08.07.2020Fachbeitrag

Update Immobilien & Bau 5/2020

Keine Verlängerung der Kündigungsbeschränkungen in Miet- und Pachtverhältnissen

Das „Gesetz zur Abmilderung der Folgen der COVID-19-Pandemie im Zivil-, Insolvenz- und Strafverfahrensrecht“  wurde bereits am 25. März 2020 verabschiedet und fügte in Artikel 240 EGBGB einige miet- und pachtvertragsrechtliche Regelungen aus Anlass der COVID-19-Pandemie ein.

Kündigungsbeschränkungen aufgrund von Zahlungsrückständen im Zeitraum vom 1. April 2020 bis 30. Juni 2020

Die Regelungen aus § 2 des Artikels 240 EGBGB zu Lasten von Vermietern und Verpächtern sind seit dem 1. April 2020 in Kraft und schränken Kündigungen aufgrund von Zahlungsrückständen, die im Zeitraum vom 1. April 2020 bis 30. Juni 2020 aufgrund von Auswirkungen der COVID-19-Pandemie entstanden sind, ein. Die Bundesregierung hat von ihrer Ermächtigung zur Verlängerung der Kündigungsbeschränkung auf Zahlungsrückstände, die im Zeitraum vom 1. Juli 2020 bis längstens zum 30. September 2020 entstanden sind, bislang keinen Gebrauch gemacht. 

Verbleibende Praxisfragen

Dass mit Auslauf der Regelungen zu Kündigungsbeschränkungen auch die Praxisfragen zum Umgang mit der COVID-19-Pandemie in Gewerberaummietverhältnissen abnehmen, ist indessen nicht zu erwarten. Die Kündigungsbeschränkung behandelte nämlich nur einen kleinen Aspekt der praktischen Fragen, die sich unter mietrechtlichen Gesichtspunkten nach wie vor stellen. Regelungen zu Mietminderungen aufgrund von Einschränkungen der Gebrauchstauglichkeit des Mietgegenstandes oder Vorgaben zu Vertragsanpassungen enthält die Regelung in Artikel 240 EGBGB nämlich nicht. 

Während Gerichtsentscheidungen zu COVID-19-bedingten Zahlungsausfällen und folgenden Kündigungen oder Zahlungsklagen derzeit – soweit ersichtlich – noch nicht ergangen sind, hat sich die Literatur eindringlich mit den Fragen auseinandergesetzt,

  • ob ein Recht zur Mietminderung aufgrund von COVID-19-bedingten Betriebseinschränkungen oder Betriebsverboten besteht und
  • ob eine Partei des Mietvertrages einen Anspruch auf Vertragsanpassung auf Grundlage einer Störung der Geschäftsgrundlage hat.

Mietminderung aufgrund von COVID-19-bedingten Einschränkungen und Schließungen?

Im Mietrecht gilt, dass eine negative Abweichung der „Ist-Beschaffenheit” von der „Soll-Beschaffenheit” einen Mangel des Mietgegenstandes darstellt. Der Mietgegenstand muss für den vereinbarten Mietzweck grundsätzlich geeignet sein. Bei einem während der COVID-19-Pandemie vielfach ergangenen Betriebsverbot kann daher grundsätzlich ein Mangel vorliegen, wenn der vereinbarte Mietzweck dadurch nicht mehr verfolgt werden kann. Allerdings gilt im gewerblichen Mietrecht auch seit jeher die gesetzliche Risikoverteilung, wonach dem Vermieter das Risiko der Gebrauchstauglichkeit und dem Mieter das Verwendungs- und Ertragsrisiko zugeschrieben wird. Hierzu wird argumentiert, dass sich in Zusammenhang mit COVID-19 ergangene Betriebsverbote auf die Nutzungsart des jeweiligen Mietgegenstandes beziehen und daher dem Verwendungsrisiko des Mieters zuzurechnen sind. Ein Minderungsrecht des Mieters bestünde danach nicht. Demgegenüber wird vertreten, dass der Vermieter mit Vereinbarung eines Mietzwecks auch Gewähr dafür übernommen hat, dass der Mietgegenstand für eben diesen Zweck betrieben werden kann. Ergeht das Betriebsverbot eben aufgrund dieses Mietzwecks, könne der Vermieter seiner Verpflichtung zur Gebrauchsüberlassung nicht mehr nachkommen, weshalb eine Minderung gerechtfertigt sei. Richtigerweise dürfte demgegenüber auch danach zu differenzieren sein, gegenüber wem die Schließungsanordnung ergangen ist. 

Vertragsanpassung aufgrund einer Störung der Geschäftsgrundlage?

Seit Inkrafttreten der Interims-Regelungen wird besonders kontrovers diskutiert, ob Mieter bei COVID-19-bedingten Schließungen oder Einschränkungen eine Vertragsanpassung auf Grundlage einer Störung der Geschäftsgrundlage verlangen können. Einigkeit besteht offenbar insoweit, dass sich pauschale Antworten verbieten und stets eine Einzelfallbetrachtung geboten ist. Zu Gunsten eines Anspruchs auf Vertragsanpassung aus § 313 Abs. 1 BGB wird häufig angeführt, dass die Parteien hierbei flexibel in der Lösung sind und die für die jeweilige Konstellation angemessene vertragliche Anpassung wählen können. Hierbei darf allerdings nicht übersehen werden, dass eine Vertragsanpassung über das Institut der Störung der Geschäftsgrundlage dann nicht in Betracht kommt, wenn das Risiko bereits im Rahmen der vertraglichen Risikoverteilung zwischen den Parteien berücksichtigt worden ist. Kommt man im Wege der Auslegung daher zu dem Ergebnis, dass die Parteien das Risiko einer pandemiebedingten Schließung bereits vertraglich berücksichtigt haben, verbietet sich ein Rückgriff auf das Institut der Störung der Geschäftsgrundlage. Ebenso liegt der Fall, wenn man das Risiko bereits im Rahmen der gesetzlichen Risikoverteilung entweder der Risikosphäre des Vermieters (Risiko der Gebrauchstauglichkeit) oder des Mieters (Verwendungs- und Ertragsrisiko) zugeordnet sieht. 

Vorsicht bei kurzfristigen Absprachen

Soweit ersichtlich, haben ein Großteil der Vermieter und Mieter in der Vergangenheit das Gespräch gesucht, um einvernehmliche Lösungen im Umgang mit der COVID-19-Pandemie und den damit verbundenen Auswirkungen auf die Wirtschaft zu finden, statt es auf streitige Auseinandersetzungen über die noch ungeklärten Fragen ankommen zu lassen. Oft ist es zu kurzfristigen Abreden über zeitlich begrenzte Anpassungen der Mietzinshöhe oder zu Stundungsabreden gekommen. Bei allem Zuspruch, den einvernehmliche Lösungen verdienen, darf nicht übersehen werden, dass kurzfristige Absprachen, die eigentlich das eine Problem der temporären Zahlungsunfähigkeit lösen sollen, ein ganz anderes Problem aufwerfen. Bei wesentlichen vertraglichen Absprachen insbesondere zu langfristigen Gewerberaummietverhältnissen oder -pachtverhältnissen ist das Erfordernis der gesetzlichen Schriftform des § 550 BGB zu beachten. Gerade bei kurzfristig geplanten Absprachen sollte daher sorgfältig geprüft werden, ob die zu treffende Abrede der Schriftform unterliegt und daher in einem schriftformkonformen Nachtrag zum bestehenden Mietverhältnis zu vereinbaren ist. 

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