14.04.2023Fachbeitrag

Update Kapitalmarktrecht Nr. 52

Zukunftsfinanzierungsgesetz: Die neue Börsenmantelaktiengesellschaft

Am 12. April 2023 wurde der Referentenentwurf eines Gesetzes zur Finanzierung von zukunftssichernden Investitionen (Zukunftsfinanzierungsgesetz („ZuFinG“)) veröffentlicht. Hierin enthalten sind erstmals gesetzliche Rahmenbedingungen zu sog. SPACs, welche in den Vereinigten Staaten schon lange etabliert sind, seit 2020 aber auch in Europa einen Boom erfahren haben. Die neue Börsenmantelaktiengesellschaft soll das deutsche Aktienrecht flexibler machen, um die Gründung von SPACs nach deutschem Recht zu ermöglichen.

Gegenwärtige Rechtslage

Das Kürzel SPAC steht für Special Purpose Acquisition Company – eine Zweckgesellschaft, die ausschließlich mit dem Ziel gegründet wird, durch einen Börsengang Geld einzusammeln und dieses Geld dann zum Erwerb eines bisher nicht börsennotierten Unternehmens zu verwenden. Der Zielgesellschaft, oft ein junges Wachstumsunternehmen, wird so zu einer schnellen Börsennotierung verholfen, unter Vermeidung des herkömmlichen, oft langwierigen IPO-Verfahrens. Den SPAC-¬Investoren bietet sich dagegen die Möglichkeit für eine Investition in eine Transaktion, die bisher regelmäßig Private-Equity-Investoren vorbehalten ist und bei der sie zugleich von der Expertise und den Marktkenntnissen der SPAC-Initiatoren profitieren können. Die bisherigen Gesellschafter der Zielgesellschaft können den Verkauf an einen SPAC – das so genannten De-SPACing – entweder als Exit nutzen oder sich ihrerseits auch an dem SPAC beteiligen.

Das deutsche Aktienrecht bietet nach gegenwärtiger Rechtslage keine Regelungen für einen solchen Vorgang. In der Praxis wurde das deutsche Aktienrecht insbesondere als zu unflexibel für SPAC-Strukturen angesehen, sodass für die bisher nur vereinzelt durchgeführten SPAC-IPOs an der Frankfurter Wertpapierbörse nicht deutsche Aktiengesellschaften, sondern ausländische Rechtsformen wie z. B. eine luxemburgische SE verwendet wurden.

Der Entwurf sieht nun vor SPACs als eine besondere Rechtsform der Aktiengesellschaft (Börsenmantelaktiengesellschaften) gesetzlich zu regeln. Hierfür wird ein neuer Abschnitt in das Börsengesetz eingefügt, welcher die rechtlichen Rahmenbedingungen der Börsenmantelaktiengesellschaft festlegen soll und dabei teilweise die aktienrechtlichen Vorschriften verdrängt.

Die Börsenmantelaktiengesellschaft

Börsenmantelaktiengesellschaften sind hiernach Gesellschaften zur Erreichung der Börsenzulassung. Gegenstand der Gesellschaft ist die Verwaltung des eigenen Vermögens, die Vorbereitung und Durchführung des Börsengangs sowie die Vorbereitung und der Abschluss der Übernahmetransaktion, die den im Börsenzulassungsprospekt beschriebenen Kriterien entspricht und sich auf ein Unternehmen bezieht, das nicht an einer Wertpapierbörse notiert ist. Die Firma der Börsenmantelaktiengesellschaft muss die Bezeichnung „Börsenmantelaktiengesellschaft“ oder eine allgemeinverständliche Abkürzung dieser Bezeichnung (z. B. BöMAG) enthalten. Die Gründungsaktionäre und der Vorstand der Börsenmantelaktiengesellschaft gelten nach § 44 Abs. 6 BörsG-E als Initiatoren. Ergibt sich aus dem neuen Abschnitt zu Börsenmantelaktiengesellschaften nichts anderes, wird im Übrigen auf die Regelungen über die „normale“ Aktiengesellschaft verwiesen.

Der weitere Bestand der Börsenmantelaktiengesellschaft ist von der Durchführung der sog. Zieltransaktion innerhalb der zwingend in der Satzung der Gesellschaft festgelegten Frist abhängig. Als Zieltransaktion gelten sämtliche Erwerbsvorgänge einschließlich Umwandlungen nach dem Umwandlungsgesetz, bei denen die Börsenmantelaktiengesellschaft mindestens drei Viertel der Anteile der Zielgesellschaft erwirbt oder das Vermögen der Zielgesellschaft vollständig auf die Gesellschaft übergeht.

Die Zieltransaktion

Die zwingend in die Satzung aufzunehmende Frist für die Durchführung der Zieltransaktion muss zwischen 24 und 36 Monaten liegen. Fristbeginn ist hierbei die Zulassung der Aktien zum Handel am regulierten Markt. Die Frist kann durch satzungsändernden Beschluss um jeweils bis zu 12 Monate verlängert werden, sofern die Frist insgesamt 48 Monate nicht übersteigt.
Die Entscheidung über die Zieltransaktion bedarf eines Beschlusses der Hauptversammlung mit Drei-Viertel-Mehrheit. Der Vorstand der Börsenmantelaktiengesellschaft hat im Vorfeld der Hauptversammlung einen ausführlichen schriftlichen Bericht zu erstatten, in dem die Zieltransaktion und der zugrunde liegende Vertrag sowie die Angemessenheit der zu erbringenden Gegenleistung rechtlich und wirtschaftlich erläutert und begründet werden (Zieltransaktionsbericht). Dabei ist auch die Vereinbarkeit mit den im Börsenzulassungsprospekt niedergelegten Kriterien für die Zieltransaktion zu erläutern und zu begründen.

Aktionäre, die gegen diesen Beschluss Widerspruch zu Protokoll erklärt haben, können innerhalb von zwei Monaten ab Fassung des Hauptversammlungsbeschlusses die Übertragung ihrer Aktien auf die Gesellschaft gegen Zahlung eines Betrages in Höhe der geleisteten Bareinlage zuzüglich des gezahlten Aufgelds verlangen (Andienungsrecht) – das nach bisheriger Rechtslage einer solchen international bei SPAC-Transaktionen üblichen Gestaltung entgegenstehende Verbot der Einlagenrückgewähr nach §§ 71 Abs. 2 und 57 Abs. 1 AktG wird insofern ausdrücklich aufgehoben; damit entfällt eines der wesentlichen Hindernisse, welches nach deutschem Recht einer SPAC-Transaktion entgegenstand. Der Erwerb der eigenen Aktien ist zwar auf 30 % des Grundkapitals beschränkt, vor dem Hintergrund des Zustimmungserfordernisses von mindestens 75 % der Stimmen ist dieses Volumen allerdings ausreichend.

Erfolgt innerhalb der Frist eine Zieltransaktion, wird die Gesellschaft fortan als Aktiengesellschaft ausschließlich nach den Vorschriften des Aktiengesetzes fortgeführt und die Firmierung als Börsenmantelaktiengesellschaft entfällt. Erfolgt hingegen keine Zieltransaktion innerhalb der gesetzten – und ggf. verlängerten - Frist, führt dies zur Auflösung der Gesellschaft, sofern nicht die Hauptversammlung mit Drei-Viertel-Mehrheit beschließt die Gesellschaft als Aktiengesellschaft fortzuführen – in diesem Fall muss aber zwingend ein Antrag auf Widerruf der Börsenzulassung nach § 39 Abs. 2 BörsG gestellt werden und den Aktionären muss – wie auch sonst bei einem Delisting – ein Kaufangebot für ihre Aktien unterbreitet werden. Sofern kein Fortsetzungsbeschluss gefasst wird, wird die Gesellschaft liquidiert und das beim IPO eingesammelte Kapital wieder an die Aktionäre ausgekehrt. Die Sperrfrist für die Verteilung des Vermögens im Fall der Auflösung einer Aktiengesellschaft wird dabei abweichend von § 272 Abs. 1 AktG auf zwei Monate nach Bekanntmachung reduziert.

Initiatoren und Treuhänder

Eine Klarstellung enthält der Entwurf des ZuFinG hinsichtlich Personen, welche die Gründung einer SPAC initiieren und in der Praxis als Sponsoren bezeichnet werden. Diese bestimmen das Profil des zu übernehmenden Unternehmens und treffen als Mitglieder der Geschäftsleitung auch die Auswahlentscheidung bezüglich des zu übernehmenden Unternehmens. Der Referentenentwurf definiert diese Personen nun als Initiatoren. Demnach ist Initiator jeder Aktionär der Börsenmantelaktiengesellschaft, der als Gründer im Sinne des Aktiengesetzes anzusehen ist, oder wer Vorstandsmitglied der Börsenmantelaktiengesellschaft ist und Aktien oder sonstige Bezugsrechte innehat. Weil die Initiatoren ein besonderes wirtschaftliches Eigeninteresse an einem möglichst zeitnahen Zustandekommen der Akquisition haben, steht Ihnen beim Beschluss der Hauptversammlung über die Zieltransaktion kein Stimmrecht zu. Für diese Initiatoren kann die Börsenmantelaktiengesellschaft auch selbständige Optionsscheine (naked warrants) auf Aktien der Gesellschaft unter Verwendung eines bedingten Kapitals ausgeben, auch insofern passt der Gesetzgeber die Rechtslage also an die international übliche Gestaltungspraxis bei SPAC-IPOs an. Die Regelungen zum Bedingten Kapital müssten aber im weiteren Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens wohl noch Feinschliff erfahren.

Der Entwurf sieht ferner vor, dass die auf die Einlagenverpflichtung und auf die Verpflichtung zur Zahlung eines Aufgelds der Börsenmantelaktiengesellschaft geleisteten Zahlungen durch einen geeigneten Treuhänder zur Sicherstellung des zweckgerechten Einsatzes der Zahlungen der Aktionäre zu halten sind, bis die Zieltransaktion durchgeführt wird. Geeignete Treuhänder sind in diesem Zusammenhang ein Notar oder ein Kreditinstitut im Sinne des Kreditwesengesetzes.

Fazit

Auch wenn die Frequenz von SPAC-IPOs in den vergangenen Monaten merklich abgenommen hat, ist die gesetzliche Normierung der Börsenmantelaktiengesellschaft unter dem Gesichtspunkt der Rechtsklarheit zu begrüßen. Denn für die SPAC-Investoren sind die Chancen oftmals mit erhöhten Risiken verbunden, was sich nicht zuletzt an den meist deutlich negativen Kursentwicklungen der SPAC-IPOS zeigt. Ob die Regelungen und das ZuFinG insgesamt ausreichen, um die deutsche Aktiengesellschaft als Mittel der Wahl zu favorisieren, bleibt abzuwarten. In mancher Hinsicht ist die Luxemburger SE immer noch der deutschen AG als Rechtsform für SPACs überlegen. Fraglich erscheint insofern auch die Festlegung, dass nur die Rechtsform der AG, nicht aber auch eine in Deutschland ansässige SE als Rechtsform für eine Börsenmantelaktiengesellschaft in Betracht kommen soll – auch insofern sollte der aktuelle Entwurf überdacht werden.

Das Zukunftsfinanzierungsgesetz soll noch in der ersten Hälfte der laufenden Legislaturperiode, d. h. bis spätestens Oktober 2023, in Kraft treten.

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