17.01.2023Fachbeitrag

Update Kapitalmarktrecht Nr. 50

Der Ausbau der Kapitalmarktunion durch den EU Listing Act

Die Europäische Kommission hat am 7. Dezember 2022 den Entwurf des EU Listing Acts vorgelegt. Ziele des Verordnungsvorschlags sind die Steigerung der Attraktivität der Kapitalmärkte für EU-Unternehmen, insbesondere KMU, sowie die Erleichterung des Kapitalmarktzugangs durch Vereinfachung der Börsenzulassungs- und Einbeziehungsvoraussetzungen und Zulassungsfolgepflichten. Wird dies umgesetzt, ergeben sich ganz erhebliche praxisrelevante Änderungen.

Erleichterungen in den Folgepflichten der MAR

In Bezug auf die Marktmissbrauchsverordnung sind folgende Änderungen vorgeschlagen:

  • Für mehrschrittige, gestreckte Sachverhalte soll die Ad-hoc-Publizitätspflicht auf das Ereignis beschränkt werden, mit dem dieser Prozess abgeschlossen werden soll. Damit entfallen die bislang nötigen Ad-hoc-Informationen über Zwischenschritte. Zu beachten ist dabei, dass dies nichts an der Insidereigenschaft der Zwischenschritte ändert.
  • Zudem soll künftig bereits unverzüglich nach der Entscheidung über den Aufschub einer Ad-hoc-Mitteilung die Begründung an die BaFin übermitteln werden und nicht wie bislang erst nach Veröffentlichung der Ad-hoc-Mitteilung.
  • Die Meldeschwelle für Director’s Dealings-Mitteilungen soll erneut angehoben werden auf nun bis zu EUR 50.000.
  • Emittenten sollen künftig nur noch eine Liste der permanenten Insider führen müssen und nicht mehr wie bisher eine anlassbezogene Liste der weiteren Insider. Personen die für die Emittenten tätig sind müssen hingegen weiterhin eine anlassbezogene Liste führen.

Mehrstimmrechtsaktien bei Erstnotiz an KMU-Wachstumsmärkten

In Bezug auf das Aktienrecht sind folgende Änderungen vorgeschlagen:

  • Der Kommissionvorschlag sieht vor, dass alle Mitgliedstaaten den Unternehmen die Verwendung von Aktien mit Mehrfachstimmrechten gestatten sollen, wenn diese zum ersten Mal an den KMU-Wachstumsmärkten notieren (das wäre in Deutschland das Segment Scale).

Erleichterungen bei der Prospektpflicht

In Bezug auf die Prospektverordnung ergeben sich folgende wesentliche Änderungen:

  • Es gibt eine ganz erhebliche Ausweitung für prospektfreie Kapitalmaßnahmen. Bislang sind Bezugsangebote von Emittenten im regulierten Markt nur bis EUR 8 Mio. innerhalb von 12 Monaten von der Prospektpflicht befreit. Die daneben notwendige Zulassung der angebotenen Aktien ist bislang für bis zu 20 % des bereits zugelassenen Kapitals im gleichen Zeitraum prospektfrei möglich. Künftig soll sowohl das Bezugsangebot als auch die Zulassung für solche Sekundäremissionen für bis zu 40 % des bestehenden Kapitals innerhalb von 12 Monaten prospektfrei möglich sein. Dies soll im regulierten Markt gelten sowie in KMU-Wachstumsmärkten – zu Letzteren zählt in Deutschland das Segment Scale in Frankfurt. Diese Ausnahme soll nicht für andere Wertpapiergattungen als die bereits zugelassene gelten (also z. B. wenn nur Vorzugsaktien zum Börsenhandel schon zugelassen sind, können nicht prospektfrei Stammaktien oder Wandelschuldverschreibungen angeboten/zugelassen werden).
  • Wenn die vorgenannte Ausnahme nicht genutzt werden kann, weil die Grenze von 40 % überschritten ist, dann gibt es eine weitere erhebliche Erleichterung für diese Emittenten: Sie können sich von der Prospektpflicht durch Veröffentlichung eines zusammenfassenden maximal zehnseitigen Dokuments befreien. Diese Ausnahme soll nicht gelten, wenn das Unternehmen sich in einem Insolvenzverfahren oder einer Umstrukturierungssituation (einschließlich einer Übernahmesituation) befindet.
  • Die Grenze für prospektfreie öffentliche Angebote innerhalb von einem Jahr, die außerhalb des regulierten Markts (und künftig außerhalb von KMU-Wachstumsmärkten) gilt, soll von einem Emissionsvolumen in Höhe von bis zu EUR 8 Mio. EU-weit zwingend harmonisiert auf bis zu EUR 12 Mio. angehoben werden.

Fazit

Mit dem EU Listing Act würde die Europäische Kapitalmarkt-union (Capital Markes Union – CMU) ausgebaut werden. Begrüßenswert ist, dass die KMU-Wachstumsmärkte weiter harmonisiert würden und es für KMU leichter würde, frühzeitig die Finanzierungschancen des Kapitalmarktes zu nutzen. Emittenten würden in vielerlei Hinsicht Erleichterungen erfahren und Kosten sparen. Letzteres gilt insbesondere vor dem Hintergrund der vorgesehenen Prospekterleichterungen, wobei an dem Punkt nicht zu vernachlässigen ist, dass die Kosten, die im Zusammenhang mit der Prospekterstellung entstehen, bei den Gesamttransaktionskosten eine eher untergeordnete Rolle einnehmen. Der erwünschte Effekt dürfte an dem Punkt vor allem in der Zeitersparnis liegen. Gleichwohl gilt, dass der EU Listing Act die EU-Kapitalmärkte im Ganzen attraktiver machen würde. In den relevanten Börsensegmenten werden wir künftig wohl kaum noch Wertpapierprospekte für Sekundäremissionen sehen. Zur Enthaftung von Vertriebsaktivitäten wird es nach der Rechtsprechung dann anderer Aufklärungsdokumente bedürfen.

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