07.09.2020FachbeitragCSR

Update Compliance Nr. 10

Corporate Social Responsibility in der Lieferkette - Eckpunkte eines „Sorgfaltspflichtengesetzes"

Der Startschuss für eine nationale Regelung für unternehmerische Sorgfaltspflichten in der Lieferkette ist gefallen: Bundesentwicklungsminister Müller und Arbeitsminister Heil haben den Entwurf eines entsprechenden Eckpunktepapiers erarbeitet. Unternehmen sollen danach für die Einhaltung von Menschenrechten und Umweltschutz in der gesamten Lieferkette verantwortlich sein.

Anwendungsbereich

Das sog. „Sorgfaltspflichtengesetz“ soll in Deutschland ansässige Unternehmen mit mehr als 500 Arbeitnehmern erfassen. Die Arbeitnehmer konzernangehöriger Gesellschaften werden bei der Konzernmutter miteinbezogen. Für die Ansässigkeit eines Unternehmens soll es unter anderem darauf ankommen, ob eine „unternehmerische Steuerungsentscheidung in Deutschland“ getroffen wird.

Sorgfaltspflichten im Lieferkettenmanagement

Unternehmen sollen darin bestärkt werden, gemeinsam mit den Zulieferern oder innerhalb der Branche nach Lösungen für einen besseren Schutz von Mensch und Umwelt zu suchen. Es soll also keine Erfolgs-, sondern eine Bemühungspflicht verankert werden. Hierbei verhält sich sorgfältig, wer für die folgenden fünf Schritte Prozesse im Unternehmen etabliert:

  • Menschenrechts- und Umweltrisiken in der Lieferkette ermitteln;
  • Besondere Verfahren verankern, um Risiken zu analysieren und zu bewerten;
  • Gegenmaßnahmen ergreifen, um negativen Auswirkungen vorzubeugen;
  • Wirksamkeit der Maßnahmen kontrollieren;
  •  Verletzungen durch ein internes Beschwerdeverfahren frühzeitig identifizieren;
  • Jährliche transparente und öffentliche Berichterstattung an die zuständige Behörde.

Das geforderte Risikomanagement muss jedoch mit Blick auf die Art und den Umfang der Geschäftstätigkeit des Unternehmens auch „angemessen“, d. h. verhältnismäßig und zumutbar sein. Für die Bestimmung der Angemessenheit spielen Kriterien wie die Wahrscheinlichkeit der Risikoverwirklichung, die Schwere eines möglichen Schadens und die Einwirkungsmöglichkeiten des Unternehmens eine wichtige Rolle. Für Letztere ist die Nähe des Unternehmens zum Zulieferer entscheidend. Für ein Risiko am eigenen Standort oder einen direkten Zulieferer soll das Unternehmen eine größere Verantwortung tragen als für einen Zulieferer am Ende der Lieferkette.

Zivilrechtliche Haftung

Kommt es zu einem Verstoß, können die Betroffenen das Unternehmen vor deutschen Zivilgerichten auf Schadensersatz in Anspruch nehmen. Hierbei soll das Gesetz als „Eingriffsnorm“ nach EU-Recht ausgestaltet werden. Damit wäre bei grenzüberschreitenden Fällen allein deutsches Recht anwendbar, da an das in Deutschland stattfindende Lieferkettenmanagement angeknüpft werden soll. Parallele Schadensersatzklagen in anderen EU-Mitgliedstaaten werden hingegen grundsätzlich ausgeschlossen. Auch wenn sich somit die Grundzüge der angestrebten Durchgriffshaftung zugunsten ausländischer Betroffener abzeichnen, ist unklar, wie der neue Schadensersatzanspruch rechtstechnisch und systematisch ausgestaltet werden soll.

Konkreter wird das Eckpunktpapier bei den Grenzen einer möglichen Haftung: Unternehmen sollen nur haften, wenn die Beeinträchtigung bei Erfüllung der Sorgfaltspflicht „vorhersehbar und vermeidbar“ war und wenn elementare Rechtsgüter wie Leben, Körper, Gesundheit usw. beeinträchtigt wurden. Da lediglich ein Bemühen der Unternehmen gefordert ist, scheidet eine Haftung gleichfalls aus, wenn das Unternehmen im Rahmen seiner tatsächlichen und rechtlichen Möglichkeiten das Angemessene zur Erfüllung seiner Pflichten getan hat.

Neu wäre die Möglichkeit für Unternehmen, ihre zivilrechtliche Haftung mit Hilfe eines staatlich anerkannten Branchenstandards zu beschränken (Safe Harbor). Wenden Unternehmen den Branchenstandard an, beschränkt sich ihre zivilrechtliche Haftung unter bestimmten Voraussetzungen auf Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit.

Sanktionen für Verstöße

Verstöße sollen dem Eckpunktepapier zufolge mit angemessenen Bußgeldern geahndet werden. Einen konkreten Bußgeldrahmen, insbesondere auch ein Höchstmaß, sieht das Eckpunktepapier nicht vor.
Verfolgt werden sollen zunächst schwer wiegende Verstöße gegen die vorgenannten Sorgfaltspflichten.

Bußgelder gegen die Verletzung der neuen elektronischen Berichtspflichten sollen erst verhängt werden können, wenn das Unternehmen trotz einer entsprechenden behördlichen Beanstandung Nachbesserungen nicht bzw. nicht in ausreichender Weise vornimmt.

Neben dem Bußgeld besteht ein weiteres Sanktionsrisiko für die betroffenen Unternehmen: Es ist vorgesehen, dass Unternehmen, gegen die ein rechtskräftiges Bußgeld verhängt wurde, für eine angemessene Zeit von öffentlichen Aufträgen ausgeschlossen werden.

Bußgelder können – entsprechend der allgemeinen Systematik des Ordnungswidrigkeitenrechts – nicht nur das Unternehmen, dem der Verstoß zu Last gelegt wird, sondern auch einzelne Personen treffen. Insoweit kommt die Sanktionierung von Mitgliedern der Geschäftsführung, die laut Eckpunktepapier grundsätzlich für die operationale Umsetzung der Sorgfaltspflichten zuständig sein sollen.  aber auch eines betrieblichen Menschenrechtsbeauftragten in Betracht.

Praxishinweis

Die gesetzgeberischen Aktivitäten zu einem „Sorgfaltspflichtengesetz“ haben neuen Schwung bekommen. Wenn die Eckpunkte in der geschilderten oder ähnlichen Fassung umgesetzt werden, wäre dies eine Neuerung im deutschen Recht mit weitreichenden Folgen für die deutsche Wirtschaft. Der finanzielle und bürokratische Aufwand könnte für die deutschen Unternehmen immens werden.

Es bleibt abzuwarten, ob der Gesetzgeber verbindliche und klare rechtliche Regelungen schafft, die den Interessen aller Beteiligten gerecht werden.

Unternehmen sollten sich bereits zum jetzigen Zeitpunkt auf die zunehmende Bedeutung unternehmerischer Sorgfaltspflichten in der Lieferkette einstellen und vorbereiten. Dabei müssen auch die gegebenenfalls drohenden erheblichen Sanktions- und Haftungsrisiken im Blick behalten werden.

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