Schon vergeben?

Der Vergaberecht-Podcast von Heuking Kühn Lüer Wojtek

Unter dem Titel „Schon vergeben – Der Vergaberecht-Podcast von Heuking Kühn Lüer Wojtek“ erklärt der Podcast alle zwei Wochen praxisnah und auch für Einsteiger verständlich die Grundzüge des Vergaberechts.

05.07.2022

Folge 26: Aufhebung von Vergabeverfahren

Sarah Rose und Max Richter erklären in der 26. Folge des Vergaberechts-Podcasts, wie und unter welchen Voraussetzungen öffentliche Auftraggeber Vergabeverfahren aufheben können und dürfen.

Frau Rose und Herr Richter sprechen in dem Podcast insbesondere über folgende Themen:

  • Was ist unter einer Aufhebung von Vergabeverfahren zu verstehen?
    Die Aufhebung beendigt ein Vergabeverfahren nach dessen Bekanntmachung, ohne dass der Auftraggeber in diesem den Zuschlag erteilt.
     
  • Wonach bestimmt sich die Rechtmäßigkeit einer Aufhebung?
    Die Aufhebung von Vergabeverfahren ist im Oberschwellenbereit in § 63 Abs. 1 VgV geregelt. Dieser lautet:

    „Der öffentliche Auftraggeber ist berechtigt, ein Vergabeverfahren ganz oder teilweise aufzuheben, wenn

    1.     kein Angebot eingegangen ist, das den Bedingungen entspricht,
    2.     sich die Grundlage des Vergabeverfahrens wesentlich geändert hat,
    3.     kein wirtschaftliches Ergebnis erzielt wurde oder
    4.     andere schwerwiegende Gründe bestehen.

    Im Übrigen ist der öffentliche Auftraggeber grundsätzlich nicht verpflichtet, den Zuschlag zu erteilen.“

     
  • Wann entspricht in einem Vergabeverfahren kein Angebot den Bedingungen (§ 63 Abs. 1 Nr. 1 VgV)?
    Die Angebote entsprechen nicht den Ausschreibungsbedingungen, wenn sie aus formalen (Frist, Form) oder aus materiellen (Inhalt) Gründen nicht den in den Vergabeunterlagen niedergelegten Anforderungen genügen. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn alle Angebote – in der Regel aus unterschiedlichen Gründen – nach § 57 VgV vom Verfahren auszuschließen sind. Auch bei unangemessen hohen Angebotspreisen entsprechen Angebote nicht den Bedingungen des Vergabeverfahrens. Ebenso verhält es sich bei nachträglich abgeänderten und modifizierten Angeboten.

    Nicht einschlägig ist der Aufhebungsgrund, wenn in einem Verhandlungsverfahren mit Teilnahmewettbewerb keiner der Teilnahmeanträge den Bedingungen der Vergabeunterlagen entspricht. In diesen Fällen ist in der Regel der Aufhebungsgrund des § 63 Abs. 1 Nr. 4 VgV einschlägig.
     
  • Wann hat sich die Grundlage des Vergabeverfahrens wesentlich geändert (§ 63 Abs. 1 Nr. 2 VgV)?
    Eine wesentliche Änderung der Grundlage des Vergabeverfahrens liegt vor, wenn die ursprünglichen Leistungsanforderungen für den Auftraggeber und/oder die Bieter wegen rechtlicher, zeitlicher oder wirtschaftlicher Umstände nicht mehr auf zumutbare Weise erreichbar sind oder die Beschaffung für den Auftraggeber sinnlos oder unzumutbar geworden ist. Die Umstände müssen zeitlich nach Versand der Auftragsbekanntmachung eingetreten sein.
     
    • Tatsächliche Gründe liegen beispielsweise vor, wenn sich der Beschaffungsbedarf des Auftraggebers ändert oder dieser entfällt.
    • Wirtschaftliche Gründe sind etwa bei einer Haushaltssperre, dem Wegfall der Mittel oder einer Änderung der Preisgrundlagen gegeben.
    • Rechtliche Gründe resultieren z.B. aus behördlichen oder gerichtlichen Anordnungen, die sich auf die Anforderungen des Vergabeverfahrens auswirken. Gleiches gilt hinsichtlich einer Änderung der Gesetzeslage.
    • Zeitliche Gründe liegen vor, wenn die Ausführungsfrist nicht mehr erreichbar ist. Dies ist insbesondere der Fall, wenn der Leistungsgegenstand zwingend zu einem bestimmten Termin zu erbringen ist (Fixschuld).
       
  • Wann wurde kein wirtschaftliches Ergebnis erzielt (§ 63 Abs. 1 Nr. 3 VgV)?
    In einem Vergabeverfahren wurde dann kein wirtschaftliches Ergebnis erzielt, wenn sogar das wirtschaftlichste Angebot erheblich über der ordnungsgemäßen Schätzung des Auftragswertes durch den Auftraggeber liegt. Die hierzu im Vorfeld der Ausschreibung vom Auftraggeber anzustellende Kostenprognose muss vertretbar sein. Dies ist dann nicht der Fall, wenn sie auf erkennbar unrichtigen Daten beruht. Die Bewertung hat einzelfallabhängig zu erfolgen. Der Auftraggeber hat eine umfassende Interessenabwägung vorzunehmen. Bei dieser ist einerseits zu berücksichtigen, dass der Auftraggeber nicht das Risiko einer deutlich überhöhten Preisbildung trägt. Anderseits darf die Aufhebung auch kein Instrument zur Korrektur der Ergebnisse des Vergabeverfahrens sein. Die Rechtsprechung sah bislang Überschreitungen von 10 % bis 80 % als erheblich an. 
     
  • Wann liegen andere schwerwiegende Gründe vor (§ 63 Abs. 1 Nr. 4 VgV)?
    Der Aufhebungsgrund „andere schwerwiegende Gründe“ stellt einen Auffangtatbestand dar, an dessen Vorliegen hohe Anforderungen zu stellen sind. Die Gründe müssen von ihren Auswirkungen mit den anderen Aufhebungsgründen vergleichbar sein. Der Auftraggeber hat eine umfangreiche Interessenabwägung vorzunehmen. Die Gründe müssen so schwer wiegen, dass die Bewerber/Bieter des Verfahrens nicht mehr erwarten können, dass der Auftraggeber den Zuschlag auf ein Angebot erteilt. Die Gründe dürfen erst nach Versand der Auftragsbekanntmachung eingetreten und nicht vorhersehbar gewesen sein.

    Die Rechtsprechung erkennt z.B. folgende Umstände als „schwerwiegender Grund“ an:
     
    • Keiner der Bewerber des Teilnahmewettbewerbs erfüllt die Eignungsanforderungen.
    • Das Verfahren leidet an schwerwiegenden rechtlichen Fehlern, die im Vergabeverfahren nicht mehr behoben werden können.
    • Wesentliche Änderungen in den allgemeinen Markt-, Währungs- und Baupreisverhältnissen, soweit sich diese auf das Vorhaben erheblich auswirken können.
       
  • Aufhebung des Vergabeverfahrens außerhalb der Aufhebungsgründe des § 63 Abs. 1 VgV 
    Der Auftraggeber ist grundsätzlich nicht verpflichtet, den Zuschlag zu erteilen. Er kann eine Ausschreibung wirksam (aber rechtswidrig) aufheben, wenn er sich auf einen sachlichen Grund berufen kann und die Aufhebung nicht nur zum Schein oder zu dem Zweck erfolgt, Bieter zu diskriminieren. 

    Anders als beim Vorliegen der gesetzlich geregelten Aufhebungsgründe macht sich der Auftraggeber gegenüber den Bietern des Verfahrens schadensersatzpflichtig. Der Schadensersatz ist jedoch grundsätzlich auf das negative Interesse begrenzt. Der Auftraggeber hat den Bietern nur die Aufwendungen zu ersetzen, die ihnen durch die Teilnahme an dem Vergabeverfahren entstanden sind. Ein Anspruch auf Erstattung des positiven Interesses besteht hingegen nur ausnahmsweise. Hierfür müssen besondere Voraussetzungen vorliegen. 
     
  • „Aufhebung der Aufhebung“
    Unter besonders engen Voraussetzungen kann ein Bieter auch die sog. „Aufhebung der Aufhebung“ verlangen, wenn keiner der Aufhebungsgründe des § 63 Abs. 1 VgV erfüllt ist. Dies ist etwa dann der Fall, wenn der öffentliche Auftraggeber im Wege der Aufhebung – in rechtlich zu missbilligender Weise – die formalen Voraussetzungen dafür schaffen möchte, den Auftrag außerhalb des eingeleiteten Vergabeverfahrens an einen bestimmten Bieter oder unter anderen Voraussetzungen bzw. in einem anderen Bieterkreis vergeben zu können.

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