09.03.2023Fachbeitrag

Update Kartellrecht, 9. März 2023

Weitere Anmeldepflicht für M&A-Transaktionen: Überblick über die Verordnung über drittstaatliche Subventionen („Foreign Subsidies Regulation – FSR“)

I. Überblick

Mit der Verordnung über drittstaatliche Subventionen (Verordnung (EU) 2022/2560; „Foreign Subsidies Regulation – FSR“) werden bestimmte Transaktionen einer weiteren Anmeldepflicht bei der Europäischen Kommission unterliegen.

Für die beteiligten Unternehmen bedeutet die Prüfung der Anmeldepflicht und die Anmeldung selbst einen erheblichen Aufwand, da sie bei Überschreiten bestimmter Schwellenwerte verpflichtet sind, umfangreiche Daten und Informationen über finanzielle Zuwendungen aus Nicht-EU-Ländern zusammenzustellen.

Die Anmeldepflicht ist bei der Planung von künftigen M&A-Transaktionen zu berücksichtigen: Wie bei Fusionskontrollverfahren dürfen die Unternehmen einen anmeldepflichtigen Zusammenschluss erst vollziehen, wenn die Europäische Kommission ihre Zustimmung nach der FSR erteilt hat („Vollzugsverbot“).

Die FSR ist am 12. Januar 2023 in Kraft getreten und gilt ab dem 12. Juli 2023. Ab diesem Datum kann die Europäische Kommission von Amts wegen Untersuchungen von Sachverhalten einleiten (und Ad-hoc-Anmeldungen für Sachverhalte verlangen, die nicht die unten genannten Schwellen erreichen), bei denen der Verdacht besteht, dass wettbewerbsverzerrende drittstaatliche Subventionen vorliegen. Die vorherige Anmeldepflicht von M&A-Transaktionen und das Vollzugsverbot gelten ab dem 12. Oktober 2023.

Unternehmen, die an größeren M&A-Transaktionen beteiligt sind, sollten die Möglichkeit einer Anmeldepflicht frühzeitig berücksichtigen.

II. Anmeldepflicht für M&A-Transaktionen

Die Anmeldepflicht gilt für Transaktionen, d. h. wenn

1. zwei oder mehr bisher voneinander unabhängige Unternehmen oder Unternehmensteile fusionieren oder

2. ein oder mehrere Unternehmen die unmittelbare oder mittelbare Kontrolle über die Gesamtheit oder über Teile eines oder mehrerer anderer Unternehmen erwerben (auch die Gründung eines Gemeinschaftsunternehmens),

bei denen die beiden folgenden Schwellenwerte erfüllt werden:

1. Umsatz:

  • Mindestens eines der fusionierenden Unternehmen, das erworbene Unternehmen oder das Gemeinschaftsunternehmen ist in der Europäischen Union ansässig und
  • erzielt in der Union einen Gesamtumsatz von mindestens EUR 500 Mio

2. Finanzielle Zuwendung:

  • Die an der Transaktion beteiligten Unternehmen haben in den letzten drei Jahren von Drittstaaten finanzielle Zuwendungen von insgesamt mehr als EUR 50 Mio. erhalten.

Der Begriff der finanziellen Zuwendung ist äußerst weit gefasst. Er umfasst

  • Den Transfer von Geldern oder Verbindlichkeiten (z. B. Kredite, Kreditgarantien oder Schuldenerlass),
  • den Verzicht auf ansonsten fällige Einnahmen (z. B. Steuerbefreiungen) und
  • sogar die Bereitstellung sowie den Erwerb von Waren und Dienstleistungen. Selbst kleine Käufe oder Verkäufe an Behörden o. ä. sind grundsätzlich erfasst.

Der Begriff der finanziellen Zuwendung ist zu unterscheiden von dem engeren, ebenfalls in der FSR verwendeten Begriff der „drittstaatlichen Subventionen“: Als „drittstaatliche Subvention“ gilt eine finanzielle Zuwendung, wenn ein Drittstaat direkt oder indirekt eine finanzielle Zuwendung gewährt, die einem Unternehmen, das eine wirtschaftliche Tätigkeit auf dem Binnenmarkt ausübt, einen Vorteil verschafft und die rechtlich oder faktisch auf ein oder mehrere Unternehmen oder Wirtschaftszweige beschränkt ist.

Maßgeblich ist der Gesamtbetrag aller finanziellen Zuwendungen an einen Konzern, d. h. die finanziellen Zuwendungen an unterschiedliche Tochter-/Schwester-/ Muttergesellschaften sind zu addieren. Außerdem werden mehrere Erwerbsvorgänge zwischen denselben Parteien innerhalb der letzten beiden Jahre zusammengefasst.

III. Verfahren

Die Europäische Kommission hat 25 Arbeitstage Zeit, um zu prüfen, ob es sich bei den finanziellen Zuwendungen um drittstaatliche Subventionen handelt und ob sie den Binnenmarkt zu verzerren drohen:

Eine Verzerrung auf dem Binnenmarkt liegt vor, wenn eine drittstaatliche Subvention geeignet ist, die Wettbewerbsposition eines Unternehmens auf dem Binnenmarkt zu verbessern, und die drittstaatliche Subvention dadurch den Wettbewerb auf dem Binnenmarkt tatsächlich oder potenziell beeinträchtigt.

Wenn die Europäische Kommission in dieser Phase I Anhaltspunkte dafür gewinnt, dass ein Drittstaat einem Unternehmen eine den Binnenmarkt verzerrende drittstaatliche Subventionen gewährt hat, führt sie in Phase II eine eingehende Prüfung durch, die weitere 90 Arbeitstage (verlängerbar um 15 Arbeitstage) in Anspruch nehmen kann.

Die Europäische Kommission kann eine so genannte Abwägungsprüfung durchführen, bei der sie die positiven und negativen Auswirkungen von drittstaatlichen Subventionen abwägt.

Kommt sie zu dem Schluss, dass eine drittstaatliche Subvention den Binnenmarkt verzerrt, kann sie einen subventionierten Zusammenschluss untersagen oder den beteiligten Unternehmen Verpflichtungen oder Abhilfemaßnahmen auferlegen.

Bei einem Verstoß gegen die Anmeldepflicht oder das Vollzugsverbot kann die Europäische Kommission Geldbußen in Höhe von bis zu 10 % des aggregierten Jahresumsatzes eines Unternehmens verhängen.

IV. Nächste Schritte

Die Europäische Kommission hat in den vergangenen Wochen den Entwurf einer Durchführungsverordnung zur Diskussion gestellt. Die Durchführungsverordnung regelt die Form der Anmeldungen und gibt nähere Hinweise, wie das Verfahren ausgestaltet ist. Die eingegangenen Rückmeldungen sind auf der Webseite der Europäischen Kommission einsehbar. Die endgültige Fassung der Durchführungsverordnung ist für das zweite Quartal 2023 vorgesehen.

Anmeldungen müssen gründlich und sorgfältig vorbereitet werden und im Rahmen eines M&A-Transaktionsprozesses muss ausreichend Zeit eingeplant werden. Insbesondere Unternehmen, die regelmäßig Verträge mit Nicht-EU-Ländern (einschließlich öffentlicher oder privater Einrichtungen, deren Handlungen einem solchen Drittstaat zugerechnet werden können) schließen, sollten alle finanziellen Zuwendungen von Drittstaaten seit Juli 2018 intern ermitteln und zusammenführen.

Basierend auf unserer Erfahrung im EU-Beihilferecht unterstützen wir bei der Prüfung, welche dieser finanziellen Zuwendungen letztendlich als drittstaatliche Subventionen angesehen werden könnten und welche positiven Auswirkungen von finanziellen Zuwendungen möglicherweise im Rahmen der Abwägungsprüfung zu berücksichtigen wären.

Aufgrund unserer Expertise im EU-Fusionskontrollrecht, dessen Verfahren den neuen Verfahren unter der FSR ähnelt, führen wir auch die entsprechenden Verfahren bei der Europäischen Kommission.

V. Weitere Informationen

 

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