08.04.2020Fachbeitrag

Update IP, Media & Technology Nr. 24

Kammergericht: Teilerfolg für Renate Künast gegen „Hate-Speech“ auf Facebook

Die Politikerin Renate Künast erreicht einen weiteren Teilerfolg mit ihrer Beschwerde gegen eine umstrittene Entscheidung des LG Berlin. Das Kammergericht als Beschwerdeinstanz stufte sechs Äußerungen über sie auf Facebook als strafbare Beleidigungen ein. Facebook darf somit nach § 14 Abs. 3 TMG Auskunft über die bei ihm vorhandenen Bestandsdaten von nun insgesamt zwölf – bisher anonymen – Nutzern an Frau Künast erteilen, damit sie zivilrechtlich gegen diese vorgehen kann. Hervorhebenswert ist bereits an dieser Stelle, dass das Gericht nicht über Unterlassungsansprüche gegen die Autoren, sondern über die Frage der Herausgabe von Nutzerdaten zur Vorbereitung von Ansprüchen gegen diese zu entscheiden hatte.

DER FALL

In einem Aufsehen erregenden Beschluss (Beschl. v. 09.09.2019, Az. 27 AR 17/19) beschloss das LG Berlin, dass Politiker in stärkerem Maße Kritik hinnehmen müssten.

In dem Verfahren wollte Frau Künast erreichen, dass Facebook nach § 14 Abs. 3 TMG personenbezogene Informationen über 22 Nutzer, die sich in teilweise erheblich diffamierender Weise über Frau Künast geäußert haben, an sie herausgeben darf. Gem. § 14 Abs. 3 TMG darf ein Diensteanbieter wie Facebook personenbezogene Daten herausgeben, soweit dies zur Durchsetzung zivilrechtlicher Ansprüche wegen der Verletzung absolut geschützter Rechte aufgrund rechtswidriger Inhalte, die von § 1 Abs. 3 des Netzwerkdurchsetzungsgesetzes (NetzDG) erfasst werden, erforderlich ist. § 1 Abs. 3 NetzDG wiederum verweist u.a. auf die Straftatbestände der §§ 185 ff. StGB. Hintergrund des gerichtlichen Verfahrens ist ein Artikel in der „Welt am Sonntag“, in dem ein Zwischenruf von Frau Künast aus dem Jahr 1986 zitiert wird. Dieser Artikel, der sich mit der damaligen Pädophilie-Debatte der Grünen befasst, wurde von einem Blogger auf seiner Facebook-Seite veröffentlicht, wobei er Frau Künasts Zitat um eigene Anmerkungen ergänzte. Daraufhin kommentierten andere Facebook-Nutzer den Beitrag des Bloggers.

Das LG befand, dass alle 22 Äußerungen über Frau Künast, die die Nutzer auf der Facebook-Seite des Bloggers kommentierten, von der verfassungsrechtlich gewährten Meinungsfreiheit nach Art. 5 Abs. 1 GG gedeckt seien und dass diese mithin zulässige Meinungsäußerungen darstellen würden. Somit entfalle eine Strafbarkeit nach den Beleidigungstatbeständen der §§ 185 ff. StGB, weswegen Facebook die Daten nicht an Frau Künast herausgeben dürfe. Gegen diese Entscheidung legte Frau Künast (sofortige) Beschwerde ein. Die Entscheidung wurde nicht nur in Fachkreisen kontrovers diskutiert, sondern stieß vor allem in der Öffentlichkeit zum Teil auf großes Unverständnis.

Von der Möglichkeit die Entscheidung abzuändern und der Beschwerde teilweise abzuhelfen machte das LG in einem weiteren Beschluss (Abhilfebeschl. v. 21.01.2020, Az. 27 AR 17/19) Gebrauch. Das Gericht bewertete aufgrund neuer Erkenntnisgewinne die Zusammenhänge neu und befand nunmehr, dass die Äußerungen von sechs Nutzern den Straftatbestand der Beleidigung nach § 185 StGB erfüllten, weil es sich bei diesen nicht um eine Auseinandersetzung in der Sache-, sondern um die bloße Diffamierung ihrer Person handele. In diesen sechs Fällen darf Facebook somit nach § 14 Abs. 3 TMG über die personenbezogenen Daten Auskunft erteilen. Bei den übrigen 16 Äußerungen handele es sich jedoch um sachbezogene Kritik, die überspitzt formuliert- jedoch nicht strafbar sei.

DER BESCHLUSS DES KAMMERGERICHTS

Soweit das LG der Beschwerde von Frau Künast nicht abgeholfen hatte, musste das Kammergericht als zweite Instanz die übrigen 16 Fälle prüfen und über diese entscheiden.

Das Kammergericht (Beschl. v. 11.03.20, Az. 10 W 13/20) stufte sechs weitere Äußerungen als strafbare Formalbeleidigung im Sinne des § 185 StGB ein. Da Facebook nun in sechs weiteren Fällen Auskunft über Namen der Nutzer, ihrer E-Mail-Adressen, die IP-Adressen, die sie für das Hochladen ihrer Kommentare verwendet hatten, sowie über den Upload-Zeitpunkt erteilen darf, erreichte die Politikerin mit dieser Entscheidung einen weiteren Teilerfolg. Im Übrigen hat das Kammergericht die Entscheidung des LG jedoch bestätigt und deshalb die weitergehende Beschwerde von Frau Künast insoweit zurückgewiesen.

Nach Auffassung des Gerichts sprechen die sechs Äußerungen der Politikerin jede Würde ab, indem sie sie in frauenverachtender und vulgärer Art und Weise zutiefst diffamierten. Diese sechs Äußerungen könnten selbst unter Berücksichtigung des Kontexts des Artikels nicht mehr als inhaltlich kritische Auseinandersetzung mit dem Thema angesehen werden, sondern sind als bloße Schmähkritik ihrer Person anzusehen.

Bei den übrigen zehn Kommentaren werde die Schwelle zur Beleidung nach § 185 StGB jedoch nicht verletzt, da die Kommentare trotz einer ebenfalls scharfen Wortwahl noch einen sachlichen Bezug aufweisen würden und somit von dem Grundrecht auf Meinungsäußerungsfreiheit geschützt werden würden. Somit darf Facebook hinsichtlich dieser zehn Nutzer keine Auskunft über personenbezogene Daten nach § 14 Abs. 3 TMG erteilen.

AUSBLICK

Da das Kammergericht die Rechtsbeschwerde zum Bundesgerichtshof nicht zugelassen hat, steht Frau Künast nun nur noch der Weg zum Bundesverfassungsgericht offen. Es bleibt somit abzuwarten, ob Frau Künast wegen der übrigen zehn Kommentare eine Verfassungsbeschwerde gegen den Beschluss des Kammergerichts einlegen wird. Die Karlsruher Richter hätten in diesem Fall die Möglichkeit, ein richtungsweisendes Urteil im Zusammenhang mit Hassreden, sog. „Hate-Speech“, im Internet zu sprechen.

Ungeachtet dessen ist zu beachten, dass die bisherige Entscheidung des Kammergerichts über die Auskunftserteilung nach § 14 Abs. 3 TMG lediglich ein notwendiger, vorbereitender Schritt für einen Zivilprozess darstellt. Das Kammergericht wies darauf hin, dass das von Frau Künast angestrebte zivilgerichtliche Verfahren gegen die bisherigen zwölf Nutzer, mit dem Ziel diese auf Unterlassung von zukünftigen Äußerungen zu verklagen, sowohl in verfahrensrechtlicher als auch in inhaltlicher Hinsicht wesentliche Unterschiede zu den bisherigen Verfahren vor dem LG Berlin und Kammergericht aufweise.

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