste erst einmal im Handelsregister aufgenommen, hat dies weitreichende Konsequenzen für den nicht aufgeführten materiellrechtlich „richtigen“ Gesellschafter. Das Kammergericht Berlin hat sich daher seit 2015 mehrfach mit der Frage befasst, welche Ansprüche dieser betroffene Gesellschafter im einstweiligen Rechtsschutz geltend machen kann.

Schutz vor dem Verlust der Gesellschafterrechte aufgrund nichtiger Einziehungsbeschlüsse und nichtiger Übertragungsverträge

Eine fehlerhafte Gesellschafterliste kann dazu führen, dass ein Gesellschafter, möglicherweise sogar der Mehrheitsgesellschafter, faktisch aus einer GmbH ausgeschlossen wird. Denn gemäß § 16 Abs. 1 Satz 1 GmbHG gilt im Verhältnis zur Gesellschaft die unwiderlegbare Vermutung, dass nur die in der Gesellschafterliste eingetragenen Personen Gesellschafter sind. Wird z. B. nach Abschluss eines nichtigen Kauf- und Übertragungsvertrages oder nach einem nichtigen Gesellschafterbeschluss über die Zwangseinziehung des Geschäftsanteils durch den Notar eine neue fehlerhafte Gesellschafterliste zum Handelsregister eingereicht und anschließend aufgenommen, wird dem betroffenen Gesellschafter so jede Einflussmöglichkeit auf die Gesellschaft genommen. Bis eine Entscheidung in einem ordentlichen  Gerichtsverfahren vorliegt, können der oder die anderen Gesellschafter die Gesellschaft ohne den so Ausgeschlossenen umgestalten.

Kein Korrekturrecht des Gesellschafters

Daher stellt sich die Frage, wie sich der Betroffene möglichst schnell gegen eine fehlerhafte Gesellschafterliste wehren kann. Eine korrigierte Gesellschafterliste kann der Betroffene selbst nicht einreichen, da dieses Recht nur den Geschäftsführern der Gesellschaft zusteht. Entsprechend wichtig ist der einstweilige Rechtsschutz.

Unzureichender Schutz durch Widerspruch

Ausdrücklich vorgesehen ist in § 16 Abs. 3 Satz 4 GmbHG die Zuordnung eines Widerspruchs zu der Gesellschafterliste, ggf. im einstweiligen Rechtsschutz. Der Widerspruch schützt jedoch nur vor dem Erwerb des Geschäftsanteils durch einen gutgläubigen Dritten. Der beste Schutz für den materiell-rechtlich berechtigten Gesellschafter liegt in der vorläufigen Nicht-Aufnahme der fehlerhaften Gesellschafterliste bis die materiell-rechtliche Situation geklärt ist.

Kammergericht: Aufnahme der Liste ist keine Handelsregistereintragung

Nach § 16 Abs. 2 HGB kann im einstweiligen Rechtsschutz die Vornahme einer Eintragung in das Handelsregister für unzulässig erklärt werden. Nach Auffassung des Kammergerichts (KG Beschluss vom 5.7.2016 – 22 W 114/15, KG Beschluss vom 12.12.2016 – 23 W 43/16, unveröffentlicht) findet jedoch § 16 Abs. 2 HGB – auch analog – keine Anwendung auf die Aufnahme der Gesellschafterliste. Die Aufnahme der Gesellschafterliste stelle keine Eintragung in das Handelsregister dar und sei auch nicht damit vergleichbar. Die privat geführte Gesellschafterliste werde vom Registergericht nur verwahrt, was mit der Vornahme einer Eintragung nicht gleichzusetzen sei. Aus diesem Grund lehnte das Kammergericht auch einen Antrag auf Untersagung der Einreichung als eine „Unzulässigkeits-Erklärung“ im Sinne des § 16 Abs. 2 HGB ab (KG Beschluss vom 24.8.2015 – 23 U 20/15).

Rücknahme der Liste durch Geschäftsführer

Nicht abschließend entschieden hat das Kammergericht, ob eine Einreichungsuntersagung oder Rücknahmeanordnung auf einer anderen rechtlichen Grundlage möglich ist (KG Beschluss vom 12.12.2016 – 23 W 43/16, unveröffentlicht). Nach seiner Ansicht wäre ein solcher Antrag jedoch gegen den Geschäftsführer der Gesellschaft zu richten, nicht gegen den Notar, der die Liste eingereicht hat. Das Gericht zieht hier eine Parallele zu der Einreichung einer korrigierten Gesellschafterliste durch die Geschäftsführer. In dieser Konstellation ist nach dem BGH (Urteil vom 17.12.2013 – II ZR 21/12) dem Betroffenen nicht nur vor Einreichung der Gesellschafterliste Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben, er kann auch im einstweiligen Rechtsschutz erreichen, dass dem Geschäftsführer die Einreichung untersagt wird.

Kammergericht: Keine Korrektur im Eilrechtsschutz

Ist die fehlerhafte Gesellschafterliste einmal aufgenommen, lehnt das Kammergericht die Löschung und damit eine Rücknahme der Gesellschafterliste mit der Begründung ab, dass auch das Gesetz keine Löschung vorsieht (KG Beschluss vom 5.7.2016 – 22 W 114/15). Eine Listenkorrektur nach Aufnahme wiederum könne nur erzwungen werden, wenn zweifelsfrei feststeht, dass die korrigierte Gesellschafterliste richtig ist. Eine solche Gewissheit könne in der Regel, so das Gericht, jedoch nicht im einstweiligen Rechtsschutz erlangt werden (KG Urteil vom 10.12.2015 23 I 99/15).

Kommunikation mit dem Registergericht

Ein Antrag auf Untersagung oder Rücknahme ist immer auch ein Wettlauf gegen die Zeit. Das Registergericht ist gehalten, die eingereichte Gesellschafterliste unverzüglich aufzunehmen und hat hierbei keine materiell-rechtliche Prüfungskompetenz, sofern solche Fehler nicht offensichtlich vorliegen. Daher kann es sinnvoll sein, einen Antrag auf Aussetzung des Verfahrens beim Registergericht zu stellen, auch wenn die Zulässigkeit eines solchen Antrags umstritten ist. Setzt das Registergericht das Verfahren bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung im einstweiligen Rechtsschutz aus, erfolgt zumindest solange keine Aufnahme der fehlerhaften Gesellschafterliste.

Einstweilige Regelung der Gesellschafterrechte als Option

In den zu entschiedenen Einzelfällen hat das Kammergericht auf eine einstweilige Regelung der Gesellschafterrechte unabhängig von der registerrechtlichen Lage abgestellt. Eine Regelung, nach welcher der Betroffene – hier ein Gesellschafter, dessen Geschäftsanteil einzogen worden war – weiter als Gesellschafter zu behandeln sei, bedürfe jedoch einer eindeutigen Sach- und Rechtslage und sei nur zur Abwendung wesentlicher Nachteile, d.h. bei Existenzgefährdung oder der Gefahr des endgültigen Rechtsverlusts zulässig (KG, Urteil vom 10.12.2015 23 I 99/15). In Hinblick auf den nach summarischer Prüfung nichtigen Kaufund Übertragungsvertrag hat das Kammergericht eine Kompromisslösung gefunden: Es hat dem fehlerhaften Gesellschafter untersagt, unter Berufung auf die – in diesem Fall bisher nur eingereichte, aber noch nicht aufgenommene – fehlerhafte Gesellschafterliste Gesellschafterrechte auszuüben (KG, Urteil vom 27.3.2017 – 23 W 7/17, nicht veröffentlicht). Damit hat es die endgültige Entscheidung in die Hände des Registergerichts gelegt. Nimmt dieses die fehlerhafte Liste auf, könnte keine Partei Gesellschafterrechte ausüben. Nimmt es sie nicht auf, kann sich der fehlerhaft ausgeschlossene Gesellschafter weiterhin auf eine Liste berufen, die ihn als Gesellschafter ausweist.

Fazit

In der Praxis ist es zu empfehlen, im einstweiligen Rechtsschutz sowohl die Zuordnung eines Widerspruchs zu der fehlerhaften Gesellschafterliste als auch eine einstweilige Regelung der Gesellschafterrechte zu beantragen, wenn dem Betroffenen durch die Nicht-Behandlung als Gesellschafter wesentliche Nachteile drohen. Eine parallele Information des Registergerichtes kann sinnvoll sein, auch wenn dieses nur ein sehr begrenztes Prüfungsrecht hat.

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