Schon vergeben?

Der Vergaberecht-Podcast von Heuking Kühn Lüer Wojtek

Unter dem Titel „Schon vergeben – Der Vergaberecht-Podcast von Heuking Kühn Lüer Wojtek“ erklärt der Podcast alle zwei Wochen praxisnah und auch für Einsteiger verständlich die Grundzüge des Vergaberechts.

18.10.2022

Folge 29: Exkurs Beihilferecht

In der 29. Folge unseres Vergaberechts-Podcasts besprechen Rebecca Dreps und Christina Emde Grundzüge des Beihilferechts.

Öffentliche Auftraggeber sollten stets im Blick haben, ob das geplante Vorgehen nicht nur aus vergaberechtlicher Sicht, sondern auch aus beihilferechtlicher Sicht zulässig ist. 

Dies wird vor allem bei Direktvergaben relevant. Wird eine Leistung tatsächlich im Wettbewerb vergeben, wird der Preis in der Regel auch beihilferechtskonform sein, da der Tatbestand einer Beihilfe dann nicht erfüllt ist.

1. Begriff der Beihilfe

Nach Art. 107 Abs. 1 AEUV sind, soweit in den Verträgen nicht etwas anderes bestimmt ist, staatliche oder aus staatlichen Mitteln gewährte Beihilfen gleich welcher Art, die durch die Begünstigungbestimmter Unternehmen oder Produktionszweige den Wettbewerb verfälschen oder zu verfälschen drohen, mit dem Binnenmarkt unvereinbar, soweit sie den Handel zwischen Mitgliedstaaten beeinträchtigen.

Alle Tatbestandsmerkmale müssen kumulativ vorliegen, damit eine Beihilfe im Sinne des Art. 107 Abs. 1 AEUV vorliegt.

1.1 Staatliche oder aus staatlichen Mitteln gewährt

Aus staatlichen Mitteln gewährt sind Vorteile, die unmittelbar oder mittelbar aus staatlichen Mitteln gewährt werden und dem Staat auch zuzurechnen sind.

Unter staatliche Mittel fallen jedenfalls Mittel, die aus dem öffentlichen Haushalt (Bund, Land, Gemeinde) finanziert werden.

Die gewährten Vorteile müssen dem Staat auch zuzurechnen sein. Dafür ist entscheidend, ob die Mittel unter staatlicher Kontrolle stehen und ob die Behörden in irgendeiner Weise an dem Erlass der Beihilfemaßnahme beteiligt waren.

1.2 Unternehmen oder Produktionszweig

Den aus staatlichen Mittel gewährten Vorteil muss ein Unternehmen oder ein Produktionszweig erhalten.

Der Begriff des Unternehmens ist funktional und damit weit zu verstehen. Nach ständiger Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs umfasst der Unternehmensbegriff jede eine wirtschaftliche Tätigkeit ausübende Einheit, unabhängig von ihrer Rechtsform und der Art der Finanzierung.

Ein Produktionszweig liegt vor, wenn eine gesamte Branche eine aus staatlichen Mitteln gewährte Begünstigung erhalten.

1.3 Begünstigung

Unter den Begriff der Begünstigung fällt jeder wirtschaftliche Vorteil, den das Unternehmen unter normalen Marktbedingungen nicht erhalten hätte. Irrelevant ist dabei, ob das Unternehmen unmittelbar oder nur mittelbar einen Vorteil erhält.

Umfasst sind von dem Begünstigungsbegriff nicht nur positive Leistungen; auch die Verringerung von Belastungen kann einen Vorteil für ein Unternehmen darstellen.

Eine Beihilfe liegt nicht vor, wenn Maßnahmen zu normalen Marktbedingungen erfolgen. Zur Feststellung, ob eine Marktüblichkeit vorliegt, ist der sogenannte Market Economy Operator Test maßgeblich. Zu prüfen ist dabei, ob ein marktwirtschaftlich handelnder Kapitalgeber in ähnlicher Lage auch zu dieser Maßnahme hätte veranlasst werden können.

Eine Marktkonformität kann aber auch angenommen werden, wenn die Höhe der Gegenleistung in einem „objektiven Verfahren“ bestimmt worden ist, z.B. einem wettbewerblichen Ausschreibungsverfahren.

1.4 Selektivität: Begünstigung bestimmter Unternehmen oder Produktionszeige

Damit eine Beihilfe vorliegt, müssen bestimmte Unternehmen oder Produktionszweige eine Begünstigung erhalten (sog. Selektivität).

Das ist der Fall, wenn sich die Maßnahme ausdrücklich oder faktisch an bestimmte oder Unternehmen oder Produktionszweite richtet.

1.5 Verfälschung oder Drohung der Verfälschung des Wettbewerbs

Eine weitere Tatbestandsvoraussetzung ist, dass die begünstigende Maßnahme den Wettbewerb verfälscht. Dabei reicht es aus, wenn sie den Wettbewerb auch nur droht, zu verfälschen.

1.6 Handelsbeeinträchtigung zwischen den Mitgliedstaaten

Staatliche Beihilfemaßnahmen stellen jedoch nur dann eine Beihilfe dar, soweit sie auch den Handel zwischen den Mitgliedstaaten beeinträchtigen.

Auch hier reicht es aus, dass die Möglichkeit besteht, dass die Beihilfemaßnahme Auswirkungen auf den Handel zwischen den Mitgliedstaaten haben könnte
 

2. Erlaubte Beihilfen

Liegt eine Beihilfe vor, ist zu prüfen, ob eine zulässige oder eine unzulässige Beihilfe vorliegt („soweit in den Verträgen nichts anderes bestimmt ist“). Das hängt davon ab, ob die Beihilfe aufgrund einer Ausnahmeregelung erlaubt ist.

Als Ausnahmeregelungen kommen insbesondere in Betracht:

  • Art. 107 Abs. 2 AEUV
  • Art. 107 Abs. 3 AEUV
  • De-minimis-Beihilfen
  • Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse (DAWI) nach Art. 106 Abs. 2 AEUV
  • Allgemeine Gruppenfreistellungsverordnung (AGVO)

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