Schon vergeben?

Der Vergaberecht-Podcast von Heuking Kühn Lüer Wojtek

Unter dem Titel „Schon vergeben – Der Vergaberecht-Podcast von Heuking Kühn Lüer Wojtek“ erklärt der Podcast alle zwei Wochen praxisnah und auch für Einsteiger verständlich die Grundzüge des Vergaberechts.

20.09.2022

Folge 28: Forschung und Entwicklung

In der 28. Folge unseres Vergaberechts-Podcasts besprechen Daniela Kreuels und Christina Emde vergaberechtliche Besonderheiten bei Forschungs- und Entwicklungsleistungen.

Im Wesentlichen bestehen zwei besondere Tatbestände:

§ 116 Abs. 1 Nr. 2 GWB nimmt bestimmte Forschungs- und Entwicklungsdienstleistungen aus dem Anwendungsbereich des Vergaberechts explizit aus. 

Unter den Voraussetzungen des § 14 Abs. 4 Nr. 4 VgV dürfen öffentliche Auftraggeber bei Lieferleistungen zu Forschungs- oder Entwicklungszwecken ein Verhandlungsverfahren ohne Teilnahmewettbewerb durchführen.

Bereichsausnahme für Dienstleistungen (§ 116 Abs. 1 Nr. 2 GWB)

Das Vergaberecht ist nicht anwendbar, wenn Forschungs- und Entwicklungsleistungen im Sinne des § 116 Abs. 1 Nr. 2 GWB vorliegen und die weiteren Voraussetzungen der Norm vorliegen.

Hintergrund des Ausnahmetatbestandes ist, dass die EU-Kommission Innovation und Forschung fördern möchte, soweit es sich nicht um eine eigennützige und entgeltliche Beschaffung handelt. Mit der Bereichsausnahme soll die Kofinanzierung von Forschungs- und Entwicklungsprogrammen durch die Industrie gefördert werden.

Unter den Begriff der Forschung und Entwicklung fallen alle Tätigkeiten, die Grundlagenforschung, angewandte Forschung sowie experimentelle Entwicklung beinhalten, einschließlich der Herstellung technologischer Demonstrationssystem. Ziel ist die Gewinnung neuer Erkenntnisse. Daher stellt beispielsweise die Entwicklung von Standardsoftware keine Forschungs- und Entwicklungsleistung dar.

Der Ausnahmetatbestand greift aber nur, wenn die im Gesetz aufgeführte Rückausnahmeregelung nicht greift. Das ist der Fall, wenn die Forschungs- und Entwicklungsleistung nicht unter die im Gesetz genannten CPV-Codes fällt.

Dies gilt für die Vergabe der folgenden Leistungen: 

  • Beratung im Bereich Forschung und / oder Entwicklung
  • Forschung und Entwicklung für Sicherheits- und Verteidigungsgüter
  • Militärforschung und -technologie

Ist die Rückausnahme einschlägig, wäre das Vergaberecht trotzdem unanwendbar, wenn eine der im Gesetz aufgeführten Voraussetzungen der Rückausnahme nicht vorliegen. 

Die erste Voraussetzung der Rückausnahme ist, dass die Ergebnisse ausschließlich Eigentum des Auftraggebers für seinen Gebrauch bei der Ausübung seiner Tätigkeit werden.

Der Begriff des Eigentums ist nicht im zivilrechtlichen Sinne zu verstehen, sondern im Sinne eines ausschließlichen Nutzungsrechts. Ein ausschließliches Nutzungsrecht im Sinne der Rückausnahme soll unter anderem dann bestehen, wenn die Ergebnisse der Allgemeinheit lediglich reflexartig zugutekommen.

Die zweite Voraussetzung für die Rückausnahme ist, dass die Dienstleistung vollständig durch den Auftraggeber vergütet wird (vgl. BayOblG 27.02.2003 – Verg 25/02).  Leistet der öffentliche Auftraggeber nur einen Teil der Vergütung und beteiligt sich der Industriepartner an den Forschungs- und Entwicklungskosten, sind die Voraussetzungen der Rückausnahme nicht erfüllt.

Ausnahmetatbestand für Lieferleistungen (§ 14 Abs. 4 Nr. 4 GWB)

Nach § 14 Abs. 4 Nr. 4 VgV dürfen öffentliche Auftraggeber Aufträge im Verhandlungsverfahren ohne Teilnahmewettbewerb vergeben, wenn eine Lieferleistung beschafft werden soll, die ausschließlich zu Forschungs-, Versuchs-, Untersuchungs- oder Entwicklungszwecken herstellt wurde. 

Anders als bei § 116 Abs. 1 Nr. 2 GWB, der nur Dienstleistungen erfasst, setzt die Vorschrift voraus, dass es sich um eine Lieferleistung handelt. Das Vergaberecht bleibt außerdem insgesamt anwendbar, die Ausnahme betrifft lediglich die Verfahrensart.

Das Produkt muss ausschließlich zu den genannten Zwecken hergestellt werden (vgl. VK Bund, Beschluss vom 23.10.2019 – VK 1-75/19).

Die zu liefernde Ware muss selbst Gegenstand der beabsichtigten Forschung sein. Es reicht also nicht aus, wenn das Produkt lediglich als Mittel benötigt wird, um Forschungen oder Versuche durchzuführen (vgl. VK Bund, 23.10.2019 – VK 1-75/19, OLG Düsseldorf, 03.03.2010 – VII-Verg 46/09).

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