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Rechtliche Fallstricke beim Exit

Übersicht zu den häufigsten rechtlichen Stolpersteinen beim Verkauf von Start-ups.

Einführung

Exits sind entscheidende Momente im Lebenszyklus eines jeden Start-ups. Für Gründer sind sie der Höhepunkt jahrelanger Risikobereitschaft und unermüdlicher Anstrengungen. Für Investoren, insbesondere für Family Offices, die ein Unternehmen über mehrere Runden hinweg unterstützt haben, bieten sie die Gelegenheit, Gewinne zu realisieren.

Aber Exits bringen auch eine erhöhte rechtliche Komplexität mit sich. Selbst erfahrene Investoren können die Fallstricke unterschätzen, die bei Verhandlungen über Haftung, Transaktionssicherheit oder Kaufpreismechanismen auftreten. Fehler in diesen Bereichen wirken sich nicht nur auf den Verkaufserlös aus, sondern können den Verkäufer auch noch lange nach dem Abschluss unerwarteten Risiken aussetzen.

Dieser Artikel bietet einen strukturierten Überblick über die wichtigsten rechtlichen Fragen, die Family Offices beim Exit von Start-ups in Deutschland und darüber hinaus beachten sollten.

I. Haftung: Das offensichtliche Risiko

Einer der heikelsten Aspekte jeder Exit-Verhandlung betrifft den Umfang der Verkäuferhaftung. Unternehmenskaufverträge (SPAs) enthalten in der Regel umfangreiche Zusicherungen und Garantien, die das Informationsgefälle zwischen Käufer und Verkäufer überbrücken sollen. Sie erfüllen eine wichtige Funktion, aber sie öffnen auch die Tür zu einer Haftung, die weit über die Transaktion hinausreichen kann.

Folgende Punkte verdienen besondere Aufmerksamkeit:

1. Inhalt des Garantiekatalogs

Der Inhalt der Garantieversprechen der Verkäufer ist in der Praxis typischerweise Gegenstand intensiver Verhandlungen. Ein gut beratener oder erfahrener Investor weiß, dass in die Zukunft gerichtete Garantien (etwa die Gesellschaft wird ihren Forecast erreichen oder alle Forderungen der Gesellschaft werden erfüllt werden) unüblich sind. Verkäufer sollten sich darüber hinaus auf die Zusicherung von Tatsachen beschränken. So können Maßnahmen zur Sicherung von Geschäftsgeheimnissen in einer Garantie dargestellt oder der Inhalt von Versicherungsverträgen garantiert werden. Ob die Sicherungsmaßnahmen angemessen sind oder Versicherungsschutz in einem für die Branche üblichen Umfang besteht, ist demgegenüber eine Wertung, die dem Käufer obliegt und nicht Gegenstand einer Garantie sein sollte. Schließlich sollte ein Verkäufer keine Garantien für Umstände übernehmen, die er nicht ansatzweise kontrollieren kann. Ob ein Kunde beabsichtigt, das Geschäft mit der Gesellschaft zu reduzieren, sollte ein Verkäufer mangels Kontrollmöglichkeit nicht garantieren. Demgegenüber wäre eine Garantie, dass der Verkäufer keine Kenntnis davon hat, dass ein Kunde das Geschäft reduzieren möchte oder (noch besser) dass kein Kunde dies der Gesellschaft zumindest in Textform mitgeteilt hat, ggf. darstellbar.

2. Begrenzung der Garantiehaftung

Der wohl effektivste Ansatzpunkt für eine Haftungsbegrenzung ist der Versuch, keine Garantien gegenüber dem Käufer zu übernehmen. Nicht selten trifft man in der Praxis auf Business Angels und andere Finanzinvestoren, die behaupten, sie könnten keine Garantien für das operative Geschäft des Targets übernehmen, da sie keine Kenntnis von den Details des operativen Geschäfts hätten. Insofern seinen die Garantien zu 100 % von den Gründern zu übernehmen. Auch wenn dieser Ansatz bei näherer Betrachtung nicht überzeugt, da der Käufer durch den Garantiekatalog üblicherweise seine Kaufpreiskalkulation absichern möchte, haben Investoren in Einzelfällen mit ihrem Ansatz Erfolg und können eine Übernahme von Garantien vermeiden.

Sofern sich die Parteien (dies stellt den Regelfall dar) auf eine Übernahme der Garantien durch alle Verkäufer einigen, sollten Investoren darauf hinwirken, dass der Käufer den Garantiekatalog durch eine W&I-Versicherung versichert, was dazu führt, dass die Verkäufer für unbekannte Risiken nur mit einem symbolischen Betrag von EUR 1,00 haften.

Sollte auch dies im konkreten Fall nicht gewünscht sein, ist es wichtig, die Haftung der Verkäufer für unbekannte operative Risiken zu begrenzen, und zwar idealerweise auf 10-20 % des dem jeweiligen Verkäufer zufließenden Kaufpreises.

Ebenso wichtig erscheint es aus Investorensicht, keine gesamtschuldnerische Haftung, sondern eine teilschuldnerische Haftung im Verhältnis der veräußerten Anteile bzw. des erhaltenen Kaufpreises zu vereinbaren.

3. Vorsatzhaftung vermeiden

Ist es den Investoren im ersten Schritt gelungen, einen vernünftigen Garantiekatalog zu verhandeln und die Haftung auf einen vertretbaren Teil des Kaufpreises zu begrenzen, ggf. sogar in Verbindung mit einer W&I-Versicherung auf nahezu null zu limitieren, so gilt es in einem zweiten Schritt dafür zu sorgen, dass die vereinbarte Haftungsbegrenzung auch im Streitfall hält. Denn nicht selten wird der Käufer, insbesondere bei Schäden, die die Haftungsgrenze übersteigen oder nach Ablauf der Verjährungsfristen auftreten, die Verkäufer wegen vorsätzlich falscher Angaben in Anspruch nehmen. Gelingt ihm dieser Nachweis, so ist die Haftungsbegrenzung nicht anwendbar und die Verjährung beginnt nicht mit dem Vollzug, sondern mit Kenntnis des Käufers von der Garantieverletzung.

Um eine solche Vorsatzhaftung zu vermeiden, sollte der Kaufvertrag einen Passus enthalten, der klarstellt, auf welcher Tatsachenbasis die Verkäufer die Garantien abgeben bzw. welche Informationsquellen sie genutzt haben. Fehlt ein solcher Passus, so könnte ein Käufer behaupten, er habe sich darauf verlassen, dass die Verkäufer die in den Garantien enthaltenen Tatsachen und Rechtsfragen jeweils umfassend geprüft haben und ein Unterlassen einer solchen Prüfung eine Angabe ins Blaue hinein darstellt.

Darüber hinaus ist es wichtig, dass der Vorsatz eines Verkäufers nicht einem anderen Verkäufer zugerechnet wird. In diesem Zusammenhang ist es auch empfehlenswert, dass sich Investoren bei der Beurkundung des Kaufvertrags nicht durch andere Investoren oder Gründer vertreten lassen, da hieraus eine Wissenszurechnung resultieren könnte.

4. Ausschluss weiterer Ansprüche (Ringfencing)

Nachdem sich die Verkäufer mit dem Käufer auf ein ausgewogenes Haftungsregime im Sinne eines Garantiekatalogs nebst Rechtsfolgen ggf. ergänzt um spezifische Freistellungen für bekannte Risiken verständigt haben, gilt es den Verkäufer davor zu schützen, dass das ausgewogene Verhandlungsergebnis nicht durch gesetzliche und quasivertragliche Haftungstatbestände unterlaufen wird. Dies wird üblicherweise durch eine Klausel erreicht, durch die alle weiteren Haftungstatbestände (etwa Aufklärungspflichten oder gesetzliche Gewährleistungsregelungen) abbedungen werden und der Käufer hilfsweise auf etwaige Ansprüche verzichtet. Auch eine solche Vereinbarung steht unter dem Vorbehalt zwingender Vorsatzhaftung.

Kurz gesagt: Die Haftungsverteilung bei Exits ist keine Standardübung. Das Ziel von Investoren sollte es sein, einen sauberen Exit sicherzustellen, ohne dass Restrisiken den Erfolg der Investition untergraben.

II. Transaktionssicherheit: Vermeiden von Deal Drift

Ein weiteres zentrales Anliegen der Verkäufer ist die Transaktionssicherheit, d.h. die Gewissheit, dass ein Unternehmenskaufvertrag nicht nur geschlossen, sondern auch vollzogen wird. Hier gibt es mehrere Probleme, die regelmäßig zu Reibungsverlusten führen:

1. Material Adverse Change (MAC)-Klausel

Insbesondere internationale oder eine Fremdfinanzierung in Anspruch nehmende Käufer verlangen üblicherweise die Aufnahme einer MAC-Klausel in den Kaufvertrag, die es ihnen ermöglicht, die Transaktion nicht zu vollziehen, wenn sich das Zielunternehmen bzw. dessen finanzielle Situation zwischen Vertragsschluss und Vollzug erheblich verschlechtert. 
Verkäufern gelingt es im nationalen Kontext regelmäßig, sich diesem Verlangen zu widersetzen. Gelingt dies nicht, so ist es wichtig, den Anwendungsbereich einer MAC-Klausel und insbesondere auch Ausnahmetatbestände (Politik, Terror etc.) klar zu definieren.

2. Vollzugsbedingungen

Auch jenseits der Diskussion um die Erforderlichkeit bzw. Berechtigung einer MAC-Klausel werden Verkäufer Wert darauf legen, dass der Kaufvertrag möglichst wenige Vollzugsbedingungen enthält, insbesondere keine Bedingungen, deren Eintritt die Verkäufer nicht kontrollieren können. Hält der Käufer an seinem Verlangen nach Erklärungen von Dritten als Vollzugsbedingung (Verzicht auf Kündigungsrechte aufgrund eines Change of Control) fest, so sollten Verkäufer diese Erklärungen vor dem Vertragsschluss beibringen, um nicht in eine Abhängigkeit von Dritten zu gelangen. Wichtig ist es auch, im Kaufvertrag zu regeln, welche Rechtsfolgen die Nichtbeibringung der Erklärungen haben soll.

3. Escrows und Holdbacks

Um die Durchsetzbarkeit von Garantien oder Freistellungen zu gewährleisten, bestehen Käufer oft auf sog. Escrows oder Holdbacks, d.h. ein Teil des Kaufpreises wird nicht an die Verkäufer gezahlt, sondern auf ein von einem Treuhänder geführtes Konto (Escrow) gezahlt oder einbehalten (Holdback). Diese Verlangen können aus Käufersicht zwar grundsätzlich berechtigt sein (auch um eine gesamtschuldnerische Haftung der Verkäufer zu vermeiden), doch sollten Umfang, Dauer und Freigabebedingungen sorgfältig ausgehandelt und vereinbart werden. Escrows/Holdbacks sollten nicht zu faktischen Kaufpreisnachlässen werden.

Regelmäßig ist die Transaktionssicherheit ein für die Verkäufer wichtiger rechtlicher Aspekt der Ausgestaltung des Kaufvertrags. Transaktionen, die spät im Prozess scheitern, mindern regelmäßig den Wert der Zielgesellschaft.

III. Kaufpreis-Strukturen: Jenseits der Headline-Bewertung

Der vielleicht sichtbarste, aber auch am meisten missverstandene Bereich der Exit-Verhandlungen ist der Kaufpreismechanismus.

1. Locked Box vs. Closing Accounts

In Deutschland einigen sich Verkäufer und Käufer überwiegend auf einen sog. "Locked Box"-Mechanismus – (i) bei dem der Kaufpreis, insbesondere die Equity Bridge, auf der Grundlage eines in der Vergangenheit liegenden Stichtagsabschlusses berechnet wird und (ii) der zur Absicherung des Käufers Vermögensabflüsse an die Verkäufer (Leakage) zwischen dem Stichtag und dem Vollzug grundsätzlich verbieten. Im Gegensatz dazu werden im internationalen Kontext „Closing Accounts“ bevorzugt, bei denen der Kaufpreis auf der Basis eines Stichtagsabschlusses zum Closing final ermittelt wird.

Möchte ein Verkäufer Sicherheit in Bezug auf den Kaufpreis haben, so sollte er den „Locked-Box“-Mechanismus wählen und den zwischen dem Stichtag und dem Vollzug generierten Cash-Flow über eine Verzinsung abbilden. Denn die Vereinbarung von Closing-Accounts macht den Kaufpreis von einem in der Zukunft (Vollzug) liegenden Stichtagsabschluss und der Berücksichtigung von ggf. streitanfälligen Positionen (z. B. Rückstellungen) abhängig.

2. Earn-Outs

Earn-Outs sind ein weiteres häufig auftretendes Merkmal bei der Veräußerung von Start-ups, insbesondere wenn die Bewertungserwartungen auseinandergehen. Sie ermöglichen es den Verkäufern, sich bei Erreichen von Meilensteinen Gewinne zu sichern, während sie die Käufer vor dem Risiko von Verlusten schützen.

Aber Earn-Outs sind auch ein fruchtbarer Boden für Streitigkeiten. Zu den wichtigsten Sicherheitsvorkehrungen gehören:

  • Die Earn-Out-Zahlung sollte von Kennzahlen abhängig gemacht werden, deren Ermittlung wenig streitanfällig ist (besser Umsatz als normalisiertes EBITDA);
  • Earn-Out-Protection: Potenzielle Maßnahmen des Käufers, die die Kennzahl negativ beeinflussen können, sollten bei der Berechnung der Kennzahl eliminiert werden. Hier geht es nicht notwendigerweise um den Schutz der Verkäufer vor Missbrauch, sondern eher darum mögliches Konfliktpotential zu erkennen und auszuschließen.

Gut konzipierte Earn-Outs können Bewertungslücken überbrücken und Transaktionen ermöglichen. Schlecht gestaltete Earn-Outs enden oft in einem Schiedsverfahren.

IV. Schlussfolgerung: Exits erfordern sowohl eine Strategie als auch Details

Für Family Offices sind Exits von Start-ups nicht nur Liquiditätsereignisse, sondern auch Meilensteine für die Reputation. Sie signalisieren dem Ökosystem, wie unterstützend und professionell ein Investor gewesen ist. Doch die rechtlichen Fallstricke betreffend Kaufpreis, Transaktionssicherheit und Haftung sind sehr real.

Daher ist es wichtig, den Exit mit strategischem Weitblick und Liebe zum Detail anzugehen. Wenn Sie diese Herausforderungen frühzeitig erkennen, können Family Offices saubere Exits sichern, die Renditen schützen und die Beziehungen bewahren, die die Grundlage für künftige Transaktionen bilden.

Und wie immer gilt: kein Exit ist wie der andere. Maßgeschneiderte Beratung, die auf praktischer Erfahrung beruht, ist nach wie vor der sicherste Weg, um die Komplexität zu bewältigen.

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