21.08.2025 Fachbeitrag

Commercial Courts – was gibt es Neues?

Update Dispute Resolution 1/2025

Seit April 2025 können bestimmte Rechtsstreitigkeiten in mehreren Bundesländern vor sog. Commercial Courts und Commercial Chambers verhandelt werden. Hessen ist seit dem 1. Juli 2025 neben Baden-Württemberg, Bayern, Berlin, Bremen, Hamburg und Nordrhein-Westfalen nun das siebte Bundesland, das die spezialisierten wirtschaftsrechtlichen Spruchkörper eingerichtet hat. Die Bundesländer Niedersachen und Sachsen kündigten ebenfalls die zeitnahe Einführung eines Commercial Courts an. Commercial Courts können eine attraktive Alternative zu Schiedsverfahren und ausländischen Gerichtsständen sein, allerdings sind noch einige Fragen offen. 

I. Die Justizreform

Der Gesetzgeber verfolgt seit mehreren Jahren das Ziel, den Justizstandort Deutschland für wirtschaftsrechtliche Streitigkeiten attraktiver zu machen. Insbesondere seit dem Austritt von Großbritannien aus der Europäischen Union (EU) und dem damit verbundenen Wegfall von London als Gerichtsstand in der EU sieht der Gesetzgeber Potential, die staatlichen Gerichte neben der Schiedsgerichtbarkeit als Alternative zu etablieren. Die im Jahr 2023 begonnenen Bestrebungen für ein entsprechendes Gesetz (siehe den Fachbeitrag dazu hier) führten zu dem am 4. Juli 2024 verabschiedeten Justizstandort-Stärkungsgesetz, welches am 1. April 2025 in Kraft getreten ist.

Durch die Reform des Gerichtsverfassungsgesetzes (GVG) sind die Bundesländer nunmehr ermächtigt, mittels Rechtsverordnung spezialisierte Senate bei den Oberlandesgerichten (Commercial Courts) und Kammern bei den Landgerichten (Commercial Chambers) einrichten. Zuletzt hatte der Hessische Gesetzgeber von dieser Ermächtigung Gebrauch gemacht und zum 1. Juli 2025 zwei Zivilsenate am Oberlandesgericht Frankfurt am Main als Commercial Court eingerichtet. Zudem gehen am Landgericht Frankfurt am Main drei Kammern für Handelssachen und drei Zivilkammern als sog. Commercial Chambers an den Start.

II. Was bieten Commercial Courts?

Ein wesentliches Feature der Commercial Courts ist die Möglichkeit, die Verhandlung auf Englisch zu führen. Ferner können die Parteien – wie in Schiedsverfahren üblich-, den Verfahrensablauf mit dem Gericht in einem Organisationstermin vorab besprechen und festlegen. Hierdurch soll der Verfahrensgang gestrafft und planbar gemacht werden.

Die Verfahrensdauer wird bei Commercial Courts verkürzt. Gegen Entscheidungen ist keine Berufung statthaft, sondern das einzige Rechtsmittel ist die Revision zum Bundesgerichtshof. Gegen Entscheidungen der Commercial Chambers ist die Berufung statthaft, in er Regel zum Commercial Court am jeweiligen Oberlandesgericht.

Die Zuständigkeit der Commercial Courts muss von den Parteien vereinbart werden. Commercial Courts sind erst sachlich zuständig, wenn der Streitwert des Rechtsstreits EUR 500.000 übersteigt. Die Commercial Chambers können Kläger mit geringeren Streitwerten anrufen. 

III. Was wird vor Commercial Courts und Commercial Chambers verhandelt?

1. Commercial Courts 

Die Zuständigkeit der Commercial Courts wird von den Bundesländern festgelegt. Der Gesetzgeber hat in § 119b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1-3 GVG einen Katalog von Rechtsgebieten geregelt, der jedoch von den Bundesländern erweitert oder eingeschränkt werden kann.

Die Regelungen der Bundesländer haben zu erheblichen Unterschieden bezüglich Spezialisierung und Organisation der Commercial Courts geführt. Der Frankfurter Commercial Court konzentriert sich beispielsweise auf handelsrechtliche Streitigkeiten zwischen Unternehmen, Streitigkeiten aus oder im Zusammenhang mit dem Erwerb eines Unternehmens oder von Anteilen an einem Unternehmen (Post M&A-Disputes) und Streitigkeiten zwischen Gesellschaften und Organen. Der Commercial Court am Oberlandesgericht Stuttgart verhandelt ebenfalls nur im Gesellschaftsrecht.

Der Commercial Court am Kammergericht Berlin ist hingegen nur für Rechtsstreitigkeiten im Bau- und Architektenrecht zuständig, während die zwei Commercial Court-Senate am Oberlandesgericht München Lieferkettenthemen und Organstreitigkeiten verhandeln. Die Senate am Hamburger Commercial Court sind breit aufgestellt mit Zuständigkeiten für Baurecht, Bank- und Finanzrecht, Gesellschaftsrecht und Post-M&A-Streitigkeiten, aber auch Versicherungsrecht, Transportrecht und Schifffahrtsrecht und Verkehrsrecht. Der offiziell als Hanseatic Commercial Court for Aerospace, Logistics and Maritime Trade bezeichnete Commercial Court in Bremen setzt auf Streitigkeiten im Fracht-, Speditions- oder Lagergewerbe sowie Luftfahrt und Verkehr. Der am Oberlandesgericht in Celle geplante Commercial Court hat hingegen keine Spezialisierung.

2. Commercial Chambers

Auch bei den Commercial Chambers fallen Differenzierungen durch die Bundesländer auf. Beispielsweise sind die Commercial Chambers am Landgericht Frankfurt am Main für dieselben Streitigkeiten zuständig, wie der Commercial Court. In Bremen hingegen existieren keine Commercial Chambers, auch wenn es einen Commercial Court gibt.

Nordrhein-Westfalen hat neben dem Commercial Court in Düsseldorf in allen drei Oberlandesgerichtsbezirken Commercial Chambers an Landgerichten eingerichtet, allerdings mit jeweils unterschiedlichen Spezialisierungen. Die Commercial Chamber am Landgericht Düsseldorf ist für Gesellschaftsrecht zuständig, die in Köln für IT-Streitigkeiten und die in Bielefeld und Essen für erneuerbare Energien. Die Berufung gegen erstinstanzliche Commercial Chamber-Entscheidungen geht in allen Fällen zum Oberlandesgericht Hamm.

IV. Erste Praxiserfahrung

Die Commercial Courts verzeichnen bisher unterschiedliche Zuläufe. Die Senate des erst im April eröffneten Commercial Court in Hamburg erfreuen sich bereits über erste anhängige Verfahren. Im ersten Senat war eine allgemeine Handelssache anhängig, die die Rückabwicklung eines Kaufvertrags zum Gegenstand hatte. Der zweite Senat meldete eine Versicherungssache betreffend einer Vertrauensschadensversicherung. Ansonsten scheinen die Commercial Courts noch keine Verfahrenseingänge zu verzeichnen. Aufgrund der kurzen Lebensdauer der Commercial Courts sind daher auch noch keine veröffentlichten Entscheidungen dieser Gerichte bekannt.

V. Fazit und entsprechender Ausblick

Durch die Einrichtung von Commercial Courts soll der Gerichtsstandort Deutschland für großvolumige Rechtsstreitigkeiten (auch international) attraktiver werden. Dies ist zunächst zu begrüßen. Die Verhandlung und die Einreichung von Schriftsätzen auf Englisch stellen eine große Erleichterung für Unternehmen aus dem Ausland dar. Zudem sind die Commercial Courts mit erfahrenen Richtern besetzt. 

Allerdings dürfte die Vielzahl der Commercial Courts und die Zersplitterung der Zuständigkeiten auf die vielen Oberlandesgerichte zu Unsicherheit führen. Parteien müssen genau prüfen, welchen Commercial Court sie als Gerichtsstand vereinbaren, damit der Vertragsgegenstand auch in die Zuständigkeit des jeweiligen Commercial Courts fällt. Es sollte auch eine Regelung für den Fall getroffen werden, dass sich der Zuständigkeitskatalog ändert, insbesondere dann, wenn die Sachzuständigkeit eines Gerichts aufgrund der besonderen Sachkunde (und Englischkenntnisse) einzelner Richter begründet wird. Diesbezüglich hat die Schiedsgerichtsbarkeit den Vorteil, dass die Parteien die Schiedsrichter selbst auswählen können.

Die Schiedsgerichtsbarkeit dürfte ferner vorzuziehen sein, wenn die Parteien den Rechtsstreit unter Ausschluss der Öffentlichkeit verhandeln möchten. Nach dem neu eingefügten § 273a ZPO kann zwar auch vor dem Commercial Court unter Ausschluss der Öffentlichkeit verhandelt werden, dies jedoch nur engeren Voraussetzungen. 

Es ist nicht klar, inwieweit sich die Bundesländer abgestimmt haben, um eine divergierende Rechtsprechung der Commercial Courts mit denselben Sachzuständigkeiten zu vermeiden. Sinnvoll dürfte jedenfalls sein, dass sich Commercial Courts auf Spezialgebiete konzentrieren, wie das Kammergericht Berlin mit Bau- und Architektenrecht oder Bremen im Logistikbereich.

Aufgrund der kurzen Lebensdauer der Commercial Courts und die damit verbundene geringe Anzahl von Verfahrensgängen, lässt sich die Akzeptanz der Parteien für diese neuen Gerichte bisher schwer prognostizieren. Der Entscheidung, einen Commercial Court oder eine Commercial Chamber als Gerichtsstand zu vereinbaren, sollte in jedem Fall eine genaue Prüfung vorangehen. 

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