03.02.2021Fachbeitrag

Fact Sheet

Covid 19 – Schutzpflichten in Alten- und Pflegeheimen

Alten- und Pflegeheimbetreiber treffen dezidierte Schutzpflichten zugunsten der ihnen anvertrauten Bewohner. Das hat der Bundesgerichtshof mit Urteil vom 14. Januar 2021 entschieden. Diese Schutzpflichten betreffen u. a. die Einhaltung der rechtlichen Voraussetzungen für Covid-19-Schutzimpfungen in den Räumlichkeiten des Alten- und Pflegeheims. Das gilt auch dann, wenn externe Impfteams die Schutzimpfungen vornehmen. Zudem müssen Heimbetreiber ihr Hygienekonzept an die Covid-19bedingten Umstände anpassen. Sonst drohen zivil- und strafrechtliche Konsequenzen.

Strafrechtliche Risiken im Zusammenhang  mit der Schutzimpfung 

Die Impfung ist ein Eingriff in die körperliche Unversehrtheit des Patienten und damit dem Grunde nach eine strafbare Körperverletzung im Sinne der §§ 223 ff. des Strafgesetzbuches (StGB). Folgt einer Schutzimpfung eine Gegenreaktion des Körpers, die zum Tode führt, kommt sogar eine Körperverletzung mit Todesfolge in Betracht. Täter einer solchen Körperverletzung ist regelmäßig derjenige, der handelt, also die Schutzimpfung durchführt. Für das Personal und die Leitung von Alten- und Pflegeheimen, die die Schutzimpfung nicht selbst durchführen, kommt u. U. eine Strafbarkeit wegen Beihilfe i.S.v. § 27 StGB oder wegen fahrlässiger Körperverletzung in Betracht.

Straflos ist die Schutzimpfung indes bei Einwilligung des Patienten. Holt das Impfteam diese Einwilligung ein und ist sie wirksam, führt dies zur Straflosigkeit aller Beteiligten.

Wird die Einwilligung nicht eingeholt, bestehen auch für das Alten- und Pflegeheim, das die Schutzimpfungen in seinen Räumlichkeiten durchführen lässt, rechtliche Risiken. Es sollte deshalb darauf geachtet werden, dass das Impfteam eine wirksame Einwilligung einholt und ggf. eingeschritten werden, wenn dies nicht der Fall ist. 

Voraussetzungen für eine wirksame Einwilligung des Patienten in die Schutzimpfung 

Voraussetzung für eine wirksame Einwilligung ist ein Mindestmaß an Einsichts-, Urteils- und Verständnisfähigkeit des Patienten. Der Patient muss selbstbestimmt entscheiden und Wesen, Bedeutung, Dringlichkeit, Risiken, Erfolgschancen und Folgen der Impfung und etwaiger Alternativen zumindest in groben Umrissen erkennen und das Für und Wider abwägen können.  

Sofern für einen Patienten ein Betreuer bestellt ist, ist im Zweifel dieser um Einwilligung zu ersuchen. Zwar ist trotz Betreuung des Patienten denkbar, dass der Patient über die Impfung selbst entscheiden kann. Rechtssicher ist es aber, die Einwilligung vom Betreuer einzuholen. Zudem sollte in Fällen, in denen ein Patient z. B. einem nahen Angehörigen eine Vorsorgevollmacht erteilt hat, geprüft werden, ob diese auch die Einwilligung in eine Schutzimpfung umfasst.  Sofern für einen Patienten ein Betreuer bestellt ist, ist im Zweifel dieser um Einwilligung zu ersuchen. Zwar ist trotz Betreuung des Patienten denkbar, dass der Patient über die Impfung selbst entscheiden kann. Rechtssicher ist es aber, die Einwilligung vom Betreuer einzuholen. Zudem sollte in Fällen, in denen ein Patient z. B. einem nahen Angehörigen eine Vorsorgevollmacht erteilt hat, geprüft werden, ob diese auch die Einwilligung in eine Schutzimpfung umfasst.  

Die Impfaufklärung muss mündlich durch den Arzt oder durch eine Person erfolgen, die über die zur Durchführung der Maßnahme notwendige Ausbildung verfügt. Ergänzend kann auch auf Unterlagen Bezug genommen werden, die der Patient in Textform erhält, z. B. Merkblätter des Robert Koch-Instituts. Derartige Merkblätter ersetzen aber nicht die Aufklärung. Solange der Patient im Hinblick auf die Impfentscheidung nicht unter Druck gesetzt wird, kann die Aufklärung auch unmittelbar vor der Impfung erfolgen. 

Alten- und Pflegeheime kennen ihre Bewohner am Besten. Sie wissen, wer unter Betreuung steht und wie es um die Einsichtsfähigkeit im Einzelfall bestellt ist. Bestehen Zweifel daran, dass das vor Ort tätige Impfteam die Aufklärung nicht mit der angemessenen Sorgfalt durchführt, sollte die Heimleitung einschreiten, um nicht selbst in Haftungsgefahr zu geraten. 

Haftungsvermeidende Maßnahmen 

Aus diesen Gründen raten wir Alten- und Pflegeheimen, ein Compliance-Konzept zu erarbeiten, das sicherstellt, dass die erforderlichen Einwilligungen in wirksamer Form vorliegen und Impfungen demgemäß rechtssicher vorgenommen werden können. Höchstvorsorglich sollte das Pflegepersonal sämtliche Handlungen im Zusammenhang mit der Impfaufklärung dokumentieren. 

Zudem sollte darauf geachtet werden, dass der impfende Arzt vor der Impfung noch einmal mit dem Bewohner spricht, um ihn auch mündlich aufzuklären und ggf. Fragen zu beantworten. Sollten hier Unzulänglichkeiten festgestellt werden, sollte der impfende Arzt angesprochen werden.  

Rechtliche Risiken durch ggf. unzureichende  Hygienemaßnahmen 

Darüber hinaus besteht die Gefahr, dass sich die Leitung und/oder das Pflegepersonal wegen fahrlässiger Körperverletzung i.S.v. § 227 StGB, ggf. sogar Körperverletzung i.S.v. § 223 StGB strafbar machen, wenn sich die Heimbewohner im Zusammenhang mit der Schutzimpfung mit Covid-19 anstecken, weil unzureichende Hygienemaßnahmen getroffen wurden. 

Zuletzt hat der Bundesgerichtshof im Januar 2021 dezidierte Schutzpflichten von Heimbetreibern zum Schutz insbesondere auch demenzkranker Bewohner unterstrichen: 

„Der Heimbetreiber hat die Pflicht, unter Wahrung der Würde und des Selbstbestimmungsrechts der ihm anvertrauten Bewohner diese vor Gefahren zu schützen, die sie nicht beherrschen. Welchen konkreten Inhalt die Verpflichtung hat, einerseits die Menschenwürde und das Freiheitsrecht eines körperlich oder geistig beeinträchtigten Heimbewohners zu achten und andererseits sein Leben und seine körperliche Unversehrtheit zu schützen, kann nicht generell, sondern nur aufgrund einer Abwägung sämtlicher Umstände des jeweiligen Einzelfalls entschieden werden. … Dabei muss … auch dem Umstand Rechnung getragen werden, dass bereits eine Gefahr, deren Verwirklichung nicht sehr wahrscheinlich ist, aber zu besonders schweren Folgen führen kann, geeignet ist, Sicherungspflichten des Heimträgers zu begründen.“ (Bundesgerichtshof, Urteil vom 14. Januar 2021 – III ZR 168/19) 

Insoweit sollten bestehende Hygienekonzepte darauf geprüft werden, ob sie – unter Beachtung von § 36 Infektionsschutzgesetz und den Technischen Regeln für biologische Arbeitsstoffe 250 – der Situation als solchen gerecht werden. Ein solches Hygienekonzept könnte beispielsweise eine sorgfältige Händehygiene, (sofern möglich) das Einhalten eines Mindestabstandes, das regelmäßige Desinfizieren von Gegenständen, das regelmäßige Lüften von Räumlichkeiten, spezielle Besuchsregelungen, die Aufbereitung von Medizinprodukten und Pflegeartikeln sowie die Durchführung von Schnelltests bei Mitarbeitern, Bewohnern und Besuchern zum Gegenstand haben. Das Ergreifen solcher Hygienemaßnahmen ist zwar nur teilweise gesetzlich vorgeschrieben, wird aber von der allgemeinen Verkehrsanschauung als zielführend und erforderlich angesehen. Fehlt ein entsprechendes Hygienekonzept sowohl zur Durchführung der Schutzimpfungen als auch für den „normalen“ Heimbetrieb, droht ein Fahrlässigkeitsvorwurf, der zur Strafbarkeit führen kann. 

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