Am Ende des Investments in ein VC-finanziertes Unternehmen steht im besten Fall ein erfolgreicher Exit. Neben dem Trade Sale ist der Börsengang oder IPO ein verbreiterter Weg. Häufig hört man hierzu, dass ein Börsengang komplex, teuer und zeitaufwendig sei. Schaut man sich die Praxis an zeigt sich häufig, dass hier keine wesentlichen Unterschiede entstehen müssen. Insbesondere gibt es inzwischen mehrere auch alternative Wege, um Börsengänge etwas schlanker zu gestalten. Der traditionelle IPO ist nur eine von mehreren Wegen an die Börse. Nicht zu unterschätzen ist, dass der Börsengang auch wesentliche Vorteile haben kann.
Vorteile Börsengang
| Unabhängigkeit | Das Unternehmen bleibt unabhängig. Immer wieder hört man von Integrationen von Startups in Konzerne, die dazu führen, dass die Kultur des Startups verloren geht und Schlüsselpersonen, insbesondere die Gründer, frustriert schon nach kurzer Zeit ihr „Baby“ verlassen, was wiederum zu Verlust von Innovationskraft und Wachstum führt. |
| Schrittweiser Beteiligungsabbau möglich | Im Rahmen eines Börsengangs können die Gesellschafter, insbesondere langfristige Finanzinvestoren und Gründer, ihre Beteiligung schrittweise abbauen. Auf diesem Weg können sie zum einen weiterhin die Kontrolle über das Unternehmen behalten, wenn zum Beispiel auch nach mehreren Jahren die Altgesellschafter noch in Summe 30 % und mehr der Anteil erhalten. Hierdurch lässt sich auch nach dem Exit noch am Upside partizipieren und die Entwicklung und Ausrichtung des Unternehmens bestimmen. Auch die Kontrolle über die Zusammensetzung von Vorstand und Aufsichtsrat bleibt erhalten. |
| Reputationsgewinn | Ein unter Umständen auch früher Gang an die Börse kann ein wesentlicher Treiber für das operative Wachstum sein. Viele Beispiele zeigen, dass ein noch junges Unternehmen mit einem Verweis auf eine Börsennotierung Türen in Pitches um Aufträge öffnen kann, die sonst verschlossen bleiben. |
| Eigenkapital Stärkung | Im Rahmen eines Börsengangs sowie auch im Nachgang steht der Kapitalmarkt als Form der Eigenkapitalfinanzierung offen, unabhängig von den Entscheidungen und Entwicklungen in einem Konzern bei einer strategischen Übernahme bzw. verfügbarer Mittel bei einem Finanzinvestor im Falle eines Secondaries. |
| Bankenunabhängigkeit | Durch den Gang an die Börse und die Finanzierungsmöglichkeiten über Eigenkapital, aber auch über Fremdkapital (Anleihen), wird Abhängigkeit von Banken vermieden und somit bleibt das Management wesentlich für strategische Entscheidungen selbstbestimmt. |
1. Wege an die Börse
Im Rahmen des IPO stellt sich einerseits die Frage, welcher Börsenplatz genutzt wird und andererseits welche Struktur. Beide Fragen sind miteinander verbunden und betreffen insbesondere auch das Timing. Immer wieder gibt es auch eine Kombination mehrerer der nachfolgend aufgezeigten Wege hintereinander.
Klassischerweise gehen deutsche Unternehmen an den Börsenplatz Frankfurt. Dort sind der hochregulierte Prime Standard sowie das weniger stark regulierte, aber auch für Börsengänge spannende, qualifizierte Freiverkehrssegment Scale die Optionen, die zur Verfügung stehen. Eine Übersicht über die wesentlichen Unterschiede der beiden Varianten gibt die nachfolgende Tabelle:
Prime Standard | Scale |
| IFRS Reporting | Wahlweise IFRS oder HGB |
| Kapitalmarktorientierte Gesellschaft mit zahlreichen weiteren formellen Folgepflichten, etwa Corporate Governance Kodex, Frauenquote, Lagebericht, Vorstandsvergütungssystem etc. | Keine kapitalmarktorientierte Gesellschaft, die entsprechenden Pflichten entfallen |
| Detaillierte Offenlegung von mittelbaren und unmittelbaren Stimmrechten, Optionen etc. ab 3 % | Beteiligungsmeldungen nur bei 25 % und 50 % |
| Übernahmeangebot bei Erwerb von 30 % | Kein gesetzliches Regime zum Übernahmerecht (Reformvorschläge sollen das eventuell in 2026 ändern) |
| Adhoc-Meldungen, Meldungen von Führungskräften (Directors‘ Dealings) und andere Vorschriften der Marktmissbrauchsverordnung | Wie im Prime Standard |
| Deutsche und englische Kommunikation | Englisch optional |
Daneben besteht die Option Nasdaq in den USA. Weiterhin ist es im Grundsatz so, dass bei einem erfolgreichen Börsengang an der Nasdaq, höhere Bewertungen und eine breitere Basis an Investoren als bei einem Börsengang in Europa erreicht werden können. Auf der anderen Seite steht dieser Weg nicht jedem Unternehmen offen. Typischerweise ist diese Variante für Tech-Companies oder Gesellschaften aus anderen aktuell sehr stark am Kapitalmarkt favorisierten Branchen, die ausreichend groß sind, um die Aufmerksamkeit internationaler Investoren zu erregen, geöffnet. Das Downside sind die komplexen und kostenaufwändigen Regularien des US-Kapitalmarkts und die dauerhafte Kostenbelastung mit zwei Regimes (dem deutschen Recht für die Gesellschaft und ihr operatives Geschäft und dem US-Kapitalmarktrecht) zu berücksichtigen. Viele große deutsche Unternehmen haben ihr Dual Listing an der Nasdaq nach einiger Zeit wieder beendet, da sich zeigte, dass auch beim Listing in Deutschland internationale Investoren angesprochen werden können, beziehungsweise das Nutzen- und Kostenverhältnis sich dauerhaft nicht rechnet. Es wird immer eine Frage des Einzelfalls sein, ob ausnahmsweise ein Börsengang an der Nasdaq für ein deutsches Unternehmen eine interessante Option ist.
Schließlich gibt es noch alternative Börsenplätze, die in Betracht kommen können. Eine Option können (zu den Möglichkeiten, die spannend sind, nachfolgend mehr) die Regionalbörsen insbesondere in Düsseldorf und München mit ihren Angeboten sein. Daneben können auch sonstige europäische Börsenplätze eine Möglichkeit sein. Aktuell zieht schon seit einiger Zeit Skandinavien mit den sogenannten Nordic Bonds auf der Fremdkapitalseite viele deutsche Unternehmen an. Der skandinavische Kapitalmarkt ist insbesondere für Small Mid-Caps dort aktuell auch für deutsche Unternehmen spannend und durch das einheitliche EU-Kapitalmarktrechtsregime ist der Aufwand einer Notierung im Ausland hier im Vergleich deutlich geringer als in den USA. Auch der skandinavische IPO-Markt wird als Option diskutiert. Für Unternehmen aus Skandinavien ist dieser Markt derzeit offen und wird auch bei deutschen Börsengängen entweder als Dual Listing oder Primärmarkt immer wieder diskutiert. Über Einzelfälle hinaus gibt es jedoch bisher noch keine Referenzerfahrungen.
2. Wege an die Börse
Der klassische Weg für einen Börsengang ist der traditionelle IPO. Das heißt, dass ein prospektbasiertes öffentliches Angebot von Aktien des Unternehmens erfolgt, klassischerweise über einen Zeitraum von zwei Wochen, und im Nachgang bei ausreichendem Erfolg die Notierungsaufnahme an dem ausgewählten Börsenplatz.
Es gibt jedoch auch alternative Wege an die Börse, die interessant sein können.
a) Technisches Listing
Ein alternativer Weg an die Börse ist das sogenannte technische Listing. Der klassische Börsengang besteht aus zwei Elementen nämlich erst der Platzierung von Aktien und dann der Notierungsaufnahme. Beim technischen Listing entfällt der erste Schritt bzw. die Reihenfolge wird umgedreht. Hierbei erfolgt (nur) eine Notierungsaufnahme ohne ein öffentliches Angebot von Aktien. Hieran zeigt sich direkt, wann dies in Betracht kommt. Nämlich nur dann, wenn das Unternehmen entweder im Vorfeld eine Kapitalaufnahme umsetzt (zum Beispiel im Wege einer Privatplatzierung) oder dies im Nachgang, beispielsweise in den nächsten zwölf Monaten, plant oder aktuell gar keinen Finanzierungsbedarf hat.
Anwendungen dieses rein technischen Listings gibt es mehrere, wie die Praxis zeigt. Zum einen können das Unternehmen sein, die den Kapitalmarkt beziehungsweise die Kapitalmarktnotierung nutzen wollen, um mit dem Profil als börsennotierte Gesellschaft Türen zu operativen Aufträgen zu öffnen. Wenn man zum Beispiel in Amerika oder Asien als junges deutsches Unternehmen auftritt, kann der entscheidende erste Schritt erleichtert werden, wenn die potenziellen Geschäftspartner sehen, dass es sich um ein börsennotiertes Unternehmen handelt, das man über die entsprechenden Seiten und Publikationen finden kann.
Ein anderer wesentlicher Punkt gilt auch für die nachfolgend dargestellten alternativen Wege an die Börse, nämlich die Volatilität und Aufnahmefähigkeit des Marktes. Seit der Finanzkrise hat sich der Markt für Börsengänge in Deutschland und Europa insgesamt als sehr volatil und herausfordernd dargestellt. Fenster, in denen Investoren bereit sind, die Bewertungsvorstellungen der Gesellschaften und ihrer Shareholder zu akzeptieren, öffnen sich häufig kurzfristig und schließen sich dann auch wieder. Der klassische Börsengang ist im Vergleich hierzu schwerfällig mit einer langfristigen Vorbereitung. Ist das Unternehmen hingegen schon am Kapitalmarkt notiert, sind die Handlungsoptionen wesentlich flexibler. Kapitalerhöhungen und Umplatzierungen können im sogenannten Accelerated Bookbuilding über Nacht umgesetzt werden, wenn sich Opportunitäten eröffnen. Durch die letzte Reform des Prospektrechts sind auch umfangreiche Maßnahmen mit einem deutlich verkürzten Vorlauf möglich. Hinzu kommen alternative Strukturen, die sich etabliert haben, wie ein sogenanntes Vorab-Placement, bei dem der notwendige Prospekt erst im Nachhinein erstellt wird. Dieser Zeitvorteil kann ganz wesentlich sein. Gleichzeitig steht ein Unternehmen in diesen Fällen, wenn es denn einmal nicht klappen sollte, nicht so sehr mit der negativen Aufmerksamkeit im Fokus, wie bei einem gescheiterten Börsengang, obwohl dies gar nicht am Unternehmen selbst, sondern an den Marktumständen liegen muss beziehungsweise kann. Die Ankündigungsfristen, wenn man einmal am Kapitalmarkt notiert ist, sind wesentlich kürzer.
Ein weiterer Faktor für ein technisches Listing kann sein, dass das Unternehmen sich zunächst am Kapitalmarkt positiv etabliert und Investoren überzeugt. Investoren stehen häufig bei Börsengangskandidaten vor der Unsicherheit, ob die betreffenden Unternehmen ihre Versprechungen auch einhalten. Bei einem rein technischen Listing können Unternehmen zunächst einmal unter Beweis stellen, dass sie auch in der Praxis kapitalmarktreif sind und sowohl qualitativ hochwertig kommunizieren als auch ihre Planungen belastbar erfüllen. Das führt wiederum zu höheren Bewertungen.
Die Herausforderung beim technischen Listing besteht im geringen Free Float. Institutionelle Investoren werden typischerweise Schwierigkeiten haben, in eine Aktie zu investieren, bei der die allermeisten Aktien noch durch die Gründer und Investoren gehalten werden, deswegen das Handelsvolumen beschränkt ist. Hier müssen Wege gefunden werden, um dieses Problem zu umgehen, zum Beispiel mit mehreren kleineren Kapitalmaßnahmen vor oder nach dem Listing. Besonders attraktiv ist dieser Weg daher auch für Unternehmen, die schon eine breitere Aktionärsbasis bestehend aus Investoren und Mitarbeitern haben.
b) SPAC
Ein SPAC ist eine andere Variante, um die vorgenannten Probleme des klassischen Börsengangs (Time-to-Market) zu umgehen. Bei einem SPAC sammelt ein Unternehmen (der SPAC) im Vorfeld Kapital ein und sucht im Nachgang eine Gesellschaft, die nicht notiert ist und von dem SPAC übernommen wird, also die VC-finanzierte Gesellschaft. Die Investoren haben dann die Möglichkeit, dem Erwerb dieser Gesellschaft zuzustimmen und können nach bestimmten Bedingungen auch von einer Fortsetzung ihres Investments durch Rückgabe der Aktien gegen Rückzahlung ihres Kapitaleinsatzes Abstand nehmen. Seit Kurzem gibt es in Deutschland für SPACs auch eine eigene gesetzliche Regelung, die sogenannte Börsenmantelaktiengesellschaft. Die Börsenmantelaktiengesellschaft nimmt im Wege eines IPOs Kapital auf und muss dann innerhalb von 24 bis 36, maximal 48 Monaten ein Investment in eine nicht notierte Gesellschaft tätigen. Bislang gibt es einen solchen SPAC in Form einer Börsenmantelaktiengesellschaft nach deutschem Recht noch nicht. Es gibt allerdings andere SPACs, das heißt börsennotierte Gesellschaften, die im Wesentlichen nur über Kapital verfügen. Bei einer SPAC-Transaktion stellt sich immer die Frage, ob in dem Moment ein Cash Out der Altgesellschafter erfolgt, oder ob diese stattdessen Aktien an der notierten Gesellschaft erhalten. Die Vielzahl der SPAC-Transaktionen vor einigen Jahren haben dazu geführt, dass Investoren einem Exit der Gründer und VC-Investoren eher kritisch gegenüberstehen, jedenfalls ein vollständiger Exit wird wahrscheinlich nicht möglich sein bei einer VC-finanzierten Gesellschaft. Insgesamt sind derzeit SPACs am Kapitalmarkt in Europa jedoch eher selten vorhanden und die Bereitschaft von Investoren, bei der Auflage neuer SPACs teilzunehmen, ist bislang gering.
c) Reverse Merger
Eine dritte Variante des alternativen Börsengangs ist der sogenannte Reverse Manager. Dies entspricht weitgehend einer SPAC-Transaktion, mit dem Unterschied, dass die schon notierte Gesellschaft nicht über Kapital verfügt. Sie vereinfacht daher die Börsennotierung und ist insbesondere dann attraktiv, wenn es sich um eine börsennotierte Gesellschaft handelt, die aus der Vergangenheit eine gewisse Menge an Aktionären hat (Free Float). Das löst das Problem des technischen Listings, wonach es schwierig sein kann, ohne ausreichend breite Aktionärsbasis einen Handel in Gang zu bringen, was wiederum institutionelle Investoren von einer Investition abschreckt. Daneben kann ein solcher Reverse Manager wiederum zeitlich deutlich schneller laufen als ein klassischer IPO und man ist von den kleinen Fenstern, die ein klassischer IPO aufgrund der Anforderungen an die Prospekterstellungen in Bezug auf Zahlen hat, nicht mehr abhängig. In unserer Praxis begleiten wir jedes Jahr mehrere solcher Fälle. Dabei gibt es auch sogenannte synthetische Mäntel, die keine Vorgeschichte haben, sondern nur an der Börse in Düsseldorf gelistet wurden, zu dem Zweck, dass dort ein operatives Geschäft eingebracht wird. Der Vorteil ist, dass diese Mäntel in jedem Fall ganz sauber sind, aber der Nachteil ist, dass ihnen dann der Free Float fehlt. Auch hierfür gibt es immer wieder Anwendungsfälle zum Beispiel, wenn parallel begleitend eine Privatplatzierung durchgeführt wird, um den Free Float zu generieren.
3. Vorbereitung für den Börsengang
Die Vorbereitung für den Börsengang, egal in welcher Struktur, erfordert häufig strukturelle und rechtliche Anpassungen. Dabei hängt es stark von dem Börsensegment ab, das anvisiert wird, wie weit die Änderungen gehen und wie schnell diese erfolgen müssen. Erfolgt zum Beispiel ein Börsengang in ein Segment mit IFRS-Reporting, sind die Anforderungen an Accounting wesentlich größer, als wenn jedenfalls zunächst HGB beibehalten wird. Unabhängig davon, wie die Transparenzanforderungen in dem Segment jeweils sind, ist für den künftigen Erfolg am Kapitalmarkt entscheidend, dass die Gesellschaft qualitativ und zeitgerecht ihren Transparenzverpflichtungen nachkommt. Es gibt keine negativere Publicity, als wenn gesetzliche Fristen gerissen werden oder inhaltliche Korrekturen erforderlich sind.
Um die entsprechenden Transparenzanforderungen zu erfüllen, ist neben einem guten Accounting Department auch jemand notwendig, der den Bereich Investor Relations übernimmt. Das kann ein spezieller Investor Relations Mitarbeiter sein, oder auch eine externe Agentur, die intern dann zum Beispiel mit Vorstandsassistenz oder ähnlichen Abteilungen zusammenarbeitet. Wichtig ist hier, Verantwortlichkeiten zu verteilen und durch frühzeitige Schulungen intern das Verständnis für die notwendigen Maßnahmen zu wecken und Strukturen zu etablieren. So banal es klingen mag, nicht alle Unternehmen kümmern sich hier um Checklisten, Prozessabläufe etc. Dabei ist der Aufwand nicht so groß, vieles kann auch zunächst an Anwälte und Wirtschaftsprüfer ausgelagert werden und nach ein wenig Übung dann zur Kostenreduzierung Insourcing betrieben werden. Typische Prozessthemen, die häufig unterschätzt werden, sind etwa die Abläufe zur Hauptversammlung, die regelmäßigen Reportingpflichten bis hin zur Vorbereitung der Aufsichtsratssitzung und der verschiedenen dort dafür vorzubereitenden Elemente, wie Abhängigkeitsbericht, Berichte des Aufsichtsrats etc., Etablierung von Prozessen für Adhoc-Mitteilungen und andere Pflichten nach der Marktmissbrauchsverordnung, Information der Organe und der wesentlichen Aktionäre über ihre Mitteilungspflichten bei Handeln mit Aktien der Gesellschaft, etc.
Ein weiteres wesentliches vorbereitendes Thema ist die Etablierung einer kapitalmarktfähigen Governance Struktur. Hierzu zählt zunächst, dass das Management sich passend aufstellt. Spätestens jetzt ist ein CFO erforderlich, der „auf Knopfdruck seine Zahlen im Griff hat“. Kapitalmarkterfahrung ist wünschenswert, aber nicht immer zwingend. Was nicht funktioniert ist, das Thema Finanzen „nebenher“ in einem anderen Ressort anzusiedeln.
Daneben ist die Struktur des Aufsichtsrats zu prüfen. Sofern der Gang in den regulierten Markt erfolgt, sind hier ein Experte für Finanzen und ein Experte für Abschlussprüfung nötig. Darüber hinaus muss es ein unabhängiges Aufsichtsratsmitglied im dreiköpfigen Aufsichtsrat geben. Die Aufsichtsratsmitglieder sollten darüber hinaus ein gewisses „Format“ verkörpern, insbesondere der Aufsichtsratsvorsitzende bzw. die Aufsichtsratsvorsitzende haben auch eine Wirkung am Kapitalmarkt. Nicht selten wird bei Börsengängen auch die europäische Aktiengesellschaft (SE) gewählt. Diese kann auch mit der klassischen Aufsichtsratsstruktur ebenso wie mit der aus dem angelsächsischen bekannten Wortstruktur mit einem Verwaltungsrat und geschäftsführenden Direktoren besetzt werden. Die Entscheidung hierüber ist frühzeitig zu fällen. Grob gesagt sind Verwaltungsräte gleichzeitig Aufsichtsorgane, aber auch für grundlegende strategische Entscheidungen zuständig, während der Aufsichtsrat nur überwacht und Zustimmungsvorbehalte ausüben kann, aber keine Kompetenzen zu eigenständigen strategischen Entscheidungen hat. Die Mehrheit der Mitglieder des Verwaltungsrats muss aus unabhängigen Mitgliedern bestehen, das heißt, nur eine Minderheit darf zugleich geschäftsführender Direktor sein.
Ein wesentlicher Teil der Governance Struktur ist auch, dass die beteiligten Personen akzeptieren, dass Transparenzanforderungen gelten und dass das Unternehmen nicht inhabergeführt ist, sondern eine Verantwortung gegenüber fremden Investoren besteht. Das ist bei VC-finanzierten Gesellschaften in der Regel ohnehin der Fall, weil dort schon vor dem Börsengang Finanzinvestoren aufgenommen wurden. Deswegen gelingt dort diese Transformation erfahrungsgemäß relativ einfach.
4. Team (Erfahrung, Urteilskraft, Flexibilität)
Einer der wesentlichen Erfolgsfaktoren für einen Börsengang ist das Team. Dabei gilt es drei wesentliche Faktoren zu berücksichtigen. Zum einen ist Erfahrung nötig. Dabei kann Erfahrung ganz unterschiedlicher Art und Weise sein, entscheidend ist, dass sie zu dem konkreten Projekt passt. Nicht zu unterschätzen ist hierbei auch die Kenntnis aktueller, auch innovativer Strukturen, wie man sie findet und der aktuellen Praxis von Transaktionen am Kapitalmarkt und der BaFin als zuständiger Aufsichtsbehörde.
Ein weiterer wichtiger Faktor ist die realitätsnahe Beurteilung. Einerseits ist „leichtsinnige Schaumschlägerei“ ein Problem, das kann dazu führen, dass das Unternehmen voranrennt ohne, dass das Ziel realistisch erreicht werden kann. Auf der anderen Seite sind aber auch „Bedenkenträgerei“ und Beharren auf Formalitäten kontraproduktiv.
Das führt direkt zum nächsten, nämlich der Flexibilität. Häufig ist im Umgang mit bestehenden Strukturen oder auch der Überwindung von Hindernissen, wie sie immer in solchen Prozessen auftreten ebenso wie der Nutzung von innovativen Strukturen, wie etwa Vereinfachung im Prospektrecht, Alternativen Strukturen bei Börsengängen etc., Flexibilität und Pragmatismus bei allen Beteiligten notwendig. Out of the box-Denken hat schon mehr als eine Transaktion gerettet.
5. Zeitliche Abläufe
Die zeitlichen Abläufe für einen IPO hängen maßgeblich von der gewählten Struktur und den Verhältnissen bei der Gesellschaft ab. Beim klassischen IPO mit Prospekterstellung sind darüber hinaus für das Gesamt-Timing ganz entscheidend die Erstellung der notwendigen historischen Finanzinformationen (Abschlüsse für den Prospekt), einschließlich der Prüfungen, die dazu gehören. Auch hier gilt: One size fits all gibt es nicht. Es gibt typische Prozesse, aber – insbesondere aber nicht nur - bei kleinerenn und mittelgroßen Unternehmen bedarf es der Anpassung an die konkreten Verhältnisse und insgesamt einer gewissen Flexibilität, um Transaktionen möglich zu machen. Nachfolgend daher einmal ganz grob einige Skizzierungen, die ein Gefühl für die zeitlichen Abläufe geben sollen:
Ein wesentliches Element auf der Zeitachse sind vorbereitende Umstrukturierungen. Dazu zählt gegebenenfalls die Umwandlung in eine börsenfähige Rechtsform (AG, SE oder KGaA), die Strukturierung der passenden Transaktionenform (klassischer Börsengang, Privatplatzierung mit technischem Listing, Reverse IPO, Ankerinvestoren, etc.) und Auswahl des internen und externen Teams. Hierfür sollte man in der Regel, je nach den Verhältnissen insgesamt drei Monate ansetzen.
Ein zweiter Arbeitsstrang sind die schon genannten Erstellungen von Abschlüssen. Hier ist der Arbeitsaufwand sehr unterschiedlich. Fragen, aus denen sich der konkrete Arbeitsumfang ergibt sind : Gab es Umstrukturierungen in letzter Zeit, zum Beispiel Ausgliederungen, Unternehmenserwerbe etc.? Steht eine IFRS--Bilanzierung an? Sind die historischen Abschlüsse schon vorhanden oder müssen diese überhaupt erstmals erstellt werden? Ist die Zusammenarbeit mit dem Prüfer schon etabliert oder ist es eine Erstprüfung? Wie viele Jahre zurückliegend müssen geprüft werden? All das ist eine Frage des Einzelfalls. Dabei gilt, dass in den Fällen der alternativen IPO-Wege in der Regel weniger zeitkritische Arbeiten notwendig sind und diese eher in die Zukunft verschoben werden können. Ganz wichtig sind natürlich auch Vermarktungsaspekte in dem Kontext. Manchmal lassen sich beispielsweise aus den Abschlüssen ohne weitere Maßnahmen nicht die Daten für die Equity Story gewinnen, was dann zu Zusatzarbeiten führen kann.
Ein weiterer Strang ist – jedenfalls im Falle des klassischen IPO - die Erstellung des Wertpapierprospekts und Durchführung des sogenannten Billigungsverfahrens mit der BaFin als der zuständigen Aufsichtsbehörde. Hier sollte man grob vier Monate einplanen. Im Einzelfall kann es auch schon mal schneller gehen, jedoch zeigt die Erfahrung, dass man nicht zu knapp planen sollte.