30.03.2020FachbeitragCorona

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Auswirkungen der COVID-19-Pandemie auf Vertragsverhältnisse

Für alle Beteiligten stellt sich derzeit die Frage, welche Auswirkungen COVID-19 auf bestehende Vertragsverhältnisse hat - also konkret, wer die wirtschaftliche Last der Pandemie trägt. Hierzu ein Kurzüberblick:

1.
Sind im Vertrag verbindliche Liefer-, Leistungs- oder Abnahmefristen vereinbart und fällig und können von dem Schuldner oder jedermann dauerhaft nicht oder nur unter unzumutbaren Anstrengungen erbracht werden, liegt ein Fall von Unmöglichkeit vor. Das Gesetz befreit den Schuldner in diesen Fällen von der Pflicht zur Erbringung der Leistung. Im Gegenzug kann für die nicht erbrachte Leistung von dem Gläubiger aber auch keine Vergütung verlangt werden. Diese Regelung betrifft derzeit solche Verpflichtungen, die z.B. durch behördliche Erlasse dauerhaft unmöglich werden (Durchführung einer Großveranstaltung, Beherbergung von Touristen in Hotels, Bewirtung von Restaurantgästen). Für einen aus dem Ausfall der Leistung resultierenden Schaden haftet der Schuldner regelmäßig nur, soweit er das Leistungshindernis vorsätzlich oder fahrlässig herbeigeführt hat. Liegen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass das Leistungshindernis noch andere Ursachen als die Pandemie hat, dürfte somit nicht von einer Schadensersatzpflicht des Schuldners auszugehen sein.

Von Verpflichtungen, deren Erfüllung die Auswirkungen der Pandemie lediglich vorübergehend unmöglich macht (z.B. vorübergehende Stilllegung einer Produktionsanlage), befreit das Gesetz den Schuldner hingegen nur für den Zeitraum des Leistungshindernisses von der Leistungspflicht. In den Genuss einer Befreiung von der Leistungspflicht kommen durch die Initiative der Bundesregierung jetzt Verbraucher und Kleinstunternehmen, die wegen der Pandemie ihre vertraglich geschuldeten Leistungen in Dauerschuldverhältnissen nicht mehr erbringen können. Damit soll vor allem sichergestellt werden, dass Leistungen der Grundversorgung (Strom, Gas, Telekommunikation, Wasser) nicht abgeschnitten werden, weil die Bezieher bzw. Nutzer ihren Zahlungspflichten krisenbedingt nicht nachkommen können. Die entsprechende Regelung gilt zunächst bis zum 30. Juni 2020. 

2.
In einigen Fällen sind in Verträgen sogar sanktionslose Kündigungen vorgesehen, die einen schadlosen Exit ermöglichen. Selbst wenn dies nicht der Fall ist, können Verträge (stillschweigende) Vorgaben enthalten, wie die Parteien mit dem plötzlichen Eintreten oder Wegfall bestimmter Umstände (z.B. dem Auftreten einer Pandemie) umgehen wollen. Konkret geht es dabei um spezielle Regelungen zu Ereignissen höherer Gewalt (international oft französisch als „force majeure“ bezeichnet). Diese enthalten zumeist ein Recht zur Anpassung der vertraglichen Vergütung und der Leistungsfristen, Kündigungs- oder Rücktrittsrechte, oder auch eine Pflicht der Parteien, gemeinsam eine verträgliche Lösung für die neu entstandene Situation zu suchen.

Die Merkmale höherer Gewalt (Unvorhersehbarkeit, Unvermeidbarkeit, Außergewöhnlichkeit) dürften zumindest für solche Verträge vorliegen, die vor dem Auftreten der COVID-19-Pandemie geschlossen wurden. Dies legt ein Vergleich mit der SARS-Pandemie 2002/2003 nahe. Trotz der milderen Auswirkungen wurde die SARS-Pandemie meist als Ereignis höherer Gewalt eingestuft. Ist eine Klausel zur höheren Gewalt also nicht auf konkrete Ereignisse (z.B. Krieg, Erdbeben, Embargos) beschränkt oder benennt sie sogar ausdrücklich eine Pandemie, dürften die derzeitigen Geschehnisse erfasst sein.  

Findet eine solche Klausel Anwendung, sind die darin zumeist enthaltenen Anzeigeobliegenheiten von großer Bedeutung. Danach muss eine betroffene Partei die andere unverzüglich über die besonderen Umstände informieren, die sie bei der Leistungserbringung behindern oder diese gar verhindern. Auf eine solche Anzeige sollte auch in Zeiten medialer Dauerbeschallung nicht verzichtet werden, um hier im Streitfall die eigene Vertragstreue belegen zu können. 

3.
Kann ein Vertrag nicht über die vorgenannten Wege beendet oder ausgesetzt werden, können Vertragsparteien sich ggf. auf eine Störung der Geschäftsgrundlage (§ 313 BGB) berufen. Liegt eine solche vor, kann zumindest die Anpassung des Vertrags verlangt werden. Ist eine Anpassung des Vertrags unzumutbar, kann über § 313 BGB eine Vertragsauflösung herbeigeführt werden.

Für die Annahme einer Störung der Geschäftsgrundlage müssen sich grundlegende und gemeinsame Annahmen der Parteien nach dem Vertragsschluss schwerwiegend verändert haben oder nicht eingetreten sein. Die veränderten Umstände müssen zu einer untragbaren Härte und zu einem mit Recht und Gerechtigkeit nicht mehr zu vereinbarenden Ergebnis führen. Auch darf keine Partei das Risiko des Eintritts solcher Umstände vertraglich übernommen oder von Gesetzes wegen zu tragen haben.

Die gesetzlichen Anforderungen an eine Störung der Geschäftsgrundlage sind also hoch und in normalen Zeiten nur selten zu bejahen. In Zeiten von Corona mögen die Dinge nun aber anders liegen. Bei mit der COVID-19-Pandemie tendenziell vergleichbaren Ereignissen wurde von den Gerichten in der Vergangenheit eine Störung der Geschäftsgrundlage angenommen, so z.B. bei einer behördlich veranlassten Absage einer Veranstaltung wegen befürchteter Anschläge oder im Zusammenhang mit den Terrorakten des 11. September 2001. Abhängig von der weiteren Entwicklung der Pandemie erscheint es also denkbar, dass die Störung der Geschäftsgrundlage in vielen Fällen anzunehmen ist. 

4.
Für die Verhandlung neuer Verträge ist dringend zu empfehlen, die völlig ungewisse Entwicklung der Pandemie durch die Aufnahme spezifischer Klauseln angemessen zu berücksichtigen. In der jetzigen Situation dürften alle Vertragspartner ein Interesse an solchen Regeln haben, damit das Wirtschaftsleben überhaupt am Leben gehalten werden kann.

Auf unserer Themenseite finden Sie weitere, täglich aktualisierte Hinweise zur Corona-Krise.

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