14.02.2020Fachbeitrag

Update Banking & Finance Februar 2020

Zur Wirksamkeit von qualifizierten Rangrücktrittsklauseln

(BGH, Urt. v. 1. Oktober 2019 – VI ZR 156/18)

In seinem Urteil vom 1. Oktober 2019 (Az.: VI ZR 156/18) hat der BGH die AGB-rechtlichen Transparenzanforderungen an qualifizierte Rangrücktrittsklauseln näher präzisiert. Die Entscheidung ist von hoher Relevanz, da nur eine wirksame qualifizierte Nachrangklausel die Erlaubnispflicht nach dem Kreditwesengesetz (KWG) entfallen lässt.

Hintergrund

In klassischen Darlehensverträgen, vor allem aber bei Genussrechten und anderen Mezzanine-Finanzierungen werden regelmäßig sogenannte „qualifizierte Rangrücktrittsklauseln“ aufgenommen. Durch einen solchen qualifizierten Rangrücktritt i.S.d. § 19 Abs. 2 InsO wird zwischen Gläubiger und Schuldner vereinbart, dass die betreffende Forderung im Insolvenzverfahren gemäß § 39 Abs. 2 InsO hinter den in § 39 Abs. 1 Nr. 1 bis 5 InsO bezeichneten Forderungen zurücktritt. Dies hat zur Folge, dass die Forderung in einer Überschuldungsbilanz des Schuldners nicht zu berücksichtigen ist. Darüber hinaus ist bei wirksamer Aufnahme des Nachrangs die Geltendmachung des Anspruchs auf Rückzahlung so lange und so weit ausgeschlossen, wie die Rückzahlung einen Grund für die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Darlehensnehmers herbeiführen würde (sogenannte „vorinsolvenzliche Durchsetzungssperre“).

Keine KWG-Erlaubnispflicht bei wirksamer qualifizierter Rangrücktrittsklausel

Von besonderer praktischer Bedeutung ist, dass eine qualifizierte Rangrücktrittsklausel die gesamte Darlehensforderung „eigenkapitalähnlich“ ausgestaltet. Daher greifen nach Ansicht der BaFin Ausnahmen von der KWG-Erlaubnispflicht ein. Denn aufgrund des Rangrücktritts ist die Forderung nicht „unbedingt rückzahlbar“ i.S.d. § 1 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 KWG, sodass kein erlaubnispflichtiges (§ 32 KWG) Einlagengeschäft für den Darlehensnehmer vorliegt. Gleiches gilt entsprechend für den Darlehensgeber, für den eine Ausnahme vom erlaubnispflichtigen Kreditgeschäft i.S.d. § 1 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 KWG eingreift.

BGH: Anforderungen an die Transparenz einer qualifizierten Rangrücktrittsklausel

Der BGH hob in seinem Urteil hervor, dass für das Bestehen der KWG-Ausnahme erforderlich sei, dass die getroffene Nachrangabrede wirksam ist. Im Falle der Unwirksamkeit der Klausel, komme ein Schadensersatzanspruch des Darlehensgebers/Anlegers aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 32 KWG (Schutzgesetz) in Betracht. Voraussetzung für die Wirksamkeit einer Rangrücktrittsklausel sei u.a., dass diese  einer AGB-rechtlichen Überprüfung standhalte, was im zu entscheidenden Fall zu verneinen war. Wesentlich sei dabei, dass gem. § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB keine „unangemessene Benachteiligung“ des Vertragspartners vorliege, was v.a. voraussetze, dass die Bestimmung klar und verständlich ist. Der Verwender von AGB sei daher verpflichtet, die Rechte und Pflichten seiner Vertragspartner möglichst klar und durchschaubar darzustellen. Hierbei müsse die Rangrücktrittsklausel nicht nur in ihrer Formulierung verständlich sein, sondern auch die mit ihr verbundenen wirtschaftlichen Nachteile und Belastungen soweit wie möglich verdeutlichen. Abzustellen ist dabei auf die Verständnismöglichkeiten des typischerweise bei Verträgen der geregelten Art zu erwartenden Durchschnittskunden. Im vom BGH zu entscheidenden Fall (Darlehensgeber war Verbraucher) sah er die vorgenannten Voraussetzungen als nicht gegeben an, mit der Folge, dass die Klausel unwirksam war. Insbesondere die mit der Verwendung der streitgegenständlichen Rangrücktrittsklausel verbundenen besonderen Risiken (v.a. vorinsolvenzlichen Durchsetzungssperre) hätten sich einem durchschnittlichen Privatanleger ohne juristische und kaufmännische Vorbildung nicht erschlossen. Die Bestimmung zur Rangrücktrittsklausel folgte zudem im Vertrag denen zur festen Laufzeit und zu den monatlichen Zins- und Tilgungsleistungen. Hierdurch sei nicht hinreichend deutlich zutage getreten, dass es zu einer dauerhaften Aussetzung jeglicher Zahlung kommen könne.

Praxisfolgen und Fazit

Sämtliche Finanzprodukte, die eine qualifizierte Rangrücktrittsklausel enthalten und die bei Verbrauchern platziert wurden, sollten kritisch auf ihre Rechtmäßigkeit (v.a. AGB-Kontrolle) hin überprüft werden. Denn vor dem Hintergrund der o.g. Rechtsprechung besteht die Gefahr, dass die Nachrrangklausel unwirksam ist und hierdurch möglicherweise Insolvenztatbestände auf Seiten des Darlehensnehmers (Emittent) eingreifen oder es infolge der Unwirksamkeit zu einem Bruch von Covenants in anderen Finanzierungsverträgen kommt. Sofern im Rahmen von Neuverträgen qualifizierte Rangrücktrittsvereinbarungen aufgenommen werden sollen, sind an die konkrete Formulierung der Vertragsklausel, die optische Darstellung und Vertragseinbettung sowie die individuelle Risikoaufklärung hohe Sorgfaltsmaßstäbe anzulegen. Je nach Einzelfall bestehen hierbei unterschiedlich hohe Anforderungen, die insbesondere bei Geschäften zwischen Unternehmern geringer sein können. Aufgrund der hohen Haftungsrisiken (v.a. Schadensersatz) und der drohenden Konsequenz einer möglicherweise entstehenden KWG-Erlaubnispflicht, empfiehlt sich die frühzeitige Hinzuziehung rechtlicher Berater.

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